Vertrauensfragen und die Kosten des Zögerns 

Wem und was ist noch zu trauen? Diese Frage stellen sich derzeit nicht nur Wähler*innen, sondern vermehrt auch Kund*innen. Und das könnte teuer werden. 
asw-header-gastbeitrag_Chris_Boehnke
Christopher Böhnke ist Managing Director & Song Design Lead DACH bei Accenture Song. (© Accenture, Montage: Olaf Heß)

Sehr lange schon bauen Digitalriesen und hiesige Firmen auf das Einfache, das Konveniente, den schnellen Weg zur Conversion. All dem unterliegt ein Grundvertrauen durch Kontrollgefühl, Wahrheit und Sicherheit.  

Wer Vertrauen genießt, genießt Effizienz: keine lange Suche, sondern direkter Kauf. Keine langwierige Interaktion, sondern der Klick zum Ziel. Weniger Vergleich, sondern mit Reviews in den Warenkorb. Die Ersparnisse – vom Marketing bis zur Supply Chain – durch Vertrauen liegen im Willen der Kund*innen, diesen Wegen zu folgen. 

Doch jene zögern nun. Warum? Und was können Marken tun? 

Verbraucherwahrnehmung: Shopping überall 

Das Kontrollgefühl vieler ist angezählt – nicht nur durch Inflation, sondern durch die sogenannte ‚Enshittification‘: 48 Prozent der Befragten der “Accenture Life Trends” fühlen sich, als sei Shopping unnötigerweise überall. Jede digitale Erfahrung – von der E-Mail über Social Media bis hin zu Nachrichtenportalen – enthält nicht nur Werbung, sondern auch Warenkörbe. Nicht herbeigewünscht, sondern aufgezwungen: Personalisierung bedeutet oft passende Produkte im Content, aber nicht sinnvolle Interaktion im Kontext. Marken müssen sich fragen: Ist der Fokus im Bereich Omni-Channel durch Conversion-Rates wirklich zielführend? Wollen Kund*innen überall kaufen müssen? 

Mit der Abkehr vieler von sozialen Medien und Suchplattformen ergibt sich eine Chance: Marken können Menschen helfen, ihre Lebensziele zu verstehen und zu erreichen. Durch den Ausstieg aus gängigen Kommerzkanälen wie Instagram können Marken authentische Beziehungen aufbauen. Ein Beispiel aus dem Bankensektor – noch immer vertrauensgebeutelt – zeigt, wie es gehen kann: Finanzheldinnen begleiten junge Frauen mit Bildungsangeboten, die ihnen helfen, ihre finanziellen Lebensziele zu erreichen – anstatt sie direkt mit Zinsprodukten einzudecken. Solche Initiativen können vor allem das Vertrauen der Kund*innen stärken, indem sie ihnen die Kontrolle über ihre Entscheidungen zurückgeben und echten Mehrwert bieten – statt nur zum Kauf zu animieren. 

Produkte, Marken, Websites – was ist noch echt? 

Auch der Wahrheit wegen zögern Kund*innen vermehrt. KI hat für Marken viele Türen geöffnet: skalierter Kundendienst, Bildgenerierung in Windeseile, aber auch die ständige Unsicherheit, ob das Gesehene wirklich echt ist. Produkte, Marken, ganze Websites: mehr und mehr erleben Kund*innen, dass das, was sie sehen, nicht real ist. Über 50 Prozent der Befragten überlegen, oft oder immer, ob Produkt-Reviews authentisch sind. Viele Menschen erhalten Werbung für Produkte, die gar nicht existieren. 

Marken müssen in diesem Umfeld über Authentizität nachdenken: Woher wissen Kund*innen, dass etwas wirklich von uns stammt? Wie geben wir ein Siegel für unsere Qualität? Transparenz kann hier ein entscheidender Faktor sein – sei es durch digitale Gütesiegel auf Basis von Nachhaltigkeitsdaten oder einen bewussteren Einsatz von KI. Kund*innen wünschen sich verlässliche Orientierung, um bewusst Entscheidungen treffen zu können. Wieso also nicht in den Kundendienst und physische Formate investieren, um ein ‚Omni-Trust‘-Modell zu etablieren? 

Sicherheit muss Teil des Angebots sein 

Denn was echt ist, kann auch sicher sein. Und Sicherheit ist die Basis des Vertrauens. Allerdings hat ein Drittel der Befragten bereits Scams oder Deep-Fakes erlebt. Markenerlebnis bedeutet heute nicht nur Kontrollgefühl und Wahrheit, sondern auch ein Sicherheitskonzept. Von der Content-Moderation auf externen Kanälen bis hin zum Consent-Management auf den eigenen Plattformen: Sicherheit muss Teil des Angebots sein. Sie geht weit über sichere Bezahlwege hinaus und bildet Vertrauen durch Fürsorge. 

Investitionen in Kontrollgefühl, Wahrheit und Sicherheit zahlen sich aus: Sie stoppen die Kosten des Zögerns in einer Zeit, in der Einsparungen Priorität haben. Und sie werden zum Wettbewerbsvorteil 2025: weg von Kaufkonvenienz, hin zu einem Vertrauen in Marken – ohne Fragen.