Frau Gerland, im November letzten Jahres wurde Viva con Agua der Nachhaltigkeitspreis verliehen. Wie definieren Sie Nachhaltigkeit im Kontext des Marketings?
Ohne ökologische und soziale Nachhaltigkeit kommen wir als Gesellschaft nicht weit. Auch unsere Marketingmaßnahmen berücksichtigen Nachhaltigkeit, konkret beim Bedenken unseres CO2- und Wasser-Fußabdrucks. Als spendenfinanzierter Verein sind unsere Budgets für Marketing generell deutlich geringer als bei gewinnorientierten Unternehmen. Daher setzen wir an vielen Stellen auf die Zusammenarbeit mit Partner*innen, mit denen wir gemeinsam Marketingkampagnen umsetzen oder die uns bei der Umsetzung unterstützen. Für uns heißt Nachhaltigkeit auch immer die Verantwortung für den Schutz von Wasser. Im Kern richten wir also unsere gesamte Arbeit und alle Kooperationen nach dem Gedanken ‚Wasser für alle‘ aus.
Sie sagen, Viva con Agua will keinen Gewinn einfahren?
Gemeinnütziger Mehrwert war, ist und bleibt der Kern unserer Arbeit. Um die gemeinnützigen Akteur*innen von Viva con Agua weiter zu unterstützen, setzen wir auf innovative Social Business-Ansätze. So ist die Idee entstanden, noch andere, klassische Märkte durch unser Handeln positiv zu beeinflussen: Beispielsweise mit dem Viva con Agua Mineralwasser oder durch das neue soziale Gasthaus Villa Viva. Und genau wie wir uns hier in der Harmonie aus Social Business und Gemeinnützigkeit finden, gehen auch Nachhaltigkeit und Marketing bei uns Hand in Hand.
Wie beurteilen Sie die Verantwortung der Marketingbranche in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Nachhaltiges Marketing ist leider noch lange nicht in der ganzen Branche so angekommen, wie wir es uns wünschen. Große Marketingproduktionen und Kampagnen haben oft eine enormen CO2- und Wasser-Fußabdruck. Darüber machen sich viele oft kaum Gedanken. Wir stehen aber nicht auf die Rolle des Bad Cops mit dem erhobenen Zeigefinger. Wir wollen Potenziale aufzeigen und sagen darum: Liebe Branche, überlegt euch doch, wie Marketing sozial und ökologisch nachhaltiger sein kann. Wir haben selbst die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Aber wir setzen uns mit dem Thema auseinander und versuchen, zu lernen.
Was meinen Sie konkret?
Gerade beim Thema Online-Marketing können durch gezielte Entscheidungen Emissionen eingespart werden. Denn Loading-Zeit und Konvertierungen kosten Energie und Serverkapazitäten, die Emissionen erzeugen. Eine Entscheidung über die Dateigröße von digitalen Ads kann also schon einen Schritt hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit bedeuten.
Können Sie Beispiele dafür geben, wie Nachhaltigkeit erfolgreich in die Marketingstrategie von Viva con Agua integriert wurden?
Unser Kernprodukt und der beste Weg, uns zu unterstützen, bleibt die Spende. Diese wird vor allem über unsere Website abgeschlossen. All unsere Webseiten werden daher über einen Green-Hosting-Anbieter aus erneuerbaren Energien versorgt. Unsere Server werden hundertprozentig mit Wasserkraft betrieben. Die Formulare selbst, über die Spenden eingehen, haben wir ebenfalls optimiert. Durch weniger Datenverarbeitung werden die Ladezeiten auf der Website minimiert und der CO2-Fußabdruck schrumpft. Das heißt, wir fangen schon am Point of Conversion an. Aber natürlich hinterfragen wir auch andere Punkte unseres Funnels kritisch. Brauchen wir für eine Aktion gedruckte Flyer oder werben wir digital? Bei uns ist nichts in Stein gemeißelt.
Welche Rolle spielen soziale Medien in der heutigen Marketinglandschaft im Hinblick auf die Förderung von Nachhaltigkeitszielen?
Die Bedeutung von sozialen Medien hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, auch fürs Marketing. Neben dem enormen Potenzial für Reichweite und Viralität schaffen soziale Medien Nahbarkeit für Konsument*innen, Sie ermöglichen den direkten Dialog. Das schafft eine persönliche Verbindung und stärkt das Vertrauen. Bei Viva con Agua haben wir die besondere Situation, dass ein Großteil unserer Arbeit auf freiwilliges Engagement und unsere Crews deutschlandweit aufbaut. Über soziale Medien haben wir einerseits die Chance, auf diese Aktivitäten aufmerksam zu machen und für diese zu aktivieren, andererseits auch unsere Wertschätzung und unsere Reichweite für die Crews zu nutzen. So stärken wir auch im sozialen Web unseren Netzwerkgedanken.
Soziale Medien können Menschen psychisch belasten, Fake News können zu Straftaten bewegen. Kann es überhaupt eine nachhaltige Marketingstrategie auf bedenklichen Plattformen wie TikTok und Instagram geben?
Die Werte von Viva con Agua möchten wir auch im digitalen Raum weiterführen. Deshalb setzen wir mit unserem Content auf Plattformen wie TikTok und Instagram ein Zeichen für Offenheit, Toleranz und positiven Wandel. Soziale Medien bieten eine Möglichkeit, Reichweiten zu schaffen und Menschen zu erreichen, auch ohne große, kostenintensive Plakatkampagne. Das ist für uns sehr dankbar. Und gleichzeitig gelten auch hier QuickWins.
Welche Trends oder Entwicklungen im Schnittbereich von Marketing und Nachhaltigkeit
halten Sie für besonders wichtig für die Zukunft der Branche?
Wir befinden uns in einer spannenden Zeit, die nicht zuletzt durch die Green Claims Verordnung nochmal deutlich geprägt wurde. Kund*innen wollen immer mehr Einblicke in Marken, Produkte und Produktionen erhalten. Reine Claims reichen lange nicht mehr aus, um einer Marke einen grünen Stempel zu geben und das Vertrauen der Konsument*innen zu erhalten. Mit einer deutlichen Verlagerung in den digitalen Raum haben wir eine neue Spielfläche für nachhaltiges Marketing, die sich in den kommenden Jahren sicherlich noch weiterentwickeln wird.