Vor gut einem Jahr entstand Territory durch den Zusammenschluss mehrerer Gesellschaften. Gemessen am Umsatz war das Unternehmen vom Start weg die Nummer eins im deutschen Content Marketing. Wie sieht Ihre Strategie aus?
Soheil Dastyari: Wir sind nicht angetreten, um den Vorsprung zu verwalten, sondern ihn sukzessive auszubauen. Territory ist der Zusammenschluss wachsender Einheiten in Wachstumsmärkten, die alle das Thema Content verbindet. Dadurch haben wir ein völlig neues, atypisches Leistungsportfolio geschaffen, eine neue Art von Full Service Agentur für Content Communication.
Was ist der Vorteil dabei?
Territory bietet Leistungen in einer auf dem Markt einzigartigen Kombination an. Dazu gehören trnd, Europas größte Word of Mouth-Plattform, die Digital-Experten der Territory Webguerillas, und die auf Performance-Media spezialisierte Mediaagentur Territory Media. Mit Territory Embrace haben wir den Marktführer im Bereich Employer Branding und Talent Platforms – zu denen Seiten wie ausbildung.de und meine-uni.de gehören – und wir haben das klassische Content-Marketing-Geschäft sowie Honey, die unser Portfolio in Richtung des klassischen Werbemarktes abrundet.
Wenn man eine so große Fusion betreibt, wie die zwischen der Medienfabrik von Bertelsmann und den Gruner + Jahr Corporate Editors, aus denen Territory hervorgegangen ist, ist das eine gewaltige Herausforderung. Wie weit sind Sie im Integrationsprozess gekommen?
Es läuft deutlich besser und schneller, als ich es erwartet habe. Immerhin galt es, fünf Agenturen und 1.000 Kolleginnen und Kollegen unter einer neuen Marke zu vereinen. Allein in formaler Hinsicht eine anstrengende Situation, sieht man sich Themen wie technische Infrastruktur und Immobilien an. Geholfen hat der Kerngedanke der Neugründung: Die Einheiten passen perfekt zusammen, ihre Leistungen ergänzen sich wahnsinnig gut. All das ist ein Vorteil für den Kunden und ermöglicht auch uns Chancen. Sei es bei gemeinsamen Pitches, im Cross- oder Upselling. Diese Grundidee ist in jeder Hinsicht aufgegangen. Unser Job ist es nun, die Zusammenarbeit so einfach und effizient wie möglich zu machen.
Wie hat sich das Unternehmen in Zahlen entwickelt?
Der Integrationsprozess auf der Arbeitsebene ergibt sich aus den deutlich umfänglicheren Briefings und Aufträgen, die die Gründung von Territory erst ermöglicht hat. Davon profitieren alle Beteiligten. So konnten wir unsere Pitchgewinn-Quote auf knapp 50% steigern und werden 2017 deutlich wachsen. Inzwischen betreuen wir 29 der deutschen DAX 30-Konzerne. Durch all dies sehen wir uns in unserer strategischen Entscheidung voll und ganz bestätigt.
Meinem Eindruck geht es im Feld der CP-Dienstleister in letzter Zeit zu wie in der Bundesliga: Die großen Player definieren sich vor allem über den Wettbewerb untereinander.
Wir sehen uns nicht im Feld der CP-Dienstleister, sondern im Kontext aller Kommunikationsagenturen. Das zeigt sich allein daran, wie viele PR- und Werbeagenturen sich auf ihren Startseiten als Content-Agenturen bezeichnen. Mit 150 Millionen Euro Jahresumsatz und etwas über 1.000 Mitarbeiter sind wir der größte Player im Content-Markt. Und wenn man die deutschen Kommunikationsagenturen betrachtet, sind wir auf Platz zwei, nach Serviceplan und vor Jung von Matt, was den Umsatz angeht. Wir sehen uns aber nicht nur aufgrund der schieren Größe als Marktführer, sondern auch aus inhaltlichen Argumenten, weil wir auch mehr anzubieten haben, gerade was die Kombination aus Media, Kreativleistungen und Distributionsmöglichkeiten angeht. Diese Kombination ist einzigartig am Markt.
Welche Vorteile hat dabei der Kunde, was glaubt Territory besser zu machen als die Wettbewerber?
