von Michael Ziesmann
Auf 262 Seiten hat die Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten (ALM) ihr Jahrbuch 2009/2010 veröffentlicht. Besonders interessant darin erscheinen die erhobenen Daten zum Fernseh-Werbemarkt. Die Sender der RTL-Gruppe und die Sender der ProSiebenSat.1 Media AG veröffentlichen seit dem Jahr 2006 selbst keine Netto-Umsätze mehr. Sie hatten dies mit mehr Transparenz und besserer Vergleichbarkeit begründet. Die Marktanteile am Brutto-TV-Werbeumsatz im Jahr 2009 verteilten sich auf die RTL-Gruppe (inkl. RTL2) mit 43 Prozent, die ProSiebenSat.1-Gruppe mit 41 Prozent, ARD mit drei Prozent, ZDF mit zwei Prozent und sonstige Sender mit weiteren 11 Prozent.
Während die TV-Gesamtumsätze auf Basis der Rundfunkgebühren bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern kontinuierlich gestiegen sind, sanken die Netto-TV-Werbeumsätze der privaten Programmveranstalter im zweiten Jahr in Folge auf 3,64 Milliarden Euro. Die Gesamterträge der privaten Programmveranstalter stammen zu 54 Prozent aus klassischer Werbung, 20 Prozent aus Teleshopping, zwölf Prozent aus Abonnementgebühren, zwei Prozent aus Call-Media. Auf sonstige Einnahmequellen wie Merchandising entfallen weitere zwölf Prozent. In Summe sanken die TV-Umsätze im Jahr 2009 auf rund neun Milliarden Euro.
Von besonderem Interesse erscheinen die Daten der wichtigsten Einnahmequelle der privaten Programmveranstalter: Fernsehwerbung. Über alle Sender hinweg stieg der Tausender-Kontaktpreis seit dem Jahr 2003 kontinuierlich an. Das Erreichen von 1 000 Personen ab 14 Jahren mittels Fernsehwerbung kostete im Jahr 2009 mit einem 30-Sekunden-Werbespot 12,06 Euro. Die Analyse der Brutto- und Netto-TV-Werbeumsätze übertrifft für das Jahr 2009 die schlimmsten Befürchtungen.
Wirtschafts- und Werbekrise schlagen ebenso auf die Nettoerlöse der TV-Werbevermarkter durch wie wahnwitzige Rabattforderungen von Werbekunden und Mediaagenturen. 38,8 Prozent jedes Preislisten-Euro kamen im Jahr 2009 bei den TV-Werbevermarktern an. Das bedeutet eine Rabatthöhe von 61,2 Prozent. Im Durchschnitt. Hatten sich die durchschnittlichen Rabatthöhen im TV-Werbemarkt in den Jahren 2003 bis 2007 bei rund 50 Prozent eingependelt, stiegen sie in den Jahren 2008 und 2009 überproportional an. Was im Zuge des Rabattstreites des Werbekunden Danone als Ausnahmefall in der Rabatthöhe dargestellt wurde, ist heute Durchschnitt.
Die TV-Werbevermarkter analysieren diese Zahlen unterschiedlich. Jan Kühl, Geschäftsführer El Cartel Media (RTL2) äußert gegenüber absatzwirtschaft-Online: „Die branchenweit hohen Rabatte sind zu einem guten Teil der Wirtschaftskrise geschuldet. Sie hat den Trend verstärkt, dass die Verantwortung für den Mediaeinkauf immer stärker von den Marketing- zu den Procurement-Abteilungen wechselt. Die Folge: Media wird wie Joghurtbecher oder Schrauben eingekauft. Qualitative Kriterien und damit die TV-Werbung insgesamt verlieren an Wert“. Zu den Folgen befragt, erklärt Kühl: „Grundsätzlich beweist die Dynamik der Rabatte, dass der Markt noch funktioniert. In ihrer derzeitigen Höhe sind sie allerdings schädlich für alle, weil immer weniger Geld für Programminnovationen und neue Eigenproduktionen zur Verfügung steht. Die sind aber umso nötiger, weil in den USA aktuell nur wenig interessante Lizenzware angeboten wird.“
Diese Zahlen überraschen Matthias Dang, den stellvertretenden Geschäftsführer IP Deutschland (RTL-Gruppe), nicht: „Dass sich die Brutto-Netto-Schere im Krisenjahr 2009 geöffnet hat, ist nicht verwunderlich. So, wie der wirtschaftliche Druck auf den Kunden lastete, wurde er auch an die Medien weitergegeben. Einen Durchschnittswert kann man dennoch nicht auf jeden Vermarkter anwenden. Im Vergleich zu anderen Medien wie Radio und Online sind die Kontaktpreise im TV in den letzten Jahren übrigens gestiegen.“ Nach einem Ausblick gefragt, sagt Dang: „Kunden und Agenturen richten ihr Augenmerk wieder mehr auf Inhalt und Leistung – gepaart mit einer konsequenten Haltung in den Verhandlungen – sehen wir hier die besten Voraussetzungen, den negativen Trend zu stoppen und im besten Fall sogar umzukehren.“
Noch deutlicher wird Thomas Wagner, Geschäftsführer Sevenone Media (ProSiebenSat.1-Gruppe) auf Anfrage von absatzwirtschaft-Online: „In den Jahren 2008 und 2009 standen die Werbepreise durch die Wirtschaftskrise stark unter Druck – in allen Mediengattungen. Durch die wirtschaftliche Erholung erwarten wir, dass die Nettopreise 2010 auf keinen Fall weiter deflationieren, sondern eine angemessene Kapitalisierung der Programm-Performance zulassen. Das ist unser oberstes Ziel. Daher geht es in diesem Jahr auch darum, weiterhin keine unrealistischen Agenturversprechen zu finanzieren und auch einmal Nein zu sagen.“
Tatsächlich haben überproportional viele Werbekunden im Jahr 2009 ihren Kostendruck in Konditionenpitches auf die Mediaagenturen abgewälzt, die ihrerseits versucht haben, diesen Druck an die Medien weiterzugeben. Branchenkenner berichten, dass sich Mediaagenturen dabei zu Preisgarantien gegenüber den Werbekunden haben verleiten lassen, die im laufenden Jahr oft nicht zu erfüllen sind. Bei manchen Mediaagenturen, die mehrere Pitches im Vorjahr nur über den Preis gewonnen haben, berichten Branchenkenner inzwischen von „mathematischen Problemen“. Dem Vernehmen nach sind einige Verträge mit TV-Werbevermarktern noch immer nicht unterschrieben. Dennoch müssen Mediaagenturen ihren Kunden seit Jahresbeginn den Werbedruck zu vertraglich garantierten Konditionen vermitteln, auch wenn diese von den TV-Werbevermarktern weder als Cash- noch als Naturalrabatt gewährt werden.
Download ALM Jahrbuch 2009:
www.alm.de_2010.pdf