Von Nils Jacobsen
Der Mann mit „dem besten Geschmack der Welt“ (Tim Cook über Jony Ive) wird in Cupertino noch ein Stück mächtiger: In der Nacht zum Dienstag beförderte CEO Tim Cook Jony Ive zu Apples „Chief Design Officer“, nachdem der Brite erst vor zweieinhalb Jahren zum „Senior Vice President of Design“ aufgestiegen auf.
Der vermeintlich minimale Unterschied in der Job-Beschreibung ist doch ein großer im Arbeitsalltag: Jony Ive wird künftig nicht nur wie bisher die großen Design-Entscheidungen im Hardware- (Design der iPhones, iPads, Mac und der Apple Watch) und Software-Bereich (Design der Betriebssysteme iOS und Mac OS X) treffen, sondern auch bei übergeordneten Projekten wie dem neuen Apple Campus und dem kommenden Redesign der Apples Stores.
Noch mehr Gewicht bei Apple: Jony Ive verantwortet auch Design des neuen Campus und der Apple Stores
In anderen Worten: Die Art und Weise, wie Apple sich und seine Produkte der Welt zeigt, wird künftig in vollem Umfang von Jony Ive entschieden.
Der Schritt ist bereits der zweite Aufstieg des Steve Jobs-Vertrauten („Wenn ich einen spirituellen Partner bei Apple habe, ist es Jony“) nach dem Tod seines Mentors. Im Oktober 2012 vertraute Tim Cook nach der Trennung vom iOS-Chef Scott Forstall Ive bereits die Interface-Neugestaltung von Apples mobilem Betriebssystem an.
Die abermals steigende Verantwortung in Cupertino fordert gleichzeitig ihren Tribut im Tagesgeschäft. So wird Ive von der Last des administrativen Arbeitsalltags befreit und übergibt die Verwaltung der Industrial Design- und User Interface Design-Unit an die langjährigen Weggefährten Richard Howarth (Hardware Design) und Alan Dye (Software Design).
Am Rande der Kräfte nach Apple Watch-Entwicklung
Wie sehr den medienscheuen 48-jährigen Briten, der bereits seit 1992 bei Apple arbeitet, der Spagat zwischen bahnbrechenden Design-Innovationen und der Verantwortung des operativen Geschäfts zuletzt aufgerieben hatte, wurde am Rande des Apple Watch-Launches deutlich.
In bislang ungewohnter Offenheit bekannte Ive, dass die Herstellung des neuen Apple-Produkts „extrem herausfordernd“ gewesen sei – so herausfordernd, dass Ive die Entwicklung als Prozess beschrieb, der „demütig“ gemacht habe und „viel komplexer“ gewesen sei als die Kreation des iPhones.
Im ausführlichen Porträt im New Yorker ließ Ive vor einigen Monaten zudem durchblicken, dass ihn die Entstehung der Apple Watch an den Rand seiner Kräfte gebracht hatte: „Das vergangene Jahr war das schwierigste, seit ich bei Apple bin“, bekannte Ive, der 2014 entkräftet an einer Lungenentzündung erkrankte. Die neue Rolle bei Apple dürfte also auch als Maßnahme von Tim Cook zu verstehen sein, seinen mutmaßlich wichtigsten Mann nicht weiter im Feuer des Alltaggeschäfts zu verheizen.