Ein skurriler Prozesstag liegt hinter den Prozessbeteiligten, Beobachtern und Medienvertretern. Erneut mussten alle Beteiligten mehr als zwei Stunden auf den in U-Haft sitzenden Hauptangeklagten Aleksander Ruzicka warten. Dieser war am Morgen vor Verhandlungsbeginn nicht aus der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt bei Darmstadt in das Wiesbadener Landgericht gefahren worden. Bereits vor der Aussage von Aegis Media Global CEO Jerry Buhlmann musste auf Ruzicka gewartet werden. Dem Vernehmen nach wurde Ruzicka im Wartebereich der JVA vergessen, da der kurzfristig angesetzte Prozesstag noch nicht den Weg in die Disposition der Transporte gefunden hat.
Zunächst entschied der vorsitzende Richter Jürgen Bonk, dass erneut Beweisanträge von Ruzickas Verteidiger abgewiesen werden. Nach Ansicht der Kammer betrifft die Klage von Danone gegen Aegis Media auf Schadenersatz zunächst nur diesen Kunden. Danone sei in die Vorgänge um Emerson FF nicht eingebunden gewesen, weshalb die Kammer keine Relevanz und Zusammenhang erkennen könne. Da Justiz Ländersache ist, sei die Kammer im hessischen Wiesbaden nicht an ein Urteil eines Landgerichts in Bayern gebunden. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk wird daher das „Danone Urteil“ weder in die Hauptverhandlung einführen noch die Prozessakten aus München beiziehen. Auch ein weiterer Beweisantrag wurde – wie erwartet – abgelehnt: das Gericht hält es nicht für relevant, ob die von Ruzickas Vorgänger Kai Hiemstra gegründete Treuhandfirma PLV in den damaligen Bilanzen von HMS/Carat steht oder nicht. Ruzicka gibt PLV als Vorbild und Muster für das Firmengeflecht um Emerson FF, Camaco und Watson an. Kai Hiemstra hatte PLV als externe Sparbüchse von HMS/Carat bezeichnet.
Erneut wurden angeklagte Fälle mit Geldflüssen in die Privatsphäre der Angeklagten – so die Anklage – eingestellt. Dies betrifft zunächst für Aleksander Ruzicka und David Linn sechs Fälle mit Geldflüssen von Emerson FF zu Camaco und Watson in einer Gesamtsumme von 830 000 Euro. Hiernach verbleiben 70 angeklagte Fälle mit einem Gesamtvolumen von rund 48 Millionen Euro. Bei David Linn wurden zudem sämtliche Fälle eingestellt, die die Geldflüsse von Carat zur Werbeagentur ZHP betreffen. Linn war einer der vier Treugeber der Firma Camaco. Camaco hatte mit den Geldflüssen von Carat zu ZHP zunächst nichts zu tun. Die angeklagten Fälle 1 bis 38 der Anklage betreffen diesen Vorgang.
In ihren letzten Worten am Ende blieben Aleksander Ruzicka und David Linn bei ihren Einlassungen. Linn bereute die Vorkommnisse zutiefst und verwies auf ein Schuldanerkenntnis gegenüber Aegis Media. Er hat sich damit zur vollständigen Rückzahlung der erhaltenen Beträge in Gesamthöhe von 1,96 Millionen Euro verpflichtet. Sein heutiger Kenntnisstand sei ein anderer als er ihn im Jahr 2003 gehabt habe. Ruzicka blieb ebenfalls bei seiner Argumentation, jederzeit zum Wohle von Aegis Media sowie zur Sicherheit und zum Vorteil der Mitarbeiter der Mediaagentur gehandelt zu haben. Er habe sein Privatleben an den Bedürfnissen von Aegis Media ausgerichtet. Innerhalb der weltweiten Geschäftsführung der Mediaagentur habe er mit der Region Zentraleuropa, Baltikum und Südafrika als einer der erfolgreichsten Geschäftsführer dagestanden, so Ruzicka. Das habe ihm extrem viele Neider eingebracht, fügte der ehemalige CEO von Aegis Media hinzu. Sein Handeln sei von Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten als rechtens eingestuft, und jederzeit überprüfbar gewesen.
Entgegen der eigenen Ankündigung teilte Richter Jürgen Bonk mit, das Urteil erst am 12.Mai um 15 Uhr verkünden zu wollen. Hatte die Kammer vor Beginn der Plädoyers das Urteil noch für den 7.Mai angekündigt, wurde die Urteilsverkündung heute verschoben. Dies gilt als ungewöhnlich. Die Verschiebung gibt der Kammer eine knappe Woche länger Gelegenheit, über den Inhalt der sehr unterschiedlichen Plädoyers nachzudenken. Während die Staatsanwälte für Ruzicka 13 Jahre und 6 Monate Haft wegen schwerer Untreue fordern, fordert Ruzickas Verteidiger Freispruch. David Linn ließ auf Beihilfe zur Untreue durch Unterlassung in einem Fall plädieren. Die Staatsanwälte hatten zwei Jahre Haft auf Bewährung gegen Linn gefordert. Linns Anwalt Manfred Döring stimmte dem Strafmaß weitgehend zu. mz