Von Andrej Sokolow, dpa
Das US-Start-up agiere verantwortungslos, unter anderem wenn es um das Melden von Straftaten und medizinische Kontrollen der Fahrer gehe, hieß es zur Begründung. Khosrowshahi war nach dem aggressiven Auftreten der Vergangenheit bemüht, einen Ton der Demut anzuschlagen. Für Uber sei jetzt Zeit, darüber nachzudenken, wie es soweit gekommen sei, schrieb er in einer E-Mail an die Mitarbeiter. „Die Wahrheit ist, dass man für schlechten Ruf einen hohen Preis bezahlt“.
Große Vertuschung wirft Schatten auf das Start-up
London ließ sich durch die Charme-Offensive nicht umstimmen, Uber musste ins Berufungsverfahren, das Ausgang ist offen. Und auf Khosrowshahi wartete schon die nächste Zeitbombe: Im November musste er einräumen, dass Uber seit Oktober 2016 einen Cyberangriff verschwieg, bei dem Hacker Daten zu 50 Millionen Passagieren und 7 Millionen Fahrern erbeutet hatten. Statt Betroffene und Behörden zu informieren, zahlte Uber den Hackern 100 000 Dollar und vertraute darauf, dass sie die Daten vernichteten.
Die große Vertuschung wirft einen bleiernen Schatten auf die Ära des Mitgründers und langjährigen Chefs Travis Kalanick, unter dem die Firma zum wertvollsten Start-up der Welt wurde. Waghalsig steuerte er Uber auf einen globalen Expansionskurs, setzte sich oft über geltende Regeln hinweg, brachte damit Behörden und Taxi-Fahrer gegen Uber auf. Den Investoren gefiel aber die Vorstellung vom aggressiven Herausforderer, der den Transportmarkt aufrollt und bisherige Platzhirsche vom Platz fegt. Sie standen Schlange, um bei Uber einzusteigen. Trotz hoher Verluste schoss die Gesamtbewertung von Uber an die Marke von 69 Milliarden Dollar hoch – weil die Investoren bereit waren, viel Geld auch für kleine Beteiligungen zu bezahlen.
Größerer Schlamassel kommt auf Firmenchef zu
Uber schien auf der Gewinnerstraße, doch 2017 wurde zum Jahr der Abrechnung. Die Demontage von Kalanick begann mit dem Blogeintrag einer früheren Software-Entwicklerin von Uber, die Sexismus und Diskriminierung beschrieb – sowie eine miese Firmenkultur, in der Manager einander auflauerten. Der Verwaltungsrat setzte den früheren Justizminister Eric Holder als Aufklärer ein – und sein Bericht deckte massive Missstände bei der Unternehmensführung auf. Dabei kamen auch immer neue Vergehen zu Tage. Wie etwa, dass sich Ubers Top-Manager unbefugt die medizinischen Unterlagen einer von einem Uber-Fahrer in Indien vergewaltigten Frau beschafft hatten. Oder dass Uber mit dem sogenannten „Greyballing“ Behördenkontrolleuren eine falsche Ansicht in der App einspielte, damit sie den Dienst bei Regelverstößen nicht auf frischer Tat ertappen konnten.
Mit den Enthüllungen wurde der Druck auf Kalanick immer größer. Er selbst ritt sich noch tiefer ins Schlamassel als er in arroganter Manier einen unzufriedenen Uber-Fahrer belehrte. Der Streit wurde auf Video aufgezeichnet und landete im Internet. Kalanick hoffte, er könnte den Sturm mit einer unbefristeten Auszeit überstehen und danach wieder den Chefposten einnehmen. Doch unzufriedene Investoren zwangen ihn im Juni zur Aufgabe.
Uber ist jetzt ein Unternehmen auf der Suche nach einer neuen Identität
Mit dem rücksichtslosen Gebaren der Vergangenheit soll Schluss sein, zugleich muss aber auch der Betrieb weitergehen – im harten Wettkampf mit Rivalen wie Lyft, die von dem Chaos beim Marktführer profitieren wollen. Für 2019 peilt Khosrowshahi einen Börsengang an. Bis dahin müssen auch die Zahlen stimmen. Wie hoch dann der Börsenwert sein wird, ist unklar. Der japanische Technologiekonzern Softbank bekam Ende Dezember einen Anteil von 15 Prozent für 7,7 Milliarden Dollar – also mit einem kräftigen Abschlag, der den Gesamtwert von Uber an die Marke von 50 Milliarden Dollar drückte.
Softbank bekommt zwar auch einen Anteil direkt von Uber zur bisherigen Bewertung – den Löwenanteil des Paket kauften die Japaner aber deutlich günstiger bisherigen Aktionären ab.
Kurz davor gab es im Dezember noch einen weiteren Nackenschlag für Uber: Der Europäische Gerichtshof sorgte dafür, dass die Firma in Europa nicht zu ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell zurückkehren kann, Fahrgäste von Privatleuten in deren eigenen Autos befördern zu lassen. Der entsprechende Service UberPop müsse als Verkehrsdienst reguliert werden und nicht als Online-Plattform. Für die allermeisten Verbraucher ändert sich damit unterdessen kaum etwas: Uber hatte das Angebot fast überall in Europa bereits eingestellt.