Während der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Online-Diensten erheblich gestiegen. Dies gilt auch für Twitch. „In den vergangenen Wochen konnten wir ein zunehmendes Interesse von Zuschauern und Streamern feststellen – und das über alle Formen von Inhalten hinweg: Egal ob Esports, Musik, Gaming, Sport, Kunst oder Kochen“, sagt Jannik Hülshoff, Director of Partnerships DACH, BeNeLux & CIS bei der Amazon-Tochter.
Mittlerweile seien täglich rund um die Uhr über 1,5 Millionen Menschen auf Twitch aktiv, berichtet Hülshoff weiter. Er sagt: „Im Jahr 2019 hatten wir im Durchschnitt mehr als vier Millionen Streamer pro Monat auf Twitch und kamen auf insgesamt zehn Milliarden ausgestrahlte Stunden. In den ersten vier Wochen Social Distancing sind die konsumierten Stunden im Vergleich zum Vormonat um 50 Prozent gestiegen.“
Twitch ist die Heimat für Esports und Gaming
Insbesondere die Esports- und Gaming-Szene nutzt Twitch für ihren Content. Ein Grund für den Aufwärtstrend der Streaming-Plattform ist dementsprechend, dass Gaming längst keine Nische mehr ist. Fast 55 Prozent der Westeuropäer identifizieren sich laut Twitch-Manager Hülshoff als Gamer. Global gesehen sei diese Zahl sogar noch höher. „Für das Jahr 2020 wird für die Spielebranche ein Umsatz von 137,8 Milliarden Dollar prognostiziert – mehr als für die Musikbranche, von der 105,7 Milliarden Dollar erwartet werden“, sagt Hülshoff.
Esports ist seit jeher ein integraler Bestandteil von Twitch, was durch eine Vielzahl an Partnerschaften mit Teams, Ligabetreibern und Eventveranstaltern dokumentiert wird. „Unser Engagement für Esports wird besonders durch den Ende April geschlossenen Dreijahresvertrag mit der ESL, dem weltweit größten Esports-Unternehmen, und Dreamhack, dem führenden Gaming-Lifestyle-Festival, deutlich“, sagt Hülshoff. Im Rahmen der Vereinbarung werden in Zukunft einige der weltweit größten Esports-Turniere exklusiv auf Twitch live übertragen. Um die Beziehung von Esports und Twitch hervorzuheben und um die Navigation für die Nutzer der Plattform zu erleichtern, habe Twitch einen gesonderten Esports-Bereich auf seiner Hauptseite eingerichtet.
Twitch will mit Communities für Gemeinschaftsgefühl sorgen
Auch wenn die Umstände selbstverständlich kein Grund zum Jubeln sind, hat dennoch jüngst auch die Corona-Krise ihren Teil zur positiven Entwicklung von Twitch beigetragen. Und zwar nicht nur, weil mehr Menschen im Zuge von „Social Distancing“ plötzlich Zeit hatten, von zu Hause aus zu streamen, beziehungsweise entsprechende Inhalte auf der Plattform zu konsumieren. Sondern auch, weil es bei Twitch im Kern darum geht, Menschen zusammenzubringen, Beziehungen zwischen ihnen herzustellen und Communities Raum für ihre gemeinsamen Interessen zu bieten.
„Dieses Gemeinschaftsgefühl war noch nie so wichtig wie heute, wo persönlicher Kontakt und Austausch so eingeschränkt sind. Dies kommt sowohl bestehenden als auch neuen Zuschauern und Streamern zugute“, sagt Hülshoff. Um entsprechende Communities zu stärken, arbeite Twitch, „wo immer es möglich ist, mit Organisationen, Veranstaltungen und Einzelpersonen aus den verschiedensten Bereichen zusammen – ganz gleich, ob es sich um Sport, Esports, Musik oder Kunst und Kultur handelt“. Hülshoff ist überzeugt: „Bei Twitch schaffen wir eine Bühne für gemeinsame Momente.“
Publikum von Twitch versteht die Bedeutung von Werbung
Wie kann nun die werbetreibende Industrie das Potenzial von Twitch sowohl im Esports- und Gaming-Bereich als auch in anderen Themenfeldern für sich nutzen? „Die Chance für die Werbeindustrie auf Twitch bestand schon immer darin, ein Publikum zu erreichen, das sie nirgendwo sonst adressieren können“, sagt Burkhard Leimbrock, Commercial Director Europe bei Twitch. Das Publikum auf der Plattform sei „13 bis 35 Jahre alt, aktiv bei der Gestaltung der eigenen Unterhaltung, aber nicht via TV oder traditionelle Medien erreichbar“.
„Unsere Zuschauer kommen zu uns, weil sie ihre Unterhaltung aktiv selbst mitgestalten möchten, ihren Lieblings-Streamer zusehen wollen und Teil einer Community werden möchten, die sich um Interessen wie Games, Sport, Sport, Musik und Filme dreht“, sagt Leimbrock weiter. Und womöglich noch wichtiger ist, dass Marken laut Leimbrock auf Twitch die Chance haben, „von diesem Publikum aufrichtig willkommen geheißen und akzeptiert zu werden“. Er sagt: „Unser Publikum versteht, dass Werbung eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem spielt und interagiert oft direkt mit Marken.“
3 Beispiele: So können Marken Twitch nutzen
Twitch wird bereits in unterschiedlicher Art und Weise von Marken genutzt – mal für Produkt-Veröffentlichungen, mal für Charity-Aktionen. Drei ausgewählte Beispiele aus den vergangenen Monaten:
Twitch-Beispiel 1: Merck – Charity-Aktion zum „Welt-MS-Tag„
Zum jährlich am 30. Mai stattfindenden „Welt-MS-Tag“ ist Merck 2020 eine Kooperation mit Twitch eingegangen, um gemeinsam ein besseres Verständnis hinsichtlich der Auswirkungen von Multipler Sklerose (MS) zu schaffen. Dabei wurde in einem achtstündigen Livestream auf die Krankheit MS aufmerksam gemacht. An dem Programm waren Twitch-Influencer sowie geladene Gäste mit Diskussionsbeiträgen beteiligt. Der Livestream diente zudem als Plattform für die Sammlung von Spenden für die weltweite Organisation „Multiple Sclerosis International Federation“.
„Als Unternehmen möchten wir die MS aus der inneren Perspektive der Betroffenen heraus verstehen. Es ist diese Neugier, die uns bei allem antreibt, was wir tun“, sagte Andrew Paterson, Leiter der Geschäftseinheit Neurologie & Immunologie bei Merck. Online-Aktivitäten wie Videospiele würden laut Paterson zunehmend auch dazu genutzt, „um sich virtuell zu verbinden, Kontakte zu knüpfen und so ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen“. „Wir hoffen, dass diese innovative Kooperation mit Twitch Menschen mit MS auf eine neue Art verbindet“, sagte der Merck-Manager.
Das achtstündige Livestreaming-Programm von Merck erreichte bei Twitch laut „Horizont“ rund 1,2 Millionen Unique Viewers, in der Spitze waren knapp 29.000 gleichzeitige Zuschauer dabei.
Twitch-Beispiel 2: Porsche – „Formula E Unlocked“ als digitale Schnitzeljagd
Bereits Ende August 2019 nutzte der Automobilhersteller Porsche Twitch für eine Kommunikationsmaßnahme. Die Volkswagen-Marke enthüllte auf der Plattform vor dem damaligen Saisonstart exklusiv einen neuen Rennwagen, der in der vollelektronischen Motorsportserie Formel E zum Einsatz kommen sollte. „In der Motorsportszene kannten wir bisher die klassischen Fahrzeugpräsentationen, bei denen man als Zuschauer das Geschehen am Bildschirm verfolgt. In der Formel E sprechen wir die junge, digital orientierte Zielgruppe an und haben uns daher bewusst dazu entschieden, einen anderen Weg zu gehen“, sagte Oliver Hoffmann, Leiter Marketing Kommunikation von Porsche.
Konkret entwickelte Porsche ein Spiel namens „Formula E Unlocked“, das im interaktiven Livestream via Twitch übertragen wurde. Die Zuschauer bewegten sich dabei virtuell durch die Produktionsstätte des Autobauers und suchten das seinerzeit neue Modell „99 X Electric“. Auf dem Weg dahin mussten aus der Ich-Perspektive der Porsche-Rennfahrer Rätsel gelöst und kleinere Missionen erfüllt werden. Abhängig davon, welche Aktion nach 20 Sekunden den größten Zuspruch im begleitenden Chat bekam, ging die digitale Schnitzeljagd weiter. Nach einer rund vierstündigen Suche konnten die Teilnehmer schließlich den „99 X Electric“ enthüllen.
Insgesamt wurden auf Twitch rund um die Porsche-Kampagne der Fahrzeugenthüllung 14 Millionen Kontakte generiert. Fast eine Million Zuschauer waren nach Angaben des Autobauers virtuell und live dabei, als der neue Formel-E-Rennwagen von den Fans gefunden wurde.
Twitch-Beispiel 3: Snipes – „Fashion Unboxing“ mit Influencern
Im September 2019 sorgte Snipes für ein Novum. Für eine neue Kollektion kooperierte der Modehändler mit der Live-Streaming-Plattform Twitch und lies dort das weltweit erste „Fashion Unboxing“ mit Influencern stattfinden, sprich: eine Bewerbung der neuen Kollektion. Snipes nutzte im Rahmen der Aktion als erstes Unternehmen in Deutschland die neue „Bounty Board“-Funktion von Twitch, die bis dato nur in England und in den USA verfügbar war. Das „Bounty Board“ ermöglicht es Streamern, an ausgewählten Kampagnen teilzunehmen.
Insgesamt streamten 52 Influencer über 20 Stunden am Stück live und präsentierten dabei die neue Snipes-Kollektion. Im Schnitt wurde das sogenannte “Unboxing” laut Snipes über 14 Minuten live pro Video gesehen.
Toan Nguyen, zum Zeitpunkt des Twitch-„Unboxing“ von Snipes noch bei der den Modehändler im Esports und Gaming betreuenden Agentur Jung von Matt/Sports aktiv, fasst schließlich zusammen: „Twitch verkörpert nicht nur den Heimat-Kanal von Gamern, sondern auch die Speerspitze einer neuen Medienkultur, in der noch nicht ansatzweise alle Potenziale für Marken erschöpft sind. Twitch ist kein Kanal-Marketing. Twitch ist Kultur-Marketing.“
Serie zum Thema Esports
Dieser Artikel ist Teil einer aktuellen Serie auf absatzwirtschaft.de zum Thema Esports. Bisher sind zudem folgende Beiträge erschienen:
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Einen ausführlichen Artikel über die Folgen der Coronavirus-Pandemie auf die Esports-Vermarktung lesen Sie in der aktuellen Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können: https://www.fachmedien.de/absatzwirtschaft
Cases aus dem Esports-Sponsoring
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