Was bedeutet das Verkaufsverbot für den Kunden?
Zunächst einmal bedeutet das Verbot, dass iPhones der Serie 7, 8 und X nicht mehr in den 15 Apple-Stores in Deutschland erhältlich und auch nicht mehr über den deutschen Online-Shop des US-Konzerns zu kaufen sind. Allerdings verweist Apple gegenüber dem Spiegel darauf, dass „alle iPhone-Modelle“ über Mobilfunkanbieter und andere Händler für Kunden verfügbar bleiben, in „4300 Orten über Deutschland hinweg“. Partner wie Cyberport und Gravis werben in ihren Online-Shops sogar ausdrücklich für die älteren Modelle – mit Sprüchen wie „Verboten gut“ oder „Weiterhin bei Gravis erhältlich!“. „Es ist selten, dass ein Patentstreit Auswirkungen hat, die Konsumenten direkt spüren“, erklärt Professor und Patentrechtsexperte Joachim Henkel von der Technischen Universität München (TUM).
Dass sich das von Qualcomm geforderte Verkaufsverbot auf den gesamten Handel ausweitet, glaubt Blogger Florian Müller – spezialisiert auf Patentrecht – mit Verweis auf das Urteil des Münchener Landgerichts vom 20. Dezember nicht. Er erklärt im Gespräch: „Es sind technisch gesehen zwei Verfahren, die aber beide dasselbe Patent betreffen.“ Neben der amerikanischen Muttergesellschaft von Apple sind ebenfalls die irische Vertriebsgesellschaft für Europa und die deutsche Gesellschaft betroffen. „Das Verbot gilt lediglich für diese drei Gesellschaften“, betont er. Mobilfunkanbieter und andere Händler sind aus seiner Sicht vom Urteil nicht betroffen. Auch könne die irische Apple-Gesellschaft beispielsweise nach Österreich oder in die Niederlande liefern, nur eben nicht nach Deutschland. „Somit könnten Vodafone, T-Mobile & Co. die Smartphones zumindest im Moment auch im Ausland kaufen und dann nach Deutschland bringen“, sagt Müller.
Was kommt auf Apple zu?
„Die ganzen Händler haben nun eine ganze Menge iPhones auf Lager und werden in Kürze einen Brief von Apple bekommen“, sagt der Patentrechtsexperte Müller. Darin werden die Verkäufer ernsthaft aufgefordert, die Geräte zurückzuschicken. „Das verlangt das Gericht.“ Da es solche Patentstreitigkeiten jedoch immer wieder gibt, glaubt er nicht, dass es ernsthafte Auswirkungen auf den Verkauf hat. „Man kann davon ausgehen, dass Wiederverkäufer wie Vodafone, Media Markt & Co. – egal wie ernst der Brief von Apple ist – solange es Nachfrage gibt und sie Modelle auf Lager haben, auch verkaufen werden.“
Apple akzeptiert das Urteil des Landgerichts München nicht: Der US-Konzern will das Verkaufsverbot für mehrere ältere iPhone-Modelle in Deutschland wie angekündigt kippen. Der Konzern hat Berufung gegen das entsprechende Urteil vom 20. Dezember eingelegt, wie eine Sprecherin des Landgerichts am Freitag bestätigte. Dann wandert der Fall zum Oberlandesgericht, wo Apple und sein Zulieferer Qorvo wiederum die Möglichkeit haben, „jederzeit weitere Fakten zu liefern“, erläutert Müller. Dies blieb bislang aus: Das Patent, um das es geht, bezieht sich auf eine Technologie, die den Stromverbrauch von Telekommunikations-Chips anpasst, damit der Akku länger hält. Qorvo, Hersteller des entsprechenden Bauteils in den in Deutschland verkauften iPhones, wollte jedoch die Schaltpläne nicht offenlegen, wenn dadurch der direkte Konkurrent Qualcomm Zugriff auf diese Informationen bekäme. „Sollte es an einen Punkt kommen, an dem es für Apple wirtschaftlich wirklich wehtut, könnte man sich vorstellen, dass technische Details öffentlich gemacht werden.“
Ein paralleler Fall in den USA ging übrigens zugunsten des Zulieferers Qorvo aus. Dort hieß es, dass das Unternehmen das Patent nicht verletze. Dort legte der Chiphersteller jedoch unter Vertraulichkeitsschutz die Baupläne des Chips offen. Joachim Henkel von der TUM glaubt daher, dass „Apple noch einen Trumpf in der Hinterhand hat, den die Firma in Deutschland nicht ausspielen konnte.“
Welche Vorgeschichte hat der Patentstreit von Qualcomm mit Apple?
Seit nun mehr zwei Jahren dauert der Streit zwischen Apple und Qualcomm an. Im Dezember 2017 reagierte der iPhone-Hersteller unter anderem auf eine Klage des Chip-Fabrikanten mit eigenen Vorwürfen angeblicher Patentverletzungen. Damit konterte der Konzern aus Cupertino eine Qualcomm-Klage aus dem Juli, in der es um mehrere Patente ging, die einen effizienteren Stromverbrauch ermöglichen.
Für Qualcomm gibt es zudem aus Kartellsicht Probleme: Das Unternehmen hat erst Anfang 2018 eine beachtliche Geldstrafe von der EU-Kommission aufgebrummt bekommen. Nach Einschätzung der Wettbewerbshüter versuchte das Unternehmen durch rechtswidrigen Praktiken eine stärkere Konkurrenz durch Intel zu verhindern. Der amerikanische Chiphersteller soll in Europa wegen Verstößen gegen Wettbewerbsregeln 997 Millionen Euro zahlen.
Seit Freitag läuft zudem ein Prozess der Federal Trade Commission gegen den Chiphersteller. Auch dort geht es um Vorwürfe, ob Qualcomm seine Marktmacht gegenüber Konkurrenten missbraucht hat.
Hat das Verbot wirtschaftliche Auswirkungen auf Apples Zahlen?
„Aus meiner Sicht sind die Auswirkungen für Apple überschaubar“, sagt Professor Henkel. Allein aufgrund der immensen Bargeldreserven, die Rede ist von 200 Milliarden US-Dollar, sei das Unternehmen in keiner Weise gefährdet. „Das liegt auch daran, dass die aktuellen Modelle nicht betroffen sind.“
Sorgenfalten gibt es bei den Apple-Verantwortlichen derzeit wohl vor allem wegen des jüngsten Kurssturzes aufgrund der Umsatzwarnung, die Apple-CEO Tim Cook aussprach. Darin warnte er nach Handelsschluss an der Wall Street vor einem weitaus schwächeren Weihnachtsquartal, als es der Techpionier in Aussicht gestellt hatte. Weil die neuen iPhones enttäuschend angenommen worden sind und Apple die Geschäfte in China wegbrechen, fiel der Umsatz im vierten Kalenderquartal um bis zu neun Milliarden Dollar geringer. An der Wall Street hat Apple seit drei Monaten rund 400 Milliarden Euro an Börsenwert eingebüßt.