Herr Häusel, warum kaufen wir eigentlich?
HANS-GEORG HÄUSEL: Das ist natürlich sehr unterschiedlich, aber eigentlich sind immer Emotionen beteiligt. Da geht es um den Status, den ich mir von einem Kauf verspreche, um die Befriedigung eines emotionalen Bedürfnisses eben. Wer einen Porsche kauft, sucht nicht nur das leistungsfähigste Auto, er will auch Wirkung auf Frauen haben. Die Frau, die ein buntes Kleid kauft, signalisiert mehr Offenheit, Zugänglichkeit.
Gibt es keine Rationalität im Kaufprozess?
Doch, die gibt es, aber sie definiert sich anders. Rationalität nimmt aus meiner Sicht neben der Abwägung der Fakten bei der Produktbewertung eben auch den Grad der Bedürfnisbefriedigung mit in Kauf. Wenn man so will kennt der Kunde seine eigenen limitierenden Faktoren und berücksichtigt diese. Insofern kann es sehr rational sein, eine analytische Faktenbewertung aufzustellen und dann doch dagegen zu verstoßen. Vielleicht gefällt dem Kunden das schlechtere Produkt einfach nur besser, oder er will anders sein, nicht Mainstream.
Weiß der Kunde das? Kann ich das durch Befragung herausfinden?
Meistens nicht. Viele der Status- und Distinktionsmotive sind eng mit Sexualität verknüpft. Diese Assoziation macht der Kunde selten. Er hängt stark an einem Autopilot, hat aber gleichzeitig meistens das Gefühl, bewusst und rational zu entscheiden. Aber das ist eine Illusion.
Die Neuro-Psychologen nutzen dafür dann Messmethoden wie EEG und die Marketer fragen sich, wie kriegen wir so etwas im Alltag operationalisiert.
EEG- und FMRI-Untersuchungen sind ohne theoretische Begleitung nur bedingt aussagefähig. Spannend wird es vor allem, wenn die Messergebnisse signifikant von den Befragungsergebnissen abweichen. FMRI ist wichtig in der Grundlagenforschung und in der Wissenschaft, im Marketing-Alltag eher weniger. Das EEG dagegen ist viel kostengünstiger und liefert für die Marketingpraxis häufig wichtige Hinweise.
Was hilft denn dann? Emotionalität ist doch schon seit jeher ein wichtiger Teil von Markenführung, siehe Porsche.
Auch Porsche kann noch an Details feilen, etwa am einen oder anderen Touchpoint, aber sie haben völlig Recht, die sind sehr sauber positioniert und wissen viel über ihre Zielgruppe. Da braucht man keine Hirnforschung. Aber es gibt viele Firmen, die durch die Welt irren und gar nicht wissen, woher der Misserfolg kommt.
Gibt es aktuell Beispiele von Unternehmen, die zeigen, dass sie Neuromarketing verstanden haben?
Opel hätte ich früher immer als eher positionslose Marke definiert. Das hat sich mit Tina Müller geändert und die Entwicklung ist auf einem guten Weg. Tina Müller weiß viel über Neuromarketing. Und Thalia hat ja eben schwarze Zahlen bekannt gegeben. Die sind auch große Neuromarketing-Fans.
Hat Neuromarketing das Potenzial um den stationären Handel zu retten?
Der durchschnittliche Handel in Deutschland hat die Lektion noch nicht gelernt. Da ist nichts zu sehen von Emotionalisierungsstrategie. Es geht ja nicht nur um die Warenpräsentation sondern um die Inszenierung des ganzen Shops. Da kann man noch viel mehr tun, und dann braucht man auch vor der Onlinekonkurrenz keine Angst zu haben.
Was ist mit einem Mittelständler wie Rügenwalder Mühle. Kann Neuromarketing erklären, wie man mit dem Spagat Wurst versus Vegan umzugehen hat?
Nein, vermutlich nicht. Das ist eher eine tiefenpsychologische Fragestellung. Klar ist ja, dass da Wertekonflikte entstehen. Die Frage ist, ob die Marke diese Konflikte aushält. Aus meiner Sicht werden echte Veganer kaum zu Rügenwalder-Fans, der Schritt ist zu groß. Anders herum könnte das eher gehen. Ein Teil der Wurstesser kommt dem Thema vegetarisch, vegan näher. Das hat aber nichts mit Neuromarketing zu tun, sondern gehört eher zum klassischen Marken-Sachverstand.