Wer hätte das gedacht: Deutsche Autobahnen führen Reisende nicht nur mal mehr, oft weniger pünktlich an das vorher ersonnene Ziel, sondern sie dienen auch selbst als „Reiseführer“ und beeinflussen die Routenplanung noch während der Fahrt. Hier geht es ausnahmsweise einmal nicht um Stauklagen, Vollsperrungen und notgedrungene Routenänderungen, sondern um Tourismus- und Stadtmarketing.
Professor Sven Groß von der Hochschule Harz in Wernigerode und sein Team haben sich im Rahmen einer Studie mit der Wirkung der braun-weißen Werbeschilder beschäftigt, die am Streckenrand auf touristische Highlights der gerade durchquerten Region hinweisen – und dabei ein paar erstaunliche Erkenntnisse gewonnen.
Nur vier Prozent übersehen die Tipps
Erkenntnis eins: Die dezent, mit wenig Schrift und aussagekräftigen Piktogrammen illustrierten Schilder – die korrekte Bezeichnung dafür ist touristische Unterrichtungstafeln -, werden von den meisten Fahrzeuginsassen bemerkt. Nur vier Prozent der Befragten wollen noch nie eines der Piktogramme wahrgenommen haben. Zwei Drittel konnten sich dagegen noch an konkret abgebildete Inhalte wie Sehenswürdigkeiten, Städte oder Landschaften erinnern.
Erkenntnis zwei: Die touristischen Ziele am Wegesrand werden nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern auch immer wieder spontan angesteuert: Knapp jeder Sechste habe diesem Impuls schon einmal nachgegeben und seine Reiseroute ad hoc verlängert, um das beworbene Ziel zu besuchen. „Offenbar gibt es kurz-, mittel- und langfristige Wirkungen“, erklärt Groß, der an der Hochschule Harz auf dem Gebiet des Verkehrsträgermanagements lehrt und forscht und die Studie im Rahmen eines Forschungssemesters erstellt hat. Andere Befragte würden sich ein Ziel für spätere Ausflüge vormerken, manche hätten sogar angegeben, sich während oder nach der Autofahrt Listen von künftigen Zielen zu machen, so der Verkehrsexperte.
In Bayern gibt es die meisten Werbetafeln
Die braun-weißen Hinweistafeln werden seit Mitte der 80er Jahre an Autobahnen eingesetzt, für das Aufstellen ist die oberste Verkehrsbehörde des jeweiligen Bundeslandes zuständig. Daher gibt es auch kein zentrales Register. Die Studienmacher hat die Zahlen einzeln abgefragt und zusammengetragen: Demnach gibt es an deutschen Autobahnen mehr als 3400 touristische Schilder mit rund 1800 verschiedenen Motiven. Spitzenreiter ist Bayern mit mehr als 800 Tafeln.
Nun ist Bayern nicht nur an touristischen Ausflugszielen reich, es zählt neben NRW und Baden-Württemberg laut aktueller ADAC-Staubilanz auch zu den staureichsten Bundesländern. In dieser Konstellation dürfte das subtile Tourismusmarketing am Straßenrand gerade im Freistaat seine Wirkung entfalten und gestresste Reisende an der nächsten Abfahrt zum einen oder anderen ungeplanten Abstecher animieren.