„Über den Umgang mit Menschen“ ist das bekannteste Werk des Schriftstellers Adolph Freiherr Knigge. Es erschien erstmals Ende des 18. Jahrhunderts und war bereits kurz nach Veröffentlichung was wir heute einen Bestseller nennen würden.
Heute steht der Name „Knigge“ nicht nur in Deutschland für Benimm-Ratgeber schlechthin. Auch Werbetreibende können sich bei der Zusammenarbeit mit ihren Agenturpartnern von Regeln für eine faire und vertrauensvolle Zusammenarbeit inspirieren lassen. Dabei blicken Deutschlands führende Agenturen im GWA durchaus mit Stolz auf ihre Kundenbeziehungen. So zeigten sich in einer 2016 groß angelegten Studie die überwiegende Anzahl der Kunden zufrieden mit ihren Agenturen.
Bei der geplanten Neuauflage dieser Studie in diesem Jahr ist nach von Agenturen und ihren Auftraggebern gemeinsam gemeisterten Bewährungsproben wie der Corona-Pandemie mit nochmals gestiegenen Zufriedenheitswerten zu rechnen. Also das perfekte Timing, um selbstbewusst zusammen an den Spielregeln – gerade für die sensiblen Phasen eines Pitches – zu arbeiten.
Die nachfolgenden Beispiele stammen nicht aus vergangenen Jahrhunderten, sondern sind für manche Werbetreibende leider noch heute gängige Praxis:
Der erste Eindruck
Bei Neugeschäftsanfragen nimmt der Kunde per Telefon, E-Mail oder manchmal auch über Vermittler wie einen Pitch-Berater Kontakt mit der Agentur auf, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszuloten. Wir empfehlen Klienten für den Erstkontakt den persönlichen Anruf in der Agentur.
Der „Agentur-Knigge“ meint:
Warum ein Kunde die angefragte Agentur beim Screening überhaupt dabeihaben will, ist eine wichtige Frage. Wenn hierzu auf Kundenseite spürbare Ratlosigkeit vorherrscht, kann dies der Agentur ersten Aufschluss über die Ernsthaftigkeit und Motivation des Projekts geben.
Der gemeinsame Prozess
Vor einem ersten Treffen mit dem Kunden bereitet die Agentur sich sorgfältig vor. Ein dem Meeting vorangestelltes Telefonat dient dazu, die Erwartungshaltung des Kunden noch genauer nachvollziehen zu können und ein erstes Gefühl für den geplanten Prozess zu bekommen.
Der „Agentur-Knigge“ meint:
Die Agentur sollte sich in die Prozessgestaltung einbringen können. Denn sie hat mit Pitches meistens mehr Erfahrung als ihre Auftraggeber. Werden Vorschläge oder Ergänzungen kategorisch nicht zugelassen, ist der Kunde an einem bestmöglichen Pitch-Ergebnis im schlimmsten Fall gar nicht interessiert.
Ein gutes Briefing
Die Agentur prüft neben der Vollständigkeit des Briefings jetzt noch einmal die formalen Aspekte wie ein angemessenes Timing, Budgets sowie allgemeine Konditionen wie die anteilige Aufwandsvergütung für die Angebotserstellung, auch Pitch-Honorar genannt.
Der „Agentur-Knigge“ meint:
Ein Briefing ohne klare Ziele und Budgetrahmen vermittelt der Agentur erste authentische Eindrücke einer späteren Arbeit für den Kunden. Wenn die Anforderungen für das den Kreativprozess begleitende kaufmännische Angebot an den Arbeitsumfang einer Due-Diligence-Prüfung erinnern, kann sich die Agentur die Frage zu Recht stellen, ob Interesse und Prioritäten des Marketingentscheiders eher auf einkäuferischen Aspekten als strategischen und kreativen Richtungsentscheidungen für sein Unternehmen liegen.
Das große Finale
The same procedure … Wenn nach der erfolgreichen Abschlußpräsentation weitere Abstimmungen der vorgestellten Konzepte im Unternehmen erforderlich werden, sind Agenturen in der Regel gerne dazu bereit. Das hat nichts mit Misstrauen zu tun. Sie wollen ihre Ideen und Gedanken in dieser frühen Phase der Zusammenarbeit einfach bestmöglich verkauft wissen.
Der „Agentur-Knigge“ meint:
Sollte bei der finalen Präsentation plötzlich ein bis dahin unbekannter Top-Entscheider oder Entscheiderin wie Inhaber oder Inhaberin der Firma teilnehmen, ist das für die Agentur eine tolle Chance. Wenn dieser jedoch weder Aufgabe noch Briefing kennt, ist es leider auch schon vorgekommen, dass mit diesem Termin der Prozess von vorne begann. In diesem Fall sollte schnell über eine zusätzliche Aufwandsvergütung gesprochen werden.
Und: Zusagen und Absagen sollten grundsätzlich persönlich erfolgen. Als Agentur aus der Presse vom Ausgang des Pitches zu erfahren ist ein No-Go. Eine kurze Mail auf dem Weg in den Urlaub zumindest ein Zeichen von schlechtem Stil.
Roland Bös ist Vorstand beim Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA und Chief Growth Officer & Partner bei der Agentur Scholz & Friends.