Frau Onaran, was hat Brandbuilding mit Diversität zu tun?
TIJEN ONARAN: Wenn Unternehmen eine starke Marke aufbauen wollen, brauchen sie ein Team mit Perspektivenvielfalt. Sonst gelingt es ihnen nicht, eine gemischte Zielgruppe zu erreichen. Es müssen Leute an einen Tisch, die Diversität in allen Facetten spiegeln, nicht nur beim Geschlecht.
Menschen identifizieren sich mit den Gesichtern, die für Marken stehen. Wenn eine Kampagne nur eine Hautfarbe, nur ein Geschlecht, nur eine Identität abbildet, fühlen sich viele nicht angesprochen – auch im Kontext von Employer Branding. Junge Leute wollen dort arbeiten, wo sie sich zugehörig fühlen.
Eines Ihrer Lieblingsthemen ist Personal Branding. Ist der Aufbau einer professionellen Eigenmarke für Frauen schwieriger als für Männer?
Ja, weil die Außenperspektive eine andere ist. Wenn Frauen sichtbar werden, spielen sofort Kategorien eine Rolle wie: Trägt sie hohe Schuhe? Hat ihr Lippenstift die richtige Farbe? Sind die Haare frisch gewaschen? Fragen, die man bei einem Mann nicht stellen würde. Studien belegen, wie unterschiedlich Topmanagerinnen und Topmanager wahrgenommen und in Interviews befragt werden. Bei Männern geht es um ihre Vision und um Zahlen und Fakten. Bei Frauen um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und wem sie ihre Karriere verdanken. Das nimmt Frauen verständlicherweise die Lust, sich zu positionieren. Viele schreiben mir, Tijen, ich finde es super, wie du das machst, aber ich könnte das nicht. Für mich ist das ein Ansporn. Ich will zeigen, dass es einen Weg gibt, sich inhaltlich zu inszenieren. Und trotzdem Lippenstift zu tragen.
Auch Sie haben sehr unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Als Kandidatin für die FDP, da waren Sie gerade 20 Jahre alt, wurden Sie positioniert als „Junge Studentin mit Migrationshintergrund, die die Themen Bildung und Integration besetzt“. Was war falsch daran?
Dass es nicht meine eigene Entscheidung war. Andere haben meine Geschichte erzählt. Das war auch mein Verschulden, weil ich mich vorher damit nicht auseinandergesetzt hatte. Und so wurde ich ständig mit Fragen konfrontiert, die für mich nie eine Rolle gespielt haben: Wie stehst du zum Islam, Kopftuch ja oder nein? Nach dem Wahlkampf habe ich gesagt. In so eine Situation möchte ich nie wieder kommen. Ich will selbst entscheiden, wofür ich stehe.
Ein Rebranding sozusagen. Wie haben Sie das angepackt?
Nach dem Ausschlussprinzip. Ich wollte immer Expertin für ein Thema sein, das ich glaubwürdig vertreten kann, weil ich inhaltlich stark darin bin. Und das sind sicherlich nicht Islamwissenschaften. Beim Thema Vielfalt bin ich gelandet, weil ich dort ein Defizit festgestellt habe. Es gibt zwar tolle Organisationen, die Leuten wie mir Türen öffnen, aber es gab eine Lücke zwischen Diversität und Wirtschaft. Die wollte ich besetzen, auch weil ich da einen großen Hebel für Veränderungen sehe.
Was betrachten Sie heute als Ihren Markenkern?
Ich stehe für das Thema Vielfalt, aber nicht in der Empörungsvariante, sondern aus unternehmerischer Sicht: Welchen Mehrwert bringt Diversität? Wenn Leute sagen würden, Tijen ist die Diversity-Flüsterin von CEOs, fände ich das toll.
Sie haben bereits unglaublich viel gemacht: Wahlkämpferin, Angestellte im Bundespräsidialamt, Aktivistin, Lobbyistin, Fakultätsmitglied einer Hochschule, Influencerin, Unternehmerin, Investorin… Ist das nicht hinderlich für ein klares Markenprofil?
Ja, aber dieser Kosmos ist genau das, was mich ausmacht. Und wenn man genauer hinsieht, ein großes Ganzes. Was mich antreibt, ist generell Veränderung, und über allem steht Vielfalt. Menschen, die mit dem Thema Sichtbarkeit anfangen, würde ich aber immer raten, sich auf ein oder zwei Dinge zu fokussieren.
Autorin sind Sie auch. Ihr Ratgeber „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ verkauft sich besser als die meisten Fachbücher. Warum?
Ich habe mir vorher angesehen, was es gab, und fand in erster Linie Bücher aus der Vertriebsecke: Wie musst du dich aufstellen, um ein Produkt zu verkaufen? Ich habe einen anderen Zugang, bei mir geht es darum, sich mit einem Thema zu positionieren. Wenn das dazu führt, dass ich mein Produkt glaubwürdiger verkaufe, um so besser.
In Verbindung mit meiner persönlichen Geschichte hat das sicher zum Erfolg des Buches beigetragen. Es hat ein hohes Identifikationspotenzial. Ich hoffe, dass Leute sagen, die ist nahbar, die verstehe ich, da kann ich auch mal lachen. Ich will nicht perfekt sein. Perfektion in der Positionierung wäre das Schlimmste.
Professionelle Eigenvermarktung kann anstrengend sein. Verstehen Sie, wenn Leute sagen, das tue ich mir nicht an?
Ja, es ist anstrengend, es ist Arbeit, und es dauert lange, bis man eine starke Marke oder Expertenstatus aufgebaut hat. Ich kann verstehen, wenn Menschen das nicht wollen. Sie sollten sich nur klar darüber sein, dass es Fremdwahrnehmung immer gibt. Tatsächlich geht es also um die Frage, ob ich sie mit prägen möchte – und zwar in einer Weise, die mir liegt.
Wenn Sie anderen drei Tipps geben sollten fürs Personal Branding, wären das…?
Sich der eigenen Talente und Kompetenzen bewusst werden. Das klingt profan, ist aber gar nicht so einfach. Es hilft, drei bis fünf Leute zu fragen, die einem wohlgesonnen sind: Wenn du meinen Namen hörst, was kommt dir in den Sinn? Wo sich Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung überschneiden, liegt der Markenkern. Dann gilt es zu entscheiden, ob man sich damit positionieren will oder nicht. Letzter Punkt: Genau überlegen, wer ist meine Zielgruppe und wie kann ich sie erreichen? Es muss nicht immer ein Social-Media-Kanal sein. Auch ein persönlicher Kreis von Leuten kann meinen Namen weitertragen.
Wenn Sie Königin von Deutschland wären: Was würden Sie anordnen, um Diversität zu fördern?
Ich würde in jeden CEO-Vertrag eine Klausel aufnehmen lassen, dass der CEO an den Zielen von Diversität gemessen wird und sein Gehalt und seine Bonus-Ausschüttung davon abhängen. Dann würde sich schnell etwas verändern!