„Für viele Unternehmen, die ihre Technologieausgaben im Jahr 2023 erhöhen wollen, steht die Optimierung von Customer Journey ganz weit oben auf der Liste“, sagt Florian Wassel, Digitalexperte und CEO von TOWA. „Wer seine Hausaufgaben gemacht hat, hat es geschafft, Tools, Schnittstellen und Plattformen ohne Friktion zu orchestrieren, und bietet Kund*innen, was sie wollen.“
Die lineare Customer Journey hat dem Experten zufolge nahezu ausgedient, vielmehr fragmentiert sie sich über den Wechsel von Social Media, Websites, Apps, Messenger und dem stationären Handel. „Die Customer Experience ist deshalb für Unternehmen von höchster Relevanz, weil sie neben dem Preis und der Produktqualität ein Hauptentscheidungskriterium für Kund*innen ist“, so Wassel. Was diese auf der „Reise zum Produkt“ erwarten: konsistente, personalisierte Erlebnisse über alle Kanäle hinweg – möglichst einfach und schnell.
Rein schematisch durchlaufen Konsument*innen auf ihrer Customer Journey mehrere Phasen – vom ersten Interesse bis zum Kaufabschluss. Es gibt verschiedene Modelle, doch üblicherweise besteht die Customer Journey aus den Abschnitten Awareness, Interest, Consideration, Purchase, Post-Purchase und Loyality. Um in den einzelnen Abschnitten optimale Kundenerlebnisse zu schaffen, stehen im digitalen Bereich verschiedene technische Lösungen zur Verfügung. In der Regel ist ein einzelnes Tool nicht auf einen Touchpoint begrenzt, sondern für mehrere geeignet. Ebenso können an einem Touchpoint mehrere Tools eingesetzt werden. Die Grenzen sind fließend.
Am Beginn einer digitalen Customer Journey können Online-Werbeanzeigen ebenso wichtige Kontaktpunkte darstellen wie die Website und soziale Medien. Mit ihnen kann Aufmerksamkeit erzeugt und Informationen bereitgestellt werden. Tools wie Google Analytics oder Social Media Analytics sind beispielsweise an dieser Stelle geeignet, um den Website-Traffic und das Engagement in den sozialen Medien zu verfolgen.
Schreitet der Kunde oder die Kundin weiter voran und zeigt Interesse an bestimmten Produkten, können E-Mail und SMS genutzt werden, um mit den Kund*innen zu kommunizieren und Werbeaktionen anzubieten. Mithilfe von E-Mail-Marketing-Tools lassen sich Öffnungs- und Klickraten analysieren, um Kampagnen zu optimieren.
Consideration: Personalisierungstools helfen
„In der Customer Journey gilt der Consideration Touchpoint in der Regel als der beste Punkt für die Implementierung einer Personalisierungslösung“, sagt Michael Geißler, Executive Director Experience Design bei Oddity. An diesem Punkt prüfen Kund*innen verschiedene Optionen und versuchen zu entscheiden, welches Produkt oder welche Dienstleistung sie kaufen möchten. Wird eine Personalisierungslösung eingesetzt – zum Beispiel um personalisierte Produkte, zielgerichtete Angebote oder maßgeschneiderte Inhalte anzubieten –, kann das Unternehmen ihm oder ihr eine persönlichere und relevantere Erfahrung bieten.
Auch E-Mail-Kampagnen und Landingpages lassen sich sehr gut personalisieren. „Dies alles kann dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Kund*innen einen Kauf tätigen. Und es kann auch helfen, Vertrauen und Loyalität bei ihnen aufzubauen“, sagt Geißler. Der Experte weist aber darauf hin, dass die Personalisierung an allen Touchpoints implementiert werden kann, „nicht nur in der Phase der Kaufentscheidung, sondern beispielsweise auch im Rahmen eines Treueprogramms“.
Seiten mit Rezensionen und Bewertungen werden von Interessent*innen ebenfalls gern angesteuert, bevor sie sich für ein Produkt entscheiden. Entsprechend können an diesen Stellen Tools wie Umfrage- und Feedbackformulare eingesetzt werden. Auch Produkt-Konfiguratoren eignen sich, die Kaufentscheidungen zu erleichtern.
