Trotz offener Restaurants: Lieferdienst-Boom hält an

Pizza auf der Couch oder doch lieber beim Italiener? Seit dem Ende des Corona-Lockdowns haben Verbraucherinnen und Verbraucher wieder die Wahl. Wer glaubt, dass die Nachfrage bei Online-Lieferdiensten nun einbricht, täuscht sich.
Der Markt für Lieferungen von Fertiggerichten in Deutschland ist umkämpft. (© Imago)

Die Restaurants und Kneipen sind seit Monaten wieder gut besucht – doch ein Ende des Bestellbooms bei Lieferdiensten ist nicht in Sicht. „Der Trend zu Onlinebestellungen hält an, auch nach Wiedereröffnung der Gastronomie“, teilte etwa der Marktführer Lieferando auf Anfrage mit. Demnach hätten Konsumenten im Sommer zwischen Juli und September rund zehn Millionen zusätzliche Bestellungen über die Plattform aufgegeben. „Das entspricht einem Wachstum von 35 Prozent gegenüber dem Corona-Sommer 2020 und einer Verdoppelung der Bestellungen gegenüber dem Vorkrisen-Niveau im dritten Quartal 2019“, hieß es.

Auch der Wettbewerber Wolt geht von einer weiterhin hohen Nachfrage aus. In vielen anderen Ländern habe das Unternehmen im vergangenen Jahr beobachtet, dass die Menschen auch nach Öffnung der Gastronomie bestellten. „Wir rechnen deshalb mit keinem nennenswerten Rückgang von Bestellungen“, teilte das Unternehmen auf Anfrage mit.

Wachstumsschub durch den Lockdown

Die Dienste waren vor allem während der wiederholten Lockdowns schnell gewachsen. Über Monate hinweg mussten Gastronomen ihre Innenräume schließen und durften nur für den Außer-Haus-Verzehr verkaufen. Viele nutzten Plattformen wie die zum niederländischen Just-Eat-Takeaway-Konzern gehörende Marke Lieferando, um möglichst viele Kunden zu erreichen.

Inzwischen hat sich die Lage für die Branche wieder etwas gebessert. „Dank der Corona-Lockerungen und der starken touristischen Nachfrage waren der Sommer und der Herbst bislang für viele Betriebe im Gastgewerbe ein Erfolg“, teilte der Hotel und Gaststättenverband Dehoga auf Anfrage mit. „In Hotels und Restaurants mit überwiegend touristischer und privater Nachfrage liegen die Umsätze in Teilen sogar höher als im Vorkrisenjahr 2019.“

Doch offenbar bestellen viele Verbraucher weiterhin gerne online. „Die Erwartung, dass nach dem Ende des Lockdowns alle wieder ins Restaurant strömen und niemand mehr bestellt, hat sich anscheinend nicht zu 100 Prozent bewahrheitet“, sagte Christoph Schink, Referatsleiter Gastgewerbe bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Wir stellen fest, dass immer noch Fahrer und Fahrerinnen gesucht werden und dass das Bestellaufkommen immer noch hoch ist.“

Umkämpfter Markt für Lieferdienste

Längere Zeit war Lieferando in Deutschland nahezu der einzige Anbieter für Restaurantlieferungen. Inzwischen ist der Markt für Lieferungen von Fertiggerichten umkämpfter. Neben Wolt ist auch der Berliner Konzern Delivery Hero unter seiner Marke Foodpanda wieder auf dem Heimatmarkt unterwegs. Dieser hatte erst 2019 sein gesamtes Deutschlandgeschäft verkauft. Delivery Hero bietet sowohl Restaurant- als auch Lebensmittellieferungen des täglichen Bedarfs an. In diesem Marktsegment ist Lieferando bislang nicht tätig. Dort tummeln sich auch Wettbewerber wie Gorillas, Flink oder Getir. Auch Wolt plant eine Erweiterung des Angebots über zubereitete Gerichte hinaus: „Zeitnah soll Wolt auch in Deutschland die ‚App für alles‘ werden“, hieß es.

NGG und Dehoga schauen mit gemischten Gefühlen auf diese Entwicklung. Die Gewerkschaft betont ihre Erfolge bei Lieferando, wo es inzwischen einen Betriebsrat gibt und das Unternehmen im August angekündigt habe, sämtliche Verträge zu entfristen. Doch die NGG kritisiert weiterhin ein Bonussystem, wonach Fahrerinnen und Fahrer nach einer gewissen Anzahl von Lieferungen im Monat mehr Geld bekämen.

Den Verband Dehoga wiederum stört vor allem die Provision für die teilnehmenden Restaurants und er warnt vor wirtschaftlichen Abhängigkeiten. „Die großen Online-Plattformen greifen jede Menge Wertschöpfung ab. Es sind die Restaurants, die das Produkt besitzen und die die wirtschaftliche Verantwortung für ihren Betrieb und ihre Mitarbeiter tragen – und eben nicht die Portale.“

tht/dpa