Herr Kollhorst, hilft Ihnen der zunehmende Gesundheitstrend dabei, potenzielle Mitarbeiter und Kunden auf die TK aufmerksam zu machen?
BRUNO KOLLHORST: Müsste er eigentlich, tut er auch manchmal – wie schon einige Influencer-Kampagnen gezeigt haben. Wir können aber nicht einfach nur mit dem Thema Ernährung rausgehen und hoffen, dass uns alle toll finden. Vielmehr müssen wir über Inhalte kommen und den Menschen erklären, warum sie sich besser fühlen, wenn sie sich gesund ernähren. Wir müssen auf Augenhöhe Hinweise geben, wie Menschen ihren Arbeitsalltag gesünder bewerkstelligen können. Das ist eine andere Herangehensweise, als bloß auf eine Leistung hinzuweisen.
Wie lässt sich dieser Ansatz mit der technischen Ausrichtung der TK verbinden?
Gesundheitsbewusstes Leben und digitaler Fortschritt schließen sich nicht aus – im Gegenteil! Wir stellen einerseits eine Art Fortschritts-Euphorie fest, was digitale Entwicklungen angeht. Wir können über clevere Kommunikation auf den einschlägigen Kanälen glänzen oder innovative digitale Produkte wie unsere App entwickeln, die Kunden echte Mehrwerte bietet. Auf der anderen Seite sehen wir, dass wir den digitalen Wandel als Krankenkasse auch begleiten müssen – digitale Gesundheitskompetenz ist hier das Stichwort. Ob das nun Hass im Internet, Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming sind – soziale Medien können auch negative Seiten haben. Deshalb ist es wichtig, Themen aus unterschiedlichen Perspektiven zu adressieren und auch die Marketinginhalte daraufhin anzupassen.
Wie sieht die Kernzielgruppe der TK aus?
Wir unterliegen als Krankenkasse einem Kontrahierungszwang. Das heißt, wir versichern jeden, der sich bei uns versichern lassen möchte. Als Krankenkasse haben wir keine Kernzielgruppe, aber wir sprechen die unterschiedlichen Gruppen gezielt auf den Kanälen an, auf denen wir sie erreichen können.
Können Sie ein Beispiel für die Nutzung Ihrer Social-Kanäle geben?
Im Bereich HR-Marketing setzen wir auf der Content-Ebene beispielsweise sehr stark auf Snapchat. In der Werbung nutzen wir diesen Kanal jedoch noch nicht sehr umfangreich. Wir geben unseren Azubis auf Snapchat die Möglichkeit, unseren Account zu übernehmen und Stories aus ihrem Arbeitsalltag zu posten. Damit können sie zeigen, wie ihre Arbeit hier bei der TK so aussieht.
Ende 2017 haben Sie mit dem Amazon-Alexa-Skill „TK Smart Relax“ eine App zur Entspannung entwickelt. Wie viele Nutzer haben den Skill mittlerweile heruntergeladen – und wie viele Relax-Sessions wurden abgerufen?
Allein in den vergangenen 30 Tagen wurde der Skill über 50.000-mal aktiviert. Wichtiger als die reine Anzahl der Skill-Nutzungen ist für mich aber die Tatsache, dass es viele wiederkehrende Nutzer gab. Das zeigt uns noch mehr, dass Entspannung und Achtsamkeit für viele eine große Rolle spielen.
Nach dem Alexa-Skill haben Sie mit einem Engagement im E-Sports ein weiteres digitales Marketingthema auf Ihre Agenda genommen: Die TK ist seit Juni dieses Jahres Gesundheitspartner der ESL, dem weltgrößten E-Sports-Unternehmen. Sie treten Ende Oktober unter anderem beim Event ESL One in Hamburg im Spiel „Dota 2“ vor Ort auf. Warum machen Sie das?
Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir in dieser Kooperation Gesundheitspartner sind. Das bedeutet, dass wir einen inhaltlichen Beitrag zum Thema Gesundheit liefern möchten. Unser Ziel ist es, Teams und Besucher rund um gesundheitliche Themen wie die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit zu informieren. E-Sportler müssen sehr gesundheitsbewusst leben, um erfolgreich zu sein und Leistung auf den Punkt bringen zu können. Diese Haltung, dass es auf eine Balance zwischen mentalen und physischen Fähigkeiten ankommt, wollen wir auf den E-Sport-Events vermitteln. Zusätzlich zum ESL-Engagement ist die TK auch Gesundheitspartner der Uniliga beziehungsweise dem Studenten-Start-up University eSport Germany. Die TK will so die studentische Zielgruppe erreichen und neben den Profis der ESL auch die Amateure und Pros von morgen ansprechen.
Werden Sie perspektivisch auch E-Sports-Teams als Partner unterstützen?
Im ersten Schritt haben wir uns bewusst für ein Engagement bei der Dachorganisation sowie im Gaming-Bereich entschieden, um eine möglichst breite Ansprache zu erreichen. Wenn wir allerdings im Laufe unserer Engagements feststellen, dass wir ein Team brauchen, das als Vorbild voran geht, dann will ich auch eine entsprechende Partnerschaft nicht ausschließen. Aber das ist momentan noch Zukunftsmusik.