Nicht zuletzt sind für den Kaufabschluss und für die anschließende Kundenbetreuung CRM-Systeme wichtig. Sie dienen dazu, Kundendaten zu speichern, zu organisieren und Interaktionen über mehrere Touchpoints hinweg zu verfolgen. Und sie ermöglichen auch die wichtige Personalisierung der Kundenansprache, die wesentlich dazu beitragen kann, dass sich Kund*innen für ein Produkt entscheiden.
Purchase: Mit Commerce Advertising am Ball bleiben
Für alle digitalen Marketingmaßnahmen, mit denen Werbetreibende ihre Zielgruppen während der Customer Journey in den Phasen Consideration und Purchase erreichen, wird seit geraumer Zeit auch ein eigener Begriff verwendet: Commerce Advertising. Shopping-Ads, Produktvergleiche und Affiliate-Links können für das Commerce Advertising ebenso gut eingesetzt werden wie Produktempfehlungen. In der eigentlichen Kaufphase können dann auch Gutscheine und individuelle Rabatte angeboten werden.
Um letzte Fragen zu klären, eignet sich der Einsatz von Chatbots und Live-Chats. Eine Chat-Funktion kann zum Beispiel genau dann nützlich sein, wenn der Kunde oder die Kundin in der Kaufphase noch Fragen zum Produkt hat. Auch Retail Media Advertising (siehe S. 38) zielt aktuell vorrangig auf diese späten Phasen der Kaufentscheidung ab. Doch die Entwicklung geht weiter.
Customer Journey – Mehrheit plant Optimierungen
Ein aktueller CX Trends Report von Zendesk besagt, dass 71 Prozent der Unternehmen die Customer Journey komplett umgestalten wollen. Einige Veränderungen stehen bei den Firmen dabei ganz oben auf der Agenda: Laut Matthias Göhler, CTO EMEA bei Zendesk, überdenkt der Großteil der für den Report befragten Führungskräfte die gesamte Customer Journey mit dem Ziel, den Kund*innen hervorragende Erlebnisse zu bieten. „Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Interaktion zwischen Unternehmen und Kund*innen, die nicht nur umfassend und konsistent sein soll, sondern auch einfach von der Hand gehen soll“, so Göhler.
Um das erreichen zu können, liegt ein Fokus auf künstlicher Intelligenz (KI). Die Ausweitung des Einsatzes von KI und Bots wird für Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten eine hohe Priorität haben, wie 72 Prozent der befragten Führungskräfte bestätigen. „Diese Veränderungen sind zwingend notwendig, um Kund*innen beispielsweise mit Bots schnell Hilfe bieten zu können – auch außerhalb der Geschäftszeiten“, erläutert Göhler.
Kund*innen machen zunehmend bessere Erfahrungen mit Bots, während gleichzeitig ihre Ansprüche an die Technologie gestiegen sind. Tatsächlich stehen viele Firmen aber noch am Anfang, das enorme Potenzial von KI im Kundenservice zu nutzen.
Kund*innen erwarten Omnichannel-Erlebnis
Eine weitere wichtige Maßnahme zur Verbesserung der Customer Journey dürfte es sein, dialogorientierten Kundenservice einzuführen: Der CX Trends Report zeigt, dass 63 Prozent der Führungskräfte in der EMEA-Region planen, diesen einzuführen. Die Gründe liegen auf der Hand: Kund*innen möchten mit Unternehmen nicht nur jederzeit, sondern auch über ihren präferierten Kontaktkanal kommunizieren.
„Wenn Kund*innen eine Interaktion abbrechen müssen, dann erwarten sie, dass sie später oder auf einem anderen Kanal dort anknüpfen können, wo das letzte Gespräch endete. Um dem gerecht zu werden, müssen Unternehmen dialogorientierte Omnichannel-Erlebnisse schaffen und in der Lage sein, sämtliche Kommunikationsstränge in einem System zu bündeln“, betont Göhler.
Doch die digitalen Erlebnisse sind nur ein Teil moderner Customer Journeys – wenn auch ein sehr großer. Offline-Kanäle wie Radio, TV, Plakat oder Print sind insbesondere für Branding-Ziele hochrelevant. „Es ist wichtig, die gesamte Customer Journey on- und offline zu berücksichtigen und dass jede*r Kund*in individuell ist und eine eigene Journey durchläuft“, sagt Geißler. Unternehmen sollten daher ihre eigenen Journeys analysieren und anpassen, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kund*innen erfüllen.