Verbraucherschutzgesetze schützen vor Überrumpelung

Ein gewisses Maß an Belästigung liegt in nahezu jeder Werbung. Die Grenze von der zulässigen zur unzulässigen Belästigung ist daher nur schwer zu ziehen. Sie wird regelmäßig dort überschritten, wo der Kunde der Belästigung entgehen will und deshalb kauft.

Ebenso wenig darf der Kunde durch die Art der Belästigung veranlasst werden, aufgrund weniger grundlegender Überlegung zu kaufen (Typischer Fall: „Direktmarketing“).

Die Frage, welche Arten von Belästigungen durch Werbung unzulässig sind, lässt sich am besten an Hand der gesetzgeberischen Verbotsmotive beantworten. Belästigende Werbung kann etwa ausfolgenden Gründen verboten sein:

  • Schutz der Individualsphäre
  • Schutz der Ressourcen des Verbrauchers
  • Schutz vor Überrumpelung
  • Schutz des Wettbewerbs vor „Verrohung“ der Wettbewerbssitten

Schutzvorschriften und verbotene Werbemaßnahmen

Um den Kunden vor Überrumpelung zu schützen wurden zahlreiche Verbraucherschutzgesetze erlassen. Nachfolgend werden die wichtigsten Regelungen kurz vorgestellt:

Verbraucherkreditgesetz (jetzt im BGB integriert):
Bei Kreditverträgen steht dem privaten Verbraucher grundsätzlich ein Widerrufsrecht von zwei Wochen ab Übergabe einer gesondert zu unterschreibenden Widerrufserklärung zu. Ausnahmen bestehen bei kleinen Krediten bis 200 EUR sowie Krediten ab 50.000 EUR, wenn diese für die Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen berufliche Tätigkeit bestimmt sind.

Haustürwiderrufsgesetz (jetzt im BGB integriert):
Verträge, die durch mündliche Verhandlungen am Arbeitsplatz, im Bereich der Privatwohnung, in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen oder auf Freizeitveranstaltungen (auch Freizeitmessen) zustande gekommen sind, können von Seiten des privaten Verbrauchers ebenfalls innerhalb von zwei Wochen ab Übergabe einer gesondert zu unterschreibenden Widerrufserklärung widerrufen werden.

Fernabsatzgesetz (jetzt im BGB integriert):
Verträge über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, unterliegen dem Fernabsatzgesetz. Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele-und Mediendienste.

Bei diesen Verträgen hat der Unternehmer ausführliche Informationspflichten hinsichtlich des Vertragsgegenstandes und des Vertragspartners sowie hinsichtlich der kompletten Zahlungsbedingungen und eventueller Rückabwicklungsmöglichkeiten. Weiterhin ist der Kunde über die Einräumung des ihm zustehenden 2-wöchigen Widerrufsrechts sowie sämtlicher Modalitäten, die zur Abwicklung dieses Widerrufsrechts erforderlich sind, aufzuklären.

AGB-Gesetz (jetzt im BGB integriert):
Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht nur das „Kleingedruckte“ im Vertrag, sondern auch der Vertrag selbst, wenn dieser von Seiten des Verwenders für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden soll und die jeweilige Bestimmung nicht individuell ausgehandelt wurde. Letztlich dürfen in allgemeinen Geschäftsbedingungen keine überraschenden Klauseln und auch keine unangemessenen Klauseln, die mit sonstigen gesetzlichen Wertungen in Widerspruch stehen, enthalten sein. Auch Kaufleute sind über das AGB-Gesetz geschützt, der Schutz von privaten Verbraucher ist jedoch stärker ausgeprägt.

Schutz der Individualsphäre

Telefonwerbung
Im Bereich der Telefonwerbung ist zwischen Werbung gegenüber privaten Kunden und Geschäftskunden zu unterscheiden. Telefonwerbung gegenüber privaten Kunden ist wettbewerbswidrig, es sei denn, der Kunde hat zuvor ausdrücklich oder stillschweigend seine Zustimmung dazu erklärt, angerufen zu werden. Eine stillschweigende Zustimmung kann etwa in der Angabe einer Telefonnummer auf einer Antwortkarte oder der Anforderung von Informationsmaterial liegen. Nicht ausreichend ist die bloße Ankündigung, dass der Kunde einen Anruf erhält oder eine bereits bestehende Geschäftsbeziehung in anderer Sache (etwa bei Versicherungsverhältnissen).

Ein Anrufen von Geschäftskunden ohne ausdrückliche oder stillschweigende vorherige Zustimmung ist jedenfalls dann zulässig, wenn ein sachliches Interesse des Geschäftskunden aufgrund des Geschäftsgegenstandes vermutet werden darf. Ein Weinhersteller darf etwa grds. keine Maschinenfabrik anrufen, auch wenn diese Fabrik Wein als Weihnachtsgeschenk verteilt. Angerufen werden darf jedoch ein Weinhandel. Die Rechtsprechung hierzu ist allerdings nicht einheitlich.

Telefax-Werbung und SMS
Für die Telefax-Werbung und SMS-Werbung gilt das zur Telefonwerbung Gesagte. Die entsprechenden Verbote gelten für die Telefax-Werbung hier grundsätzlich europaweit, da Art. 12 Abs. 2 der EU-Richtlinie 97/66/EG vom 15.12.1997 entsprechende Werbeverbote regelt.

E-Mailwerbung
Derzeit besteht noch ein Wahlrecht der EU-Mitgliedsstaaten zwischen der „opt-in“ und „opt-out“ Lösung im Bereich des Direktmarketings. Opt-in gilt in Deutschland, d.h. E-mail Werbung ist hier im Gegensatz zur opt-out-Lösung nur nach vorheriger Zustimmung des Verbrauchers zulässig. Nun soll dies EU-weit im Sinne der opt-in Lösung vereinheitlicht werden. Liegt also kein Einverständnis des Kunden vor, so ist Werbung per E-Mail in Deutschland verboten.

Ein Einverständnis wird allerdings dann angenommen, wenn der Kunde sich in eine Verteilerliste eingetragen hat und der Gegenstand der Werbung in Zusammenhang mit dem Gegenstand der Verteilerliste steht. Erlaubte E-Mail-Werbung ist als „Werbung“ zu kennzeichnen.

Direktmarketing unter Einsatz der üblichen technischen Mittel (Telefon, Telefax, SMS) ist zumindest gegenüber privaten Kunden ohne ausdrückliche Einwilligung unzulässig. Diese Werbemaßnahmen sollten in jedem Fall vermieden werden.


Autor: Peter Schönberger, Rechtsanwalt Köln
eingestellt am 15. Juli 2003