Prof. Dr. Thomas Breisig kommt mit seinem Forscherteam jedenfalls zu dem Schluss, dass sich die deutschen Banken seit dem Jahr 2000 zu einer „Finanzindustrie“ entwickelt haben, die mittlerweile nach dem Fließband-Prinzip arbeitet, bei dem möglichst viele Standardprodukte möglichst reibungslos verkauft werden sollen. Alles was zählt, ist kurzfristiger Verkaufserfolg. Kundenzufriedenheit ist dabei nur eine Kennzahl unter vielen. Das passt so gar nicht zum Bild von „Leistung aus Leidenschaft“, „Wir machen den Weg frei“ oder „Die Beraterbank“. Von wegen. Die Oldenburger fragten die Bankangestellten, die übrigens versehentlich und völlig irreführender Weise auch schon mal als Bankberater tituliert werden, nach den Auswirkungen der Vertriebssteuerung auf ihren Arbeitsalltag.
Arbeitsabläufe und zu erreichende Mengen sind genau vorgegeben, einmal pro Woche werden Kundenanrufe, Zahl der Gespräche und Termineinhaltungen überprüft. Beratungsqualität, Erreichen guter Zwischenlösungen und Zwischenstände spielen dabei keine Rolle. Hohe Zielvorgaben und computergestützte Vertriebssysteme setzen Beschäftigte dabei unter ständigen Druck. Spielraum für Anpassung an Kundenwünsche haben Berater kaum. Jeder zweite Kundenkontakt soll zum Abschluss führen und das Beratungsgespräch darf 30 Minuten nicht überschreiten.
Ergänzt wird das ganze durch mathematische Methoden, die Trends und Verhaltensmuster sichtbar und auf Vertriebspotenziale aufmerksam machen sollen. Im Grunde entscheide der Computer darüber, welche Geldanlage an den Mann oder an die Frau gebracht werden, stellt ein Beschäftigter in einem Interview fest. Die Hamburger Sparkasse (Haspa) hat damit im übrigen schon Schiffbruch erlitten, als sie ihre Kunden in sieben psychologische Kategorien einteilte, um Versicherungen und Aktien noch gezielter verkaufen zu können. Sie stellte das Projekt ein. In Zeiten von zumindest proklamiertem nachhaltigen Wirtschaften stellt sich die Frage, warum Kurzfristigkeit und kurze Horizonte immer noch Priorität haben. Vielleicht weil es die Banken (und auch andere Unternehmen) nicht ernst meinen? Der Kunde hat auf jeden Fall das Nachsehen. Zurück zur Studie: Ein Befragter berichtet von einer Anweisung: Er müsse das zu verkaufende Produkt nicht verstehen, er brauche es nur zu verkaufen. Wahrscheinlich ist es wirklich nicht ernst gemeint.
Über den Autor: Christian Thunig ist Portalmanager der Plattform www.marketingIT.de und stellvertretender Chefredakteur der absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing .