Die Dmexco hat sich in diesem Jahr groß auf die Fahnen geschrieben, mehr Frauen auf die Bühne zu holen. Frauen, die Führungspositionen im Marketing, in Medien und in der Kommunikation bekleiden. Wir stellen fünf von ihnen vor und haben sie zu ihren persönlichen Karrierewegen und zum Thema Gleichberechtigung befragt:
Authentisch sein, überzeugen und begeistern
Benita Struve, Leiterin Marketingkommunikation Lufthansa
Benita Struve hat eine klare Vorstellung davon, was Frauen in Führungspositionen von ihren männlichen Kollegen unterscheidet: „Ich glaube, Frauen sind authentischer und empathischer. Der Führungsstil ist oft teamorientierter. Außerdem sind sie effizienter und packen an“, sagt die Managerin, die seit 2013 die Marketingkommunikation der Lufthansa verantwortet.
Struve will selbst ihren Teil dazu beitragen, dass künftig noch mehr Frauenpower in die Führungsetagen einzieht: „Es ist mir ein großes Anliegen, junge Kollegen und Kolleginnen zu fördern und Führungstalente zu entwickeln.“ Als Vorbild für Gender-Gerechtigkeit nennt sie Skandinavien, wo zum Beispiel der Begriff „Rabenmutter“ nicht bekannt sei: „Dort sind die Rollen ausgeglichener, und es ist in der Gesellschaft akzeptiert, dass Väter und Mütter zu gleichen Teilen die Kinder erziehen und betreuen“, sagt sie.
Struve ist schon fast zwanzig Jahre bei Deutschlands größter Fluggesellschaft. Sogar noch länger, wenn man die zweieinhalb Jahre dazunimmt, die sie direkt nach ihrem Abitur im heimischen Kaufbeuren im Allgäu als Flugbegleiterin für die Lufthansa unterwegs gewesen ist. Ihre weiteren Stationen waren die Werbeagenturen Michael Conrad & Leo Burnett und Sai Westall Tomkins sowie der Medienkonzern EM.TV.
Als größte künftige Herausforderung für das -Marketing bezeichnet sie es, „im Zeitalter der Digitalisierung und Personalisierung relevant zu bleiben“ sowie „große kreative Ideen zu entwickeln und Markenprägnanz zu schärfen und zu bewahren“. Ihr Arbeitgeber, die Lufthansa, hat das zuletzt mit der größten Kampagne in der Unternehmensgeschichte unter dem Slogan #SayYesToTheWorld eindrucksvoll getan.
Am meisten bei ihrer Karriere geholfen haben Struve nach eigener Aussage „die Leidenschaft und Freude am Thema Marketing“ sowie Vorgesetzte und Kunden, „die von meiner Leistung überzeugt waren“. Als Erfolgsrezept nennt sie, „immer man selbst zu bleiben und sein Bestes zu geben“. Sich auf keinen Fall verbiegen zu lassen.
Selbstbewusst und authentisch zu bleiben rät Struve auch jungen Kolleginnen, die eine erfolgreiche Karriere anstreben. Sie sollten sich auf keinen Fall verunsichern lassen: „Andere machen es im Zweifel nicht besser als man selber.“ Ganz wichtig sei es auch, nur den Job zu machen, der einem wirklich liege und Spaß mache: „Nur so kann man auch überzeugen und begeistern“, sagt Struve.
Ihr größtes persönliches Ziel ist es, „private wie berufliche Erfüllung in Einklang zu leben und dadurch glücklich zu sein“, sagt Struve. „Ich möchte meinen Kindern ein gutes Vorbild sein und für meine Kollegen und Mitarbeiter eine Person, mit der man sich gerne austauscht und die man fachlich anerkennt.“
Geprägt von Erfahrungen in anderen Ländern
Eun-Kyung Park, Chief Digital Officer Entertainment, Pro Sieben Sat.1
„Auch mal ins kalte Wasser springen und neue Ufer entdecken, von denen ich nicht immer weiß, was mich dort erwartet.“ Das ist der Ratschlag, den Eun-Kyung Park, Jahrgang 1978, jüngeren Kolleginnen für ihre Karriere gibt. Die Mainzerin mit koreanischen Wurzeln hat diesen Sprung selbst zahlreiche Male gewagt. Viele Stationen zu absolvieren hat ihr in ihrem Werdegang „am meisten geholfen und dabei gleichzeitig gebremst“, sagt die Frau, die seit August 2018 als Chief Digital Officer Entertainment übergreifend für die digitalen Unterhaltungsangebote von Pro Sieben Sat.1 (P7S1) zuständig ist. Gleichzeitig ist sie Mitglied der Geschäftsführung von P7S1 TV Deutschland.
Park ist bestens vernetzt und kennt das Medienhaus aus Unterföhring bei München hervorragend. Seit 2009 hat sie verschiedene Positionen im Konzern bekleidet, so war sie unter anderem Geschäftsführerin des Frauensenders Sixx und Geschäftsführerin Sales der konzerneigenen Werbeagentur Seven One Adfactory. Vor ihrer Karriere bei P7S1 war sie sieben Jahre in unterschiedlichen Positionen für Bertelsmann in Schanghai, Paris und Gütersloh tätig. Die Jahre in der chinesischen Wirtschaftsmetropole bezeichnet die Mutter zweier Töchter als „spannendste und inspirierendste“ ihres Lebens: „Der Wechsel kultureller Perspektiven sowie die positive Auseinandersetzung mit Diversität in jeglicher Hinsicht“ hätten sie besonders beeindruckt.
Schon bei ihrem BWL-Studium mit Schwerpunkt internationale Wirtschaftsbeziehungen hat es Eun-Kyung Park nicht lange in nur einem Land „ausgehalten“: Sie absolvierte es in Koblenz, Seoul und Nizza.
Die Erfahrungen in anderen Ländern und Kulturen, geschäftlich wie gesellschaftlich, haben ihr gezeigt, was sich in Deutschland erst noch entwickeln muss: „Durch meine Aufenthalte in China habe ich erfahren, dass dort die individuelle Leistung im Business wirklich zählt und auch geschätzt wird. Die Bedeutung sinnvoller Betreuungskonzepte habe ich in Frankreich kennen- und schätzen gelernt“, sagt die Topmanagerin.
Als größte Herausforderungen für die Branche beschreibt Park „die ungeheure Fragmentierung bei den Medienangeboten“ und „die sich stark verändernden Zielgruppen“ – beides führe zu einer „rasant wachsenden Komplexität“. Täglich würde ein „unglaubliches Mehr an Informationen und Werbebotschaften“ auf die Konsumenten einprasseln, deren Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer werde. Das Rezept der Digital- chefin: „Marken und Produkte, die herausstechen wollen, müssen die sich verändernden Wertegerüste und Bedürfnisse unserer Konsumenten ganz klar verstehen und sie sinnvoll, simpel und fokussiert bedienen.“
* Am vergangenen Dienstag teilte Pro Sieben Sat.1 überraschend mit, dass Eun-Kyung Park den Sender verlässt. Ob tatsächlich Disney die nächste Station der Managerin wird, wie Gerüchte in der Branche besagen, ist bisher nicht bestätigt.
Hinfallen, aufstehen, Staub abklopfen, weitermachen
Sarah Bernuit, Vice President Digital Strategy & IBM iX Europe
Sarah Bernuit glaubt an die Quote, „wenn es darum geht, einen Unterschied zu machen“. Statt nur einen „Gender-Ausgleich“ mahnt sie „echte Diversität“ an: „Globale Unternehmen, die für internationale Kunden arbeiten, brauchen eine kulturelle Vielfalt. Quoten sind großartig, um dies zu unterstützen.“ Diversität bezeichnet Bernuit als einen „der Gründe, warum ich IBM als Arbeitgeber wirklich liebe“. Kompetenz zähle dort mehr als Geschlecht, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung. „IBM war auch eines der ersten Unternehmen im New Yorker Pride March, was mich wirklich stolz macht“, sagt sie.
Zudem müssten Unternehmen Frauen gezielt durch Mentoring stärken und unbewussten Vorurteilen und Stereotypen entgegenwirken. Für die einzelne Mitarbeiterin sei es dabei entscheidend, gute Coaches zu finden, die sie unterstützen und unvoreingenommenes Feedback geben.
