Von Michael Ziesmann
Es war nur eine Frage der Münchner Medientage, aber wahrscheinlich die zentralste für Medien, Werbungtreibende und Mediaagenturen: „Der deutsche Mediamarkt im Würgegriff der Großagenturen?“. Vertreter von Medienvermarktern und Mediaagenturen diskutierten nach einer Keynote von Medienberater Thomas Koch über Trading, Marktführer GoupM und warum es das vermittelnde Mediageschäft bedingt.
GroupM im Kreuzfeuer
Pointiert und offensiv eröffnete Mediaexperte Thomas Koch die Diskussionsrunde. GroupM sei mit gewaltigem Abstand Marktführer und beherrsche 50 Prozent aller deutschen Mediaspendings. „Sie vereinen auf sich mehr Umsatz als die drei nächstgrößten Networks zusammen. Sie sind die Marktmacht. Das schürt Ängste, sowohl bei den Wettbewerbern, als auch bei den Medienvermarktern“, sagt Koch. „Das „M“ in GroupM steht vermutlich gar nicht für Media, sondern wahrscheinlich für Mephisto.“
Trading sei ein Irrsinn, der sich nicht durchsetzen wird. Ein Medium, das auch nur Teile seines Portfolios an eine Agentur zur Weitervermarktung abgibt, gehöre geteert und gefedert, fährt Koch fort. Koch prophezeit in seiner Keynote das Ende der Mediaagenturen wenn sie „sich nicht sehr bald wieder als transparente Dienstleister aufstellen, die nicht mehrheitlich in die eigene Tasche wirtschaften“ weil sie sich „von Beratern und Dienstleistern zu System-Schmarotzern entwickelt haben.“
Trading braucht keine externen Verkäufer
Kernpunkt der anschließenden Diskussion: Das vermittelnde Kerngeschäft der geschäftsbesorgenden Mediaagenturen ist Voraussetzung um darauf aufbauend überhaupt an Trading-Pakete der Medien zu gelangen. Warum sollte ein Medium Werbeplätze zu 20 Prozent des Listenpreises zur Weitervermarktung freiwillig aus der Hand geben? Entweder weil das eigene Produkt nur über den Preis funktioniert und tatsächlich nur diese 20 Prozent des Listenpreises wert ist. Oder aber weil Mediaagenturen sehr subtil das vermittelnde Geschäft davon abhängig machen, in welchem Umfang das Medium Tradingvolumen zustimmt.
Matthias Dang, Geschäftsführer des Fernsehwerbezeitenvermarkters IP Deutschland, sagt: „Wenn ich mich in Köln auf die Domplatte stelle, könnte ich das Volumen selbst mit 50 Prozent Rabatt verkaufen. Wenn sie Trading singulär betrachten brauchen sie dafür keinen externen Verkäufer.“ Das einzige Argument Trading trotzdem zu machen, sei der Zusammenhang der beiden Geschäftsbereiche.
Nahmen Mediaagenturen früher Kickbacks in Höhe einstelliger Prozentsätze orientiert am Schaltvolumen der Kunden, fordern sie nun Inventar von Medien. Dieses soll dann mit Margen von 20 bis 30 Prozent bei den Kunden zu Geld gemacht werden – in vielfacher Höhe der früheren Kickbacks. Da jedoch das Geld der Kunden mittelbar zu diesem Tradingvolumen führt, könnten sich die Beteiligten in eine juristische Grauzone begeben. Das passiert, wenn Kunden dafür einen vermeintlich günstigen Preis für Werbeplätze zahlen obwohl diese Erträge mittelbar auch auf ihr eigenes Schaltvolumen zurückzuführen sind. Nicht umsonst behaupten Unternehmen, die Trading umsetzen, dass Trading und das vermittelnde Geschäft nichts miteinander zu tun haben würden. Dietmar Otti, Axel Springer Media Impact, betonte: „Bei uns haben die Geschäftsfelder absolut nichts miteinander zu tun, weil es auch gesetzlich nicht möglich ist“.
