Ein berühmter Mann sagte einmal: „Wir können versuchen aus der Vergangenheit zu lernen, von Dingen die uns widerfahren sind, und versuchen sie einzusetzen, um heute bessere Menschen zu sein.“ Der Satz ist zugegeben etwas verschachtelt, aber im Kern absolut richtig. Und er stammt von keinem anderen als He-Man, dem Muskelberg aus Masters of the Universe.
Dass fiktionale Figuren am Ende einer Zeichentrickserie noch schnell eine Moralpredigt halten, mag heute wie damals etwas scheinheilig wirken. Aber es hat funktioniert – viele Kids haben sich den Worten des barbarischen Influencers angenommen, und noch mehr haben sich seine Spielfiguren zu Weihnachten gewünscht. Und gebracht hat die Geschenke kein anderer als der Weihnachtsmann – ältester und wohl berühmtester Influencer für dunkles Zuckerwasser. Wenn es mit dem angekündigten Netflix-Reboot klappt, könnte He-Man bald als Influencer für Diät-Cola werben.
I ain’t happy, I’m feeling glad
Der Zeitgeist spricht hier: nicht Promis, sondern Influencer sind die neuen Werbestars. Es zählt nicht mehr nur der Bekanntheitsgrad einer Person, es zählt ihre Persönlichkeit und Authentizität. Erfolgreiche Influencer haben es geschafft, eine Instanz zu einem gewissen Thema zu werden und sich eine stabile Glaubwürdigkeit zu erarbeiten, an der auch bezahlte Jobs ohne thematischen Bezug nicht rütteln könnten.
Influencer sind Menschen aus Fleisch und Blut. Und nicht selten auch aus Filtern, Schminke, Licht, Retusche und allem was zum „perfekten“ Posting dazugehört. Durch allerlei Hilfsmittel werden Bilder geschaffen, die von der Realität kaum weiter entfernt sein könnten. Und genau das ist der Punkt: Authentizität hat nichts mit Realitätsnähe zu tun. Wer behauptet, digital nachbearbeitete Bilder zeigen nicht die Realität, muss sich die Frage stellen: was zeigt dann überhaupt noch die Wirklichkeit? Könnte man echte Menschen dann nicht auch gleich durch digital geschaffene, virtuelle Menschen ersetzen? Man kann!
I got sunshine in a bag
Um die Jahrtausendwende erschien das erste Album der virtuellen Band Gorillaz. Damon Albarn schuf sich zusammen mit Jamie Hewlett eine virtuelle Identität, ein neues Image und eine große Fangemeinde. Wären soziale Medien damals schon so groß wie heute, hätten die vier Comicfiguren sowas von ein eigenes Instagram-Profil gehabt. (Sie haben seit 2016 sogar eines: @gorillaz – Koops mit Levis und Gshock inklusive.) Heute sind wir natürlich schon etwas weiter, vor allem in Sachen fotorealistischer Animation.
Eine der wohl prominentesten virtuellen Influencer auf Instagram ist Lil Miquela mit derzeit rund 1,6 Millionen Followern auf Instagram. Sie wirbt für brands wie Samsung, UGG und Prada. Miquela ist 19 Jahre jung, wahnsinnig erfolgreich und kein Mensch. Sie ist ein computergenerierter Avatar. Wer hinter ihr steht, wer sie „wirklich ist“ war für längere Zeit nicht klar. Wie sich herausstellte, ist sie das millionenschwere Kind des kalifornischen Unternehmens Brud. Ihre Eigenschaften und Außenwirkung sind nicht selbstbestimmt, sondern werden von den Brands und dem Unternehmen kontrolliert. Ihre Millionen Follower scheint das nicht die Bohne zu interessieren – denn was wirklich zählt, ist die Message. Ihre Follower sind bereit, sie als Meinungsträgerin zu akzeptieren. Und so schafft sie als virtueller Influencer Reichweite und Aufmerksamkeit für Marken.
I’m useless, but not for long
Wir leben in einer Zeit, in der virtuelle Charaktere verhältnismäßig schnell und günstig in Szene gesetzt werden können, in beliebiger Anzahl – auch von Privatpersonen. Wenn Unternehmen wie KFC oder Smart mit virtuellen Influencern experimentieren, warum also nicht auch Menschen, die etwas zu sagen haben, sich aber nicht vor der Kamera zeigen wollen? Sie können ihre Persönlichkeit und ihre Überzeugungen in einem virtuellen Avatar ausleben und so Glaubwürdigkeit schaffen – und die glaubwürdigen virtuellen Kollegen als Ware an Unternehmen anbieten.
Bald wäre das vielleicht sogar möglich, ohne dass jemand bemerkt, dass es sich bei ihrem Avatar nicht um eine reale Person handelt. Wer weiß, vielleicht passiert das sogar schon? Und wenn ja, wäre der Unterschied zu all den mit digitalen Filtern und Make-Up überdeckten Menschen überhaupt noch von Relevanz? Klar ist: Virtuelle Influencer könnten in Zukunft wesentlich pflegeleichter sein als ihre realen Kollegen. Mit nur ein paar Klicks entspannen sie am Strand, mit dem Mindset der Marke im Hinterkopf und unermesslicher, datengetriebener Kreativität. Zugegeben, noch ist das in der Breite Zukunftsmusik – noch.
The future is coming on
Bis man virtuellen Influencern das gleiche Vertrauen schenken wird, wie man es bei echten Menschen tut, wird es noch dauern. Dass es möglich ist, Loyalität und Vertrauen zu einer Marke zu schaffen, indem man diese um eine fiktionale Figur herum aufbaut, daran werden wir Jahr um Jahr zur Weihnachtszeit erinnert. Doch dazu braucht es nicht nur Zeit, sondern auch die richtigen Strategien und Wege. In den relativ jungen sozialen Medien bedarf es dazu auch noch der Akzeptanz für virtuelle Influencer.
Wenn es einmal soweit ist, bedeutet das zwar nicht das Ende der klassischen Influencer. Es bedeutet aber, dass Marken einen weiteren spannenden Weg haben, Verbraucher und Kunden zu erreichen – mit einem digitalen, datengetriebenen Influencer als Teil der digitalen Infrastruktur einer Marke. Fest verwoben in ihr Ökosystem der Marke, von Produkten, Dienstleistungen und dem Dialog zu den Kunden, wären digitale Influencer ein weiteres Bindeglied zwischen Brands und Usern.