Ein Kommentar von Michael Ziesmann
Nicht in Punxsutawney sondern im beschaulichen Unterföhring und in Köln-Junkersdorf. Die beiden großen TV-Werbezeitenvermarkter strecken scheu den Kopf aus dem Bau, blicken vorsichtig nach links und rechts und präsentieren ihre Programme, Preise und Rabatte für das Folgejahr. Vor zwei Jahren endete dieser Murmeltiertag mit Geldbußen von 200 Millionen Euro und besonders im Unterföhringer Bau mit einem sehr langen Winter.
Erst im Mai hatte man sich gefragt welche Konstrukte die Werbekrise des Jahres 2009 hervorbringen wird. Das wird nun deutlich: Share Deals sind wieder da, Barter-Deals werden von Medien forciert, die Marktkonzentration schreitet voran, es werden erneut Dritt- und Dachfirmen gegründet um Werbezeiten auf eigene Rechnung zu vermarkten und Rabatte dem Zugriff von Werbekunden elegant entziehen zu können. Aber der Reihe nach.
Nach zwei Jahren Winterstarre nimmt IP Deutschland die Worte Share Deal wieder in den Mund, und führt eine Art Share Deal light ein. Bündelungsrabatte um mehr Anteile am Buchungsvolumen auf sich zu vereinen. Dabei will der Vermarkter der Sender der RTL-Group Gelder aus anderen Mediengattungen auf sich vereinen, aber gleichzeitig im direkten Wettbewerb dem Konkurrenten aus Unterföhring, SevenOne Media, Anteile am Buchungsuniversum abjagen. Desto mehr Share bei Sendern der RTL-Group, desto mehr Cashrabatt und Naturalrabatt – sprich Freispots, mit denen die Mediaagenturen zunächst tun und lassen können, was sie wollen.
Ging es dem Kartellamt beim Verbot der Share Deals vor zwei Jahren um einen gesunden Wettbewerb, so sind die kleinen TV-Vermarkter nun komplett draußen: Bei der Berechnung wird nur noch der Share zwischen IP und SevenOne Media herangezogen. El Cartel spielt dabei keine Rolle. Das Bundeskartellamt, das dieses Modell genehmigt hat, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, vor zwei Jahren zuerst die Staatskasse gefüllt zu haben, aber in Sachen Wettbewerb versagt zu haben.
Was auch für die Agenturseite gilt: Wo sind die Wettbewerbshüter, wenn auf Agenturseite Kartelle mit Marktanteilen von 40 Prozent agieren? Erst in dieser Woche wurde eine mögliche neue Konzentration von Einkaufsmacht eher zufällig und aus Versehen bekannt. Die Braut MediaPlus ziert sich zwar noch. Publicis wird die Mitgift optimieren müssen. Das Bundeskartellamt hat dieses Joint Venture bereits genehmigt.
SevenOne Media – vor allem mit internen Personalfragen und strategischer Ausrichtung beschäftigt – reagiert nicht auf die Kampfansage der IP. Denn auch in Unterföhring grüßt das Murmeltier. Bartering ist wieder da. Oder auf deutsch etwas weniger schick: Tauschhandel. Bekannt seit der Steinzeit: Ware gegen Ware. Nicht mehr über externe Drittfirmen wie Tele Media, PLV oder Emerson FF. Diese „originellen und kreativen Geschäftsmodelle“ kreiert ProSiebenSat.1 nun selbst: Werbezeiten werden kostenlos abgegeben, also Freispots. Im Gegenzug erhält ProSiebenSat.1 Anteile an den Firmen oder ihren Produkten und ist am Umsatz beteiligt. Meistens Firmen, die bisher nicht im TV geworben haben. Erste Gespräche laufen, wie ProSiebenSat.1 CEO Thomas Ebeling die F.A.Z. wissen ließ.
Es gibt keine Vorgaben, welcher Art die Firmen sein müssen oder was sie leisten müssen. Vielleicht Firmen die Events ausrichten, Programminhalte produzieren oder mit den Werbezeiten handeln? Wenn man etwas kostenlos bekommt und verkauft, ist Income gleich Profit. Verlockend für Controller, denen als Mediaplaner oder Fernsehmacher das Verständnis für Inhalte fehlt: Permira und KKR wird das freuen. Das Inventory Management von SevenOne Media ebenso. Bartering, Scaling und Film-Fonds-Modell als integriertes Kommunikationskonzept: mit unseren Freispots finanzieren wir dein Produkt oder Dienstleitung, welche du an Dritte verkaufst, woran wir partizipieren. Fraglich, ob Bartering und Scaling auch die Transparenz und Preislistentreue ermöglichen, die viele Marktteilnehmer fordern. Vorausgesetzt, eine Preisliste ist überhaupt mehr als ein Blatt Papier mit gesteigertem Unterhaltungswert, das zwischen Golf, Hirschjagd und Häppchen gereicht wird.
In Wiesbaden wurde Bartering als Basis für das Auslagern von Erlösen aus Freispots wegen angeblichem Missbrauch zum Kern des Ruzicka-Prozesses. Die Tinte der Unterschrift unter dem schriftlichen Urteil ist nicht einmal getrocknet, schon erleben auch Share Deals als sprudelnde Quelle von Naturalrabatten eine Renaissance. Ob dies mit oder ohne Sideletter geschieht, ist für das groteske Gesamtbild nebensächlich. Die Werbekrise des Jahres 2009 hat bereits ähnliche „kreative und originelle Geschäftsmodelle“ zum Vorschein gebracht, wie die letzte Werbekrise im Jahr 2002. Nur findet das diesmal nicht nur hinter verschlossenen Türen statt, sondern teilweise öffentlich. Immerhin.