Die 45-jährige Französin blickt selbst auf 20 Jahre berufliche Erfahrung in einem „männlich dominierten Unternehmensumfeld“ zurück, unter anderem beim französischen IT-Dienstleister Atos und beim US-amerikanischen Cognizant: „Ich habe in fünf Ländern gelebt, Herausforderungen und Transformationen in vier komplexen Organisationen bewältigt“, sagt die Managerin.
Seit gut fünf Jahren arbeitet sie bei IBM und verantwortet dort seit vergangenem Jahr als Vizepräsidentin IBM Europa die Digitalstrategie und die Digitalagentur IBM iX. Die Agentur berät weltweit Kunden zu ihrer digitalen Ausrichtung. „Wir entwickeln mit Unternehmen und Institutionen digitale Strategien und Nutzererleb-nisse für Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Bürger. Dabei stellen wir den Menschen in den Mittelpunkt – sowohl wenn wir digitale Services designen als auch bei Veränderungsprozessen im Unternehmen selbst.“
Die Mutter von drei Kindern lebt derzeit in Deutschland. Als persönliche Erfolgsfaktoren bezeichnet sie „eine gewisse Resilienz und eine positive Grundhaltung“. Die Karriere vergleicht sie mit einem Marathon: „Man fällt hin, steht wieder auf, klopft den Staub ab, läuft weiter.“ So sei das im Job wie im Privatleben. Als berufstätige Mutter müsse man gut auf sein inneres Gleichgewicht und Glück achten – „für mich ist das ganz klar meine Familie“, sagt sie, „sie gibt mir viel Ausgleich und Perspektive für meine Karriere“.
Vorbild für die Söhne und Mentorin für junge Kolleginnen
Teresa Barreira, CMO Publicis Sapient
Bis es so weit ist, dass Frauen im Berufsleben wirklich die gleichen Chancen wie Männern eingeräumt werden, ist es Teresa Barreira zufolge „noch ein langer Weg“. Die gebürtige Portugiesin, die heute mit ihrer Familie in Kanada lebt, ist Marketingchefin bei Publicis Sapient, einer Beratungsfirma für digitale Business Transformation mit 20.000 Beschäftigten an 53 Standorten weltweit. „Der einzige Weg zu wahrer Chancengleichheit ist, dass Männer in herausgehobenen Positionen klar dazu Stellung beziehen und Veränderungen anstoßen“, sagt Barreira. Sie sieht das eher als Generationenaufgabe, an der sie selbst aktiv mitwirken will: „Ich arbeite jeden Tag hart dafür, meinen beiden Jungs ein gutes Vorbild zu sein. Es ist entscheidend für sie, mich und andere Frauen in Führungspositionen zu sehen, denn wenn sie später ins Berufsleben einsteigen, wird es an ihnen und ihrer Generation sein, die Dinge zu verändern.“
Doch nicht nur privat will Barreira ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Sie engagiert sich auch als Mentorin für junge Frauen im Beruf, um deren Talente zu fördern. Jungen Kolleginnen rät sie, ständig nach Chancen zu suchen und sich neuen Herausforderungen zu stellen: „Seien Sie aktiv und warten Sie nicht darauf, dass andere auf Sie zukommen!“ Einsteiger sollten unterschiedliche Rollen im Unternehmen und in den verschiedenen Marketingdisziplinen ausprobieren – und dabei auch bereit sein, Risiken einzugehen. „Sie dürfen keine Angst vor Fehlern haben!“
„Frauen, die andere Perspektiven und andere Denkmuster einbringen, sind gut für jedes Unternehmen“, sagt die Managerin. Und diese Denkweisen, neudeutsch: das Mindset, seien für sie die größte Herausforderung im Marketing der Zukunft.
Barreira selbst hat im Laufe ihrer Karriere mehr als zwei Jahrzehnte lang im Bereich B-to-B-Marketing für die IT- und Beratungsbranche gearbeitet, unter anderem war sie 14 Jahre bei Accenture und fünf Jahre bei IBM. Bevor sie im Mai 2018 zu Publicis Sapient kam, war sie zwei Jahre lang CMO bei Deloitte Consulting.
