Trotz der Corona-Krise rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) für das laufende Jahr mit einem Umsatz im Einzelhandel von knapp 552 Milliarden Euro – und damit mit rund 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das Wachstum darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in vielen Bereichen noch deutlich unter den Normalfrequenzen liegen“, sagte Verbands-Geschäftsführer Stefan Genth am Dienstag in Berlin. „Wir haben gut laufende Branchen, aber wir haben auch die Situation, dass besondere Branchen sehr negativ betroffen sind.“
Fahrradhandel, Online-Handel und Baumärkte als Treiber
Getrieben wird das Wachstum demnach vor allem vom Fahrradhandel, wo der Umsatz in den ersten sieben Monaten um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugelegt hat. Auch der Online- und Versandhandel sowie Baumärkte konnten ihren Umsatz im selben Zeitraum deutlich steigern.
Viele andere Sektoren jedoch seien von der Krise nach wie vor stark betroffen. Dazu gehöre insbesondere der stationäre Einzelhandel abseits der Lebensmittelmärkte, der über Wochen schließen musste. Vor allem Bekleidungs- und Schuhgeschäfte leiden demnach unter deutlichen Umsatzeinbußen in Höhe von knapp 30 Prozent zwischen Januar und Juli. Mehr als elf Milliarden Euro Umsatzverluste verzeichnete dem HDE zufolge der von Schließungen betroffene Einzelhandel.
Weil Kurzarbeit und andere soziale Sicherungssysteme funktionierten, steige allerdings die Kaufkraft der Kunden wieder, sagte Genth. „Damit sind die Voraussetzungen für den Konsum gegeben.“ Er befürwortete, dass die Bundesregierung in der vergangenen Woche die Hürden für die sogenannte Überbrückungshilfe gesenkt hat.
Nachholbedarf bei den Mieten, Diskussion über Sonntagsöffnungen
Nachholbedarf sieht Genth bei den Mieten. „Es gibt vor allem große Vermietungs- und Fondsgesellschaften, die nach wie vor hohe Mieten verlangen“, sagte Genth. Er forderte vom Gesetzgeber rechtliche Änderungen, um eine Anpassung der Mieten durchzusetzen. „Angesichts der Umsatzrückgänge können viele Händler ihre Mieten nicht in voller Höhe bezahlen.“
Die Gewerkschaft Verdi warnte in der politischen Diskussion um Sonntagsöffnungen davor, Sonntage generell zum Arbeitstag zu erklären. „Sonntagsöffnungen ohne Anlassbezug sind ein trojanisches Pferd“, teilte Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger am Dienstag mit. „Sie vernichten Arbeitsplätze in mittelständischen Betrieben und zwingen über kurz oder lang auch andere Branchen, Sonntagsarbeit einzuführen.“
Der Handelsverband hatte zuvor mehrere Gerichtsurteile auf Landesebene kritisiert, die aus seiner Sicht den rechtlichen Rahmen zu eng auslegen und Sonntagsöffnungen untersagen. Der HDE kündigte daraufhin an, in dieser Frage notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
he/dpa