Begriffe wie „Multiplayer Online Battle Arena“ und Profiteam-Namen wie „Ninjas in Pyjamas“ sind weit weg vom Fachjargon eines Versicherungsunternehmens. Wie fand Ihr Vorstand die Idee, als Marke in die Bereiche E-Sports- und Gaming zu gehen?
Wir mussten keine große Überzeugungsarbeit für die Themen E-Sports und Gaming leisten. Computerspiele gehören mittlerweile zur Alltagskultur, da ist es nur konsequent, dass wir uns als Krankenkasse auch in diesem Lebensbereich für ein gesundheitsbewusstes Verhalten einsetzen. Die TK ist im Gaming ja auch nicht gänzlich neu. Wir waren schon vor über zehn Jahren in diesem Umfeld aktiv, etwa 2007 bei der Gamescom in Leipzig, als wir Deutschlands fittesten Gamer gesucht haben.
Sie glauben, dass mittlerweile jeder spielt?
Fragen Sie willkürlich die Kollegen in Ihrem Unternehmen, ob sie Gamer sind, dann wird die Antwort höchstwahrscheinlich eher „Nein“ lauten. Fragen Sie aber, ob sie Candycrush spielen, sagen die gleichen Kollegen womöglich: „Ja klar.“ Wir wollen das Unternehmen sein, das Gamern dabei hilft, ihr Hobby gesund und mit Bedacht zu betreiben. Dazu gehört, dass Nutzer Medienkompetenz besitzen und sich bewusst machen, dass es wichtig ist, Ausgleich zu schaffen und Gaming nicht zum kompletten Lebensinhalt zu machen.
Die TK setzt seit Jahren auch auf verschiedene Plattformen im klassischen Profisport. So ist die TK unter anderem seit Anfang 2015 Gesundheitspartner des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli und seit 2018 Titelpartner der Techniker Beach Tour im Beachvolleyball. Wie unterscheiden sich die Engagements im Profisport voneinander?
Wenn eine Krankenkasse sich im Sport engagiert, ist bei vielen Menschen sofort eine Brücke im Kopf vorhanden: Sport, Gesundheit, Krankenkasse – das passt. Zudem lässt sich eine Marke bei Sportevents erlebbarer darstellen, als zum Beispiel mit einer Printanzeige.
Warum investieren Sie vergleichsweise wenig in den Profifußball?
Profifußball war lange Zeit für uns gut geeignet, um eine breite Bevölkerungsschicht anzusprechen. Inzwischen setzen wir jedoch vermehrt auf Inhalte. Uns ist es wichtig, nicht nur unser Logo zu platzieren, sondern gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern. Das ist beim Volleyball einfacher als bei den meisten Fußballclubs. Denn bei einem Fußballbundesligisten sind sie als Werbepartner häufig nur einer von vielen. Das führt dazu, dass Sie als Marke mitunter darum ringen müssen, Botschaften aufmerksamkeitsstark im Vereinsumfeld zu platzieren.
Vita: Bruno Kollhorst
Bruno Kollhorst (47) arbeitet seit über 17 Jahren bei Die Techniker (TK). Bei der Krankenkasse war er unter anderem von 2002 bis 2006 als Leiter Internet sowie von 2011 bis 2016 als Leiter Social Media tätig. Seit 2018 leitet der gebürtige Münchner die Abteilung Werbung und HR-Marketing. Vor seiner Zeit bei der TK arbeitete Kollhorst unter anderem als Director Portal Services bei der der Meta Group (heute: Gartner Group) sowie als Manager Internet Competence Center bei Atos Origin.
Infos: Die Techniker (TK)
Hauptsitz: Hamburg
Gründungsjahr: 1884
Anzahl Mitarbeiter: 13.792
Vorstandsvorsitzender: Dr. Jens Baas
Stv. Vorstandsvorsitzender: Thomas Ballast
Mitglied des Vorstands: Karen Walkenhorst
Marketing-Verantwortung:
- Andreas Bündert, Geschäftsbereichsleiter Marke und Marketing
- Niels Möllgaard, Fachbereichsleiter Markenkommunkation und Inhouseagentur
- Bruno Kollhorst, Teamleiter Werbung und HR-Marketing
Privatkunden: 10,4 Mio.
- zahlende Mitglieder: 7,9 Mio.
- beitragsfrei versicherte Angehörige: 2,5 Mio.
Firmenkunden: 0,8 Mio.
Anzahl Kunden gesamt: 11,2 Mio.
Versicherungsetat 2019: 37,9 Mrd. Euro
- Krankenversicherung: 29,3 Mrd. Euro
- Pflegeversicherung: 6,8 Mrd. Euro
- Arbeitgeberaufwendungsausgleichsgesetz: 1,8 Mrd. Euro
Rechnungsergebnis 2018: 486 Mio. Euro
Ein ausführliches Interview mit Bruno Kollhorst über die Marketingausrichtung der TK lesen Sie in der Anfang Oktober erscheinenden Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können.