Von Simone Rosenthal
Die Bedeutung des Vertragsrechts wird im Agentur- und Marketingbereich oft unterschätzt. Häufig werden nur minimal modifizierte Standard- oder Musterverträge (zum Beispiel der GWA-Vertrag) unreflektiert verwendet. Diese Musterverträge sind in der Regel auch als Ausgangspunkt geeignet, müssen aber für das jeweiliges Projekt passend gemacht werden.
Es sei ratsam, so Kathrin Schürmann, Rechtsanwältin, dass Musterverträge grundsätzlich nur als Checkliste betrachtet werden. In der Praxis sehe es allerdings oft anders aus: Nachdem zwischen der Agentur und dem Kunden Gespräche geführt wurden, werde oft auf „die Schnelle“ irgendein Standard- oder Muster-Vertrag unterschrieben (schlimmstenfalls wurden bloß Parteien und Datum angepasst) – eben nur, um „irgendwas Schriftliches“ in der Hand zu haben. Das ist riskant. Denn: Vertragsgestaltung ist von geradezu existentieller Bedeutung. Ein schlechter Vertrag kann sowohl der Agentur als auch dem Kunden enorme Kosten verursachen und das Image nachhaltig schädigen.
Verträge sind die Grundlage der Zusammenarbeit von Agentur und Kunden. Es besteht ein Vertrag, daher kann der Kunde von der Agentur die Erbringung von (vertraglich) bestimmten Leistungen oder die Agentur vom Kunden die Zahlung einer (vertraglich bestimmten oder bestimmbaren) Vergütung verlangen. m Falle unklarer Verträge sind unklare Verhältnisse vorprogrammiert, weil Agentur und Kunde jeweils unterschiedliche Interessen mit dem Vertrag verfolgen. Diese sollten unter „einen Hut gebracht“ werden, damit alle mit der Zusammenarbeit zufrieden sind. Die Grundlage hierfür ist ein sachgerechter und interessengerechter Vertrag.
Vertragsschluss: Wurde überhaupt etwas vereinbart?
Ein Vertrag ist eine Vereinbarung, beispielsweise zwischen einer Agentur und ihrem Kunden. Wie die „Vereinbarung“ genannt wird, ist nicht relevant („Vertrag“, „Vereinbarung“, „Erklärung“, „Auftrag“). Bei den meisten Vertragsarten, auch beim Agentur-Vertrag, gilt die „Formfreiheit“. Das heißt, das Gesetz schreibt keine bestimmte Form vor. Sie können Agenturverträge also mündlich, schriftlich, per SMS oder etwa E-Mail abschließen. Sie können das auch kombinieren und den Vertrag teilweise mündlich, teilweise schriftlich und teilweise per SMS schließen. rotzdem ist zu empfehlen, immer einen schriftlichen Vertrag zu verfassen. Denn es liegt auf der Hand, dass im Streitfall ein ausschließlich schriftlicher Vertrag hilfreicher ist, als z. B. sich wider-sprechende Aussagen über (vermeintliche) mündliche Abreden.
Vertragsinhalt: Was wurde eigentlich vereinbart?
Wenn Sie einen Vertrag schließen, dann haben Sie sich mit ihrem Vertragspartner zumindest über zwei Dinge mehr oder weniger präzise verständigt: Was soll die Agentur tun, und was muss der Kunde dafür bezahlen? Schwierig wird es, wenn ein Fall eintritt, über den die vorhandene Vereinbarung gar keine oder eine mehrdeutige Aussage trifft. Beispielsweise soll die Agentur die Website des Kunden auch für die Benutzung auf „Mobilgeräten“ komfortabel machen: Welche Mobilgeräte sind gemeint, was ist etwa mit unterschiedlichen Auflösungen? rundsätzlich genügt es zwar, wenn Sie nur die wesentlichen Vertragsbestandteile (zum Beispiel Agenturleistung und Vergütung, gegebenenfalls „Termin“) regeln. Nachteil: Sämtliche „offenen Fragen“ werden dann vom Gesetz (etwa mit dessen Hilfe: vom Richter) beantwortet – dort gibt es für alles eine Regelung. Meistens wird sich dies nach dem BGB richten. Tipp: Nehmen Sie die Chance wahr, durch Vertragsgestaltung einige dieser gesetzlichen Rege-lungen im konkreten Vertragsverhältnis für nicht anwendbar zu erklären oder um sie zu „modifizieren“.
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder Individualvereinbarung?
In der Praxis wird oft missachtet, was es mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eigentlich auf sich hat. AGBs sind nicht nur „das Kleingedrucktes“, dass Sie – oft auf der Rück-seite eines Vertrages – in kleiner Schrift vorfinden (und was oft ignoriert wird).
AGBs haben aus juristischer Sicht folgende Merkmale:
- Vertragsbedingungen
- vorformuliert
- für eine Vielzahl von Verträgen
- von einem Vertragspartner einseitig gestellt
Auch AGBs werden „normaler“ Vertragsinhalt. Sie „gehören“ zum Vertrag und sind an sich gleichwertig mit den anderen Vereinbarungen (z. B über Preis und geschuldeter Leistung). Jedoch sollten Sie folgendes beachten: Wenn AGBs verwendet werden, gilt für diese Klauseln ein spezielles strenges AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB). Schnell kann es passieren, dass eine AGB-Klausel wegen dem AGB-Recht unwirksam ist (also nicht Vertragsbestandteil wird) und daraufhin das ganze „Vertragsgleichgewicht“ „über den Haufen geworfen“ wird.
Im AGB-Recht wird die Vertragsfreiheit stark eingeschränkt. Insbesondere dürfen typische Rechte und Pflichten, die die andere Partei erwarten kann, dort nicht eingeschränkt werden. Beispiel für unzulässige AGB-Vereinbarungen: Häufig verwendete Vertrags-Klauseln wie „Das Risiko der rechtlichen Zulässigkeit der durch die Agentur erarbeiteten und durchgeführten Maßnahmen wird vom Kunden getragen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die Aktionen und Maßnahmen gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts, des Urheberrechts und der speziellen Werberechtsgesetze verstoßen“ sind daher nach AGB-Recht unwirksam, denn typischerweise sind Agenturen (wie ja alle anderen Dienstleister auch) dazu verpflichtet, eine rechtlich einwandfreie Leistung zu erbringen. Dies darf der Kunde erwarten.
Wurde die Klausel aber individualvertraglich vereinbart (also „ausgehandelt“), ist sie wirksam. Denn weil „verhandelt“ wurde, kann sich der Kunde nicht mehr darauf berufen, er habe mit dem Haftungsausschluss nicht gerechnet. Vieles, was in AGBs verboten ist (eingeschränkte Vertragsfreiheit), ist individualvertraglich erlaubt (Vertragsfreiheit).
Beachten Sie daher folgende Tipps:
- Regeln Sie möglichst viele Vertragsbestandteile immer individuell („aushandeln“), vor allem aber „heikle“ Themen (also solche, die die geschuldeten Leistungen berühren und dabei auf spezielle Agentur- oder Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind)
- Haftungsausschlüsse allenfalls in Bezug auf Vorsatz (=“Absicht“) und grobe Fahrlässigkeit (=“fast absichtlich“) in AGB regeln, sonst immer individuell „aushandeln“
- Rechte-Buy-out niemals in AGB regeln, sondern Rechteübertragung und Honorar immer individuell „aushandeln“
Welches Vertragsrecht soll Anwendung finden?
Bei Verträgen, die typisch im Marketing-Bereich verwendet werden, wie etwa Beratungsverträge, PR-Verträge, Webdesign-Verträge, Website-Betreiberverträge, Hosting-Verträge, Fotografenverträge, handelt es sich üblicherweise – unabhängig von ihrer Bezeichnung (also der „Überschrift“) – in den meisten Fällen um Dienstverträge oder um Werkverträge. Die Verträge, die Sie im Rahmen Ihrer täglichen Arbeit mit Kunden und Agenturen abschließen, sind also in den allermeisten Fällen entweder ein Dienstvertrag oder ein Werkvertrag. Sowohl Dienst- als auch Werkvertrag sind im BGB regelt. Die jeweiligen Vorschriften entscheiden sich teilweise erheblich. So sieht das BGB etwa im Dienstvertragsrecht keine Gewährleistungsrechte vor, der Kunde muss die Agentur also bezahlen, auch wenn er mit der Leistung nicht zufrieden ist. Bei einem Werkvertrag hat der Kunde gegenüber der Agentur jedoch Gewährleistungsrechte.
Wie unterscheidet man Werk- und Dienstvertrag?
Die Unterscheidung von Werk- und Dienstvertrag ist nicht immer einfach. Oft enthält ein Vertrag auch Elemente beider Vertragstypen. Als Faustregel gilt:
Dienstvertrag: Geschuldet wird eine bestimmte Tätigkeit (tätigkeitsbezogener Schwerpunkt) ( vgl. „normaler“ Arbeitsvertrag)
Werkvertrag: Geschuldet wird die Herbeiführung eines bestimmten „Erfolges“ („Endprodukt“-bezogener Schwerpunkt).
Es ist daher immer ratsam, auf die Formulierung im Vertrag zu achten. Denn oft kann die von der Agentur geschuldete Leistung sowohl Tätigkeitsbezogen als auch „Erfolgsbezogen“ formuliert werden.
Vereinbarungen über die Erteilung und Vergütung von Nutzungs- und Bearbeitungsrechten
Die Übertragung von Nutzungsrechten an Erzeugnissen der Agentur stellt den wahrscheinlich wichtigsten Bestandteil von Agenturverträgen dar, denn hier geht es vor allem um „geistiges Eigentum“. Gleichwohl werden hier die meisten (vermeidbaren) Fehler gemacht, weil diesem Aspekt nicht die nötige Bedeutung beigemessen wird. Der Respekt vor fremden geistigem Eigentum ist immer noch geringer ist als derjenige vor fremden Sacheigentum. Beachten Sie daher: Die unerlaubte Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Werkes ist eine Straftat – Je unklarer die Nutzungsrechte im Vertrag geregelt sind, desto größer ist die Gefahr einer rechtswidrigen Nutzung.
Nutzungsrechte können nur übertragen werden, wenn sie eindeutig bestimmt sind. Dies ist in der UrhG-Logik auch konsequent: Denn wenn (im Worts Case) der Richter überprüfen muss, ob der Urheber angemessen vergütet wurde, muss er wissen, welche konkreten Rechte übertragen wurden. Verträge, bei denen der Urheber gegen die Zahlung eines einmaligen Honorars sämtliche Nutzungsrechte an einen Vertragspartner abtritt, sind problematisch (sogenannte Buy-Out-Verträge). Denn es fehlt an der eindeutigen Bestimmtheit. Sogenannte Buy-Out-Verträge sind allerdings allen Branchen der Verlags- und Medienwelt verbreitet, und deshalb auch häufig Gegenstand von Gerichtsurteilen.
Darüber hinaus gibt es viele weitere Fragestellungen mit Regelungsbedarf wie etwa Haftungs-fragen, Beendigung des Vertrages, Vereinbarung unterschiedlicher Vergütungsmodelle.