Gastbeitrag von Klaus Weise
Nehmen wir weiter an, es ginge um den Vorwurf organisierter Kriminalität über mehrere Jahrzehnte, um mehr als 100 Millionen Euro Bestechungsgeld und den Beschuldigten würden Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren drohen. Ganz konkret: Wer würde angesichts der Schwere der Vorwürfe vor die Kameras treten? Und mit welcher Botschaft? Im Falle des Fußballweltverbandes FIFA jedenfalls trat ein schlecht gelaunter Kommunikationschef vor die Presse. Seine Hauptbotschaft: „Wir fahren mit unserer agenda fort“, die Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 würden wie geplant in Russland und Katar gespielt werden. Gerade bei der Vergabe dieser Weltmeisterschaften soll es laut Staatsanwaltschaft massive Unregelmäßigkeiten gegen haben.
Normal ist Krise Chefsache – aber ist die Fifa normal?
Bei Adidas, Coca-Cola, Visa – den Hauptsponsoren der Fifa – und wahrscheinlich jedem anderen gut geführten Unternehmen wäre angesichts der Größe der Krise der oberste Chef persönlich vor die Medien getreten. Und hätte die Verantwortung übernommen, Bedauern ausgedrückt, Konsequenzen angekündigt und gesagt, man werde alles daran setzen, dass Derartiges nie wieder geschehen könne. Und hätte angekündigt, dass man untersuchen werde, ob die hochkriminellen Vorfälle – wenn sie denn wirklich geschehen seien – zu Fehlentscheidungen geführt hätten. Nicht so bei Sepp Blatters Fifa. Der ist wichtig zu verkünden, alles bleibe wie es ist, Verdacht auf organisierte Kriminalität und Korruption hin oder her. Man versucht, die Riesenaffäre klein zu reden. Ach ja, Gründe für einen Rücktritt sehe Präsident Sepp Blatter übrigens nicht, lässt er seinen Pressechef ausrichten. Schließlich richte sich der Verdacht ja nicht gegen ihn. Der Gedanke, dass er als Präsident der Organisation Verantwortung dafür trägt, was dort passiert, scheint ihm fremd zu sein. Immerhin hat Blatter die Fifa in 34 Jahren als Generalsekretär und Präsident geprägt wie kein anderer. Jenseits dessen wäre allein die Art des Umgangs mit den ungeheuren Vorwürfen schon Grund genug für einen Rücktritt.
Papst Franziskus und der Fußball
Aber die Fifa ist eben kein Unternehmen wie Adidas, Coca-Cola oder Visa. Sie ist ein Verband. Ein Verband, der ziemlich einzigartig ist. Ein Verband, der in Sachen Image und Popularität ungefähr mit der Mafia auf Augenhöhe sein dürfte. Und ein Verband, dessen Strukturen und Funktionsweisen am ehesten mit denen der katholischen Kirchen vergleichbar sind. Fußball ist die Ersatzreligion unserer Zeit und die Fifa ist die Ersatzkirche. Insofern bleibt mehr als die Hoffnung, dass die Sponsoren die Fifa unter Druck setzen und zu einer besseren, transparenteren und faireren Organisation machen. Es bleibt nämlich auch die Hoffnung, dass irgendwann ein Franziskus an der Spitze der Fifa stehen wird, der ihr Demut und vieles andere mehr beibringt. Übrigens: Papst Franziskus ist seit seiner Bischofszeit Ehrenmitglied des argentinischen Fußball-Erstligisten CA San Lorenzo de Almagro und seit 2014 auch des TSV 1860 München.
Zum Autor: Gemeinsam mit Thorsten Hebes gründete Klaus Weise, Jahrgang 1964, im Oktober 2005 Serviceplan Public Relations – seitdem sind die beiden die Geschäftsführer dieser Agentur der Serviceplan Gruppe. Zuvor war Weise vier Jahre lang Managing Director bei der Weber Shandwick Deutschland GmbH und Mitglied des Executive Boards von Weber Shandwick Deutschland.