Die Offenheit, Veränderungen anzunehmen und sich bietende Gelegenheiten zu nutzen, bezeichnet die Managerin als entscheidend für ihren Erfolg. Vor allem in der Frühphase ihrer Laufbahn bei IBM habe sie die Möglichkeit erhalten, alle zwei Jahre in eine neue Rolle zu schlüpfen und in verschiedenen Ländern zu arbeiten. „Dadurch habe ich das Geschäft richtig kennengelernt, und das hat mich offen für Veränderungen gemacht“, sagt sie.
Als ihr wichtigstes persönliches Ziel bezeichnet die Managerin und Mutter von zwei kleinen Jungen „ein gut ausbalanciertes Leben, das es mir erlaubt, erfolgreich im Job und als Mutter zu sein“.
Klare Aufgabenverteilung zu Hause, fair und zielstrebig im Büro
Wendi Sturgis, CEO und Chief Client Officer Yext Europe
Der Schlüssel zum beruflichen Erfolg der Frau liegt auch im Verhalten des Mannes, ist Wendi Sturgis überzeugt: Männer müssten sich zu Hause als gleichberechtigte Partner sehen und einbringen – und Frauen müssten sie als diese akzeptieren. Die Topmanagerin gibt einen Einblick, wie das bei ihr organisiert ist: „Mein Ehemann macht beispielsweise die Wäsche und putzt, und ich koche für uns. Wir haben jeder unsere festgelegten Aufgaben, aber wir agieren auch immer als Team.“
Die Amerikanerin, die heute in London lebt, ist Europachefin des US-Softwareanbieters Yext. Der Tech-Dienstleister hilft Kunden wie BMW, Lidl oder Sixt dabei, im Netz sichtbar und mit ihren Informationen auffindbar zu sein. Sturgis hat in acht Jahren unterschiedliche Führungspositionen im Unternehmen durchlaufen, unter anderem in den Bereichen Vertrieb, Partnerschaften, Kundenerfolg und Beratung.
Insgesamt blickt sie auf 20 Jahre Führungserfahrung bei einigen der weltgrößten Tech-Unternehmen zurück. Vor Yext war sie in leitenden Positionen bei Gartner, Right Media, Oracle und Yahoo tätig. Beim Internetkonzern Yahoo stand von 2012 bis 2017 mit Marissa Mayer eine Frau an der Spitze, der Software-Spezialist Oracle wird derzeit von einer Co-CEO, Safra Catz, mitgeführt. Um die Vorstandsetagen generell weiblicher zu machen, ist Sturgis zufolge weitaus mehr als die eingangs beschriebene männliche Veränderungsbereitschaft nötig: „Gleichberechtigung ist auch immer ein kulturelles Thema; etwas, das in der Gesellschaft als Ganzes vorangetrieben werden muss.“ Dazu beitragen könnten auch Förder- und Mentoring-Programme in Firmen und Netzwerken.
Sturgis rät jungen Kolleginnen, sich nicht von Misserfolgen entmutigen zu lassen: „Der Umgang mit diesen Rückschlägen gehört zum beruflichen und persönlichen Wachstum dazu, und die Angst davor sollte uns nicht davon abhalten, Chancen zu ergreifen.“ Sie selbst habe ein „einfaches Prinzip“, das aber vielfach im Arbeitskontext übersehen werde: „Harte Arbeit ist wichtig, aber ebenso viel Gewicht haben Freundlichkeit, Fairness und Anstand.“
Ein paar feine Unterschiede zwischen den Geschlechtern in Sachen Führungsverhalten hat Sturgis ausgemacht: „Meiner Meinung nach sind Frauen häufig gut darin, mit verschiedenen Personentypen zusammenzuarbeiten. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie ihren Kollegen nicht nur zuhören und andere Sichtweisen verstehen möchten, sondern zusätzlich bemüht sind, auf diese einzugehen.“ Das sind für sie Fähigkeiten, die jeder gute Chef, egal ob Mann oder Frau, haben sollte.
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