Wir decken Bereiche aus einer Hand und in einer Qualität ab wie kein anderer in der Kommunikation. Mit Einheiten, die in ihren Teilmärkten hochspezialisiert sind, die zugleich aber in Territory eingebettet sind. Wenn jemand zum Beispiel Bewegtbild-Content braucht, haben wir dafür sofort Kapazitäten vor Ort und können in unseren eigenen Studios produzieren. Möchte ein Kunde eine Social-Media-Campaign, dann reden wir mit den Webguerillas, und die können das machen. Wir können in allen Facetten des Kommunikationsgeschäft agil sein und auf neue Situationen reagieren. Diese Verbindung aus Groß und Klein, aus Spezialist und Generalist, die ist für den Kunden perfekt, weil sie sich dessen Bedürfnissen anpassen kann. Und der Kunde hat die Möglichkeit, seine Komplexität zu reduzieren, indem er mit uns arbeitet.
Die Dienstleistungen rund ums Corporate Publishing und Content Marketing werden immer technischer. Die Übernahme der Webguerillas ist dabei für Territory eine strategische Investition. Wie soll sich das im Verbund entwickeln?
Mit der Dominanz der digitalen Medien hat sich vielerlei verändert: Es gibt immer mehr Content-Anlässe, weil es immer mehr Consumer Touchpoints gibt. Unternehmen müssen also immer mehr relevanten Content erstellen, distribuieren und messen. Wir helfen Unternehmen, diese Komplexität zu reduzieren. Unsere Digital-Pure-Player, die Webguerillas und trnd, ergänzen unser Angebot durch ihr Technologie-Know-how. Damit bilden wir das gesamte Spektrum ab: von Konzeption, Kreation über Prozessoptimierung und Distribution bis zur Vermarktung. Das macht uns zum idealen Partner für den Kunden.
Wenn es für Territory so blendend aussieht, wie sind denn die Perspektiven für die gesamte CP-Branche?
Content Communication wird weiter wachsen, weil die ganze Kommunikation sich in diese Richtung verändern wird. Wer heute noch primär in Kampagnen und Flights denkt, wird es schwer haben. Es geht um hochfrequente und zugleich inhaltlich konstante Markeninhalte. Wir helfen Unternehmen, thematische Felder zu definieren und diese für sich zu besetzen. Das ist unser Turf. In der Weise, in der diese Entwicklung stattfindet und Etats zu uns wandern, wird auch dieser Markt wachsen, der eben nicht in Gewerken denkt oder einzelnen Kreativleistungen, sondern eher im Sinne eines ganzheitlichen Content-Managements und einer übergeordneten Strategie.
Wer werden die Verlierer dieser Entwicklung sein?
Der Druck liegt auf denen, die kanalspezifisch und rein in Botschaften und Inszenierungen denken. Die Menschen – und damit auch unsere Kunden – verlangen nach echten, nachvollziehbaren Inhalten, die da sind, wo sie sie suchen und dann zu ihnen kommen, wenn sie sie brauchen. Das zu bedienen setzt voraus, den Konsumenten ernst zu nehmen, nicht in Kanälen oder Kampagnenideen zu denken und Brancheneitelkeiten gegen Kooperationsfreudigkeit eintauschen zu können. Unsere journalistische Heritage, die zunächst am Thema interessiert ist und dann nach dem Aspekt sucht, der neu und relevant ist, scheint mir da die richtige.
Bei Territory ist immer von Content Communication die Rede. Wo liegt eigentlich der Unterschied zum Content Marketing?
Content Marketing ist für uns nur ein Teilbereich der oft missverstanden wird. So ist etwa ein zu lang geratene Werbespots, der viral gut funktioniert, toll, aber sicher allein kein Content Marketing. Wir sehen das Thema viel umfassender. Content Communication ist die weite Klammer, die umfassende Antwort auf das, was der Markt verlangt. Dazu gehören Sales- und Handelsmarketing, Employer Branding, Influencer und Word-of-Mouth-Marketing, aber auch Event-Kommunikation. Inhalte-getriebene Kommunikation, die darauf zielt, Themen zu besetzen, Dialoge zu fördern und die mehrkanalig in unterschiedlichen Kommunikationsformen denkt.
Content Marketing als Begriff wurde ehemals vor allem von KircherBurkhardt – heute Teil von C3 – etabliert und gepusht. Wie sehr ähnelt deren Marktkonzept dem von Territory?
Wenn es um reines Content Marketing geht, stehen wir mit