Trading bestimmt Preise
Trading bestimmt Preise
Besonders umsatzstarke Werbekunden schließen Trading für sich zwar aus. Sie schließen aber nicht aus, dass eine Mediaagentur das Gesamtvolumen aller Kundengelder als „Argumentationsgrundlage“ nutzt, um Tradingpakete zu erhalten, die bei kleinen und mittleren Werbekunden zu Geld gemacht werden. Und das, obwohl auch diese im Gesamtvolumen aller Kundengelder enthalten sind. Mit diesem Prinzip ermöglichen sich volumenstarke und sehr genau informierte Werbekunden indirekt selbst extrem günstige Medienkonditionen. Denn Erträge aus Trading kommen in Form extremer Medienkonditionen Großkunden zugute, die ihnen im reinen Vermittlungsgeschäft weder gehören noch anteilig pro rata zustehen.
Trading mag nur einen geringen Anteil am Umsatz von Mediaagenturen ausmachen. Jedoch besteht der Umsatz von Mediaagenturen zu mehr als 95 Prozent aus einem Durchlaufposten – dem Schaltvolumen der Kunden. Der Gewinn von Mediaagenturen stammt dem Vernehmen nach kaum noch aus dem Honorar der Werbekunden sondern aus Trading-Erlösen. Ein Teufelskreis.
Diese Gemengelage sorgte für eine lebhafte Diskussion bei den Münchner Medientagen. Dietmar Otti verteidigte Trading um Restplätze zu vermarkten: „Wir haben es nicht nötig Geld zu verschenken“, argumentierte Otti. Dem widersprach Matthias Dang, da mit Trading die Rendite für das eigene Inventar an die Agentur verschenkt werden würde. Mediaagenturen hätten in Deutschland die höchsten Renditen in ganz Europa, so Dang weiter, weil es die Medien zulassen.
GroupM kann in Diskussion nicht punkten
GroupM war mit Christof Baron, Geschäftsführer MindShare, und Robert Mayer-Uellner, Geschäftsführer der Digitaltochter Xaxis, vetreten. GroupM CEO Frank Schmidt aber auch Global Head of Trading der GroupM, Jürgen Blomenkamp, standen der Diskussion nicht zur Verfügung. Baron versuchte die Wogen zu glätten: „Wenn die Medien kein Trading-Inventar in die Trading-Pools geben würden, gäbe es kein Trading“. Das Publikum regierte mit Raunen und Kopfschütteln. Robert Mayer-Uellner wurde von Matthias Ehrlich, United Internet Media, dafür kritisiert, dass die zur GroupM gehörende Xaxis seiner Ansicht bei Targeting datenschutzrechtlich bedenklich und womöglich rechtswidrig arbeiten würde. Mayer-Uellner erwiderte, dass der Datenschutz der Xaxis-Produkte geprüft und gewährleistet sei.
Eine höchst spannende und erkenntnisreiche Diskussion, die die zentralste Frage für Medien, Werbekunden und Mediaagenturen beleuchtete – auch wenn die Bedeutung des Themas noch nicht von allen Marktteilnehmern richtig eingeordnet oder zu Ende gedacht wurde. Mediaagenturen haben sich selbst infrage gestellt, als sie sich von der beratenden Seite der Kunden entfernt und ihren Mehrwert verramscht haben, und versuchen nun als Medienvermarkter die Folgen dessen zu kaschieren, indem sie mit den Erlösen vermeintlicher Nebentätigkeiten das selbst infrage gestellte Basis-Geschäftsmodell subventionieren. Zum kurzfristigen Vorteil der eigenen Profitabilität und weniger Großkunden, aber zum Nachteil einer Vielzahl von Werbung treibenden Unternehmen mit kleinen und mittleren Werbeetats.