Herr Schuster, mit welcher Preisstrategie steuern Sie dem allgemeinen Preisverfall im Mobilfunk entgegen?
RENÉ SCHUSTER: Telefónica entwickelt seine Preisstrategie auf globaler Basis. Wir analysieren die Märkte dazu sehr genau. Großbritannien und Deutschland sind dafür unsere Leitmärkte in Europa. Wir orientieren uns an Kundenwünschen, schneidern darauf unsere Angebote zu, die in Preis und Marge stimmig sein müssen. Wir agieren also marketinggetrieben, sind eine echte „customer driven company“. Die passenden Angebote steuern wir über unsere unterschiedlichen Marken von der Premiumbrand O2 über die Discountermarke Fonic und unsere Partner wie Tchibo oder Lidl bis hin zur Festnetzmarke Alice, die allerdings Ende 2013 vollständig in O2 übergeht.
In welchen Feldern wächst Telefónica mit guten Margen besonders profitabel?
SCHUSTER: Eigentlich überall dort, wo wir mit neuen Technologien die Nase vorn‘ haben. Telefónica wird von den Kunden schon zu hundert Prozent als digitales Unternehmen verstanden. Das beweisen wir immer wieder aufs Neue wie aktuell mit der Einführung des „Long-Term-Evolution“-Standards (LTE), der einen enorm hohen Datentransfer erlaubt und für den wir Datenraten-Pakete inklusive Sprachdienste entwickeln. Mobile Datendienste wachsen stark, aktuell bei uns um 16 Prozent.
Wachsen denn die Margen noch mit, wenn neue Technologien erst einmal flächendeckend eingeführt sind?
SCHUSTER: Je mehr Kunden die neue Technologie nutzen, desto besser entwickeln sich in der Regel auch die Margen. Wir sind ein Unternehmen für den Massenmarkt und richten unsere Produkte auch unter Gesichtspunkten der Profitabilität darauf aus. Mit der Durchdringung des Massenmarktes entwickelt sich schließlich auch die Kostenseite positiv. Wichtig ist aber im ersten Schritt, dass ein neues Angebot angenommen wird. Das Timing ist extrem wichtig. Dann wird auch kein Kunde in der Anfangsphase einen Premiumpreis meiden, denn dann will er unbedingt das Produkt haben.
Sie unterhalten insgesamt 950 Shops in Eigenregie und über Partner. Reicht diese Vertriebsstruktur, um den deutschen Markt flächendeckend zu beackern? Oder liegt die Zukunft im Verkauf sowieso beim Onlinehandel und kurzen Vertragslaufzeiten?
SCHUSTER: Grundsätzlich sind wir zufrieden mit der Zahl unserer Shops. Wir erleben ehr einen qualitativen Wandel: Kunden nutzen unsere Shops mittlerweile stark als Schulungscenter. Sie wollen im persönlichen Kontakt der erklärungsbedürftigen Technik näher gebracht werden. Andere Partner wie die Media- und Saturn-Märkte reagieren darauf auch mit einer größeren Präsenz. Der Wandel hin zum Informieren und Kaufen über Online-Kanäle ist aber auch da.
Mit welchen Qualitätsunterschieden gestalten sich die Kooperationen mit Tchibo, M-Net, Kabel Deutschland, Unitymedia, Kabel BW, Mobilcom, Debitel, Drillisch und seit Kurzem mit Türk Telekom?
SCHUSTER: Wir setzen einheitliche Qualitätsstandards und vermitteln die Kultur, die unser Unternehmen prägt. Meines Erachtens repräsentieren alle Partner unsere Marke sehr gut. Es ist doch sowieso Teil einer guten Partnerschaft, sich richtig auszutauschen, insbesondere über erfolgreiches Verkaufen. Die Tür für weitere Partner steht bei uns immer offen. Die aktuell neue Partnerschaft mit Türk Telekom basiert auf einem herausragenden Tarifmodell, das Mobilfunkgespräche zwischen beiden Ländern und innerhalb beider Länder komfortabel und preiswert zulässt.
Zur Infrastruktur: Sie haben in Ihr Netz investiert, decken Deutschland nach eigenen Angaben zu 100 Prozent im Mobilfunk und zu 95 Prozent mit DSL-Internet ab. Gilt der nächste Technikausbau dem LTE Breitband-Internet für ländliche Gebiete?
SCHUSTER: Der Vorteil der Basisstationen für den LTE-Standard sind ihre großen Sendebreiten und Reichweiten. Wir werden künftig also alles abdecken können. Zur Erinnerung: Nur drei von vier Anbietern haben hierzulande eine LTE-Lizenz. Ein Anbieter hat keine (gemeint ist E-Plus; Anm. d. Red.). Das halte ich für einen strategischen Fehler.
Der kleinste Konkurrent macht Ihnen aber weniger Probleme. Die Hass-Liebe zur großen Telekom äußert sich zum Beispiel so, dass Sie einerseits deren Glasfasernetze nutzen möchten, andererseits nach Verbindungsproblemen in Ihren Netzen gegen deren karikierende Kampagne „O2 can’t do“ gerichtlich vorgingen. Werden Sie mit Telefónica dem Partner und Widersacher in Bonn noch die Arroganz austreiben?
SCHUSTER: (lacht) Nein. Die Telekom ist schließlich einer unserer größten Businesspartner. Die Netzwerk-Kooperation ist eine super Sache. Die Telekommunikationsgesellschaften werden künftig in puncto Infrastruktur viel enger zusammenarbeiten müssen. Das hat auch mit unserem Wandel zu digitalen Unternehmen zu tun, die sinnvollerweise gemeinsam in ihre Basisstrukturen investieren sollten.
Apropos Investment: Wie hoch ist Ihr Marketingbudget?
SCHUSTER: (seufzt) Hoch. Zahlen dazu kommunizieren wir allerdings nicht.
Ihre Werbekampagnen beziehen sich zum Teil auf die starken Handymarken anderer wie momentan das Samsung Galaxy. Sind Exklusivpakete wie seinerzeit die Kombination Telekom/iPhone mehr als ärgerlich für Sie?
SCHUSTER: Wir sind als Unternehmen mit unserer Präsenz in 25 Ländern ein attraktiver Partner. Exklusive Verträge wie der zwischen Apple und Telekom sind nicht mehr zeitgemäß, ihnen gehört nicht die Zukunft.
Mit einer großen 360-Grad-Kampagne haben Sie in jüngster Vergangenheit die „Monsterlaufzeiten“ anderer Anbieter angegriffen. Sind flexible Verträge überhaupt noch ein Alleinstellungsmerkmal oder nicht schon üblich?
SCHUSTER: Die Konkurrenz hat uns kopiert. Das ist doch zumindest ansatzweise ein gutes Zeichen. (augenzwinkernd) Unser Anspruch ist der, mit unseren Angeboten und Kampagnen immer sechs Monate dem Wettbewerb voraus zu sein.
Telefónica beansprucht für sich als Grundwerte „Beratung, Entertainment und neueste Technik“. Findet man diese Botschaft in Ihrer Kommunikation wieder?
SCHUSTER: Wenn Sie sich unsere Kommunikation genau anschauen, werden Sie feststellen: Ja, diese Botschaft findet sich wieder.
Welche Marketinginstrumente halten Sie neben TV-Spots für besonders wichtig und zukunftsweisend?
SCHUSTER: Wir arbeiten vor allem mit analytischen Systemen der Informationstechnologie. Der Schlüsselbegriff ist Business Intelligence. Wir bauen an einem Data Warehouse, das uns Fakten mit Customer Insights liefert, damit wir unsere Marketingprozesse mit diesem Wissen auf Kundenwünsche ganz exakt abstimmen können. Insofern sind nicht einzelne Marketinginstrumente wichtig, sondern sie richtig zu verbinden.
Zu Jahresbeginn erlebte Ihr Unternehmen unschön, wie wirkungsvoll soziale Netzwerke funktionieren, nachdem ein unzufriedener Kunde trotz technischer Probleme als „Einzelfall“ abgespeist wurde, der daraufhin das Blog www.wir-sind-einzelfall.de ins Leben rief, worauf sich 8.000 andere Einzelfälle meldeten. Sie haben reagiert – allerdings nach Meinung von Medien zu spät. Was haben Sie aus diesem Einzelfall gelernt?
SCHUSTER: Social Media ist absolut ein Teil unserer DNA. Wir haben übrigens schneller reagiert als irgendwer vorher. Unser gutes Standing belegt uns auch der Key Performance Indicator, also die entsprechende Leistungskennzahl, zur Präsenz in sozialen Netzwerken. Nach der oben genannten Erfahrung sind wir vielleicht kulturell jetzt so aufgestellt, dass wir künftig noch besser und schneller agieren und reagieren können.
Aus Ihrem Sponsoring ragen die beiden Multifunktionsarenen O2 World in Berlin und Hamburg heraus. Rechnet sich dieses Investment?
SCHUSTER: Auf jeden Fall. Die beiden „O2 World“-Arenen haben eine hohe Präsenz. Wir entwickeln auf sie zugeschnitten auch spezielle Events wie soeben die 3D-Filmpremiere von „Man in Black 3“, die wir unseren Kunden exklusiv bieten können. Sie sind richtig begeistert – das nenne ich emotional branding! Wir lernen im Eventmarketing aber auch immer dazu: So ist es in Irland, Großbritannien oder Tschechien für Kunden kein Problem, 400 Kilometer für ein Konzert anzureisen. Die deutschen Fans tun sich damit schwer. Wir werden hierzulande also künftig vermehrt auch Künstler auf Tournee sponsern und auch auf Roadshows setzen.
Lassen Sie uns zum Schluss aus den Projekten Ihrer Corporate Responsibility Strategie nur „Think big“ zur Förderung von Jugendlichen herausgreifen. Abgesehen vom Kontakt zu Nachwuchskunden – was bewirkt Ihr Engagement?
SCHUSTER: Zunächst einmal passt „Think big“ hervorragend zu uns, weil wir hier wie im Geschäft verschiedene Leute zusammenbringen. Wir sagen mit dem Projekt aber vor allem Danke an die Gesellschaft, indem wir ein klares Bekenntnis für junge Leute aussprechen. Telefónica unterstützt die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung dabei, junge Menschen für ihr Engagement in Eigeninitiativen zu fördern, neue Lebens- und Jobperspektiven zu entwickeln und ihr Bild in der Öffentlichkeit zu stärken. Wir wollen ihnen die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung eröffnen. Die vielen Projekte mit 15- bis 25-Jährigen laufen überaus erfolgreich. Ich bin stolz darauf und bringe mich dafür auch persönlich gerne ein.
Das Gespräch führte Thorsten Garber.
Weitere Statements von René Schuster, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Telefónica Germany, lesen Sie in der am 29. Juni erscheinenden Ausgabe 7-2012 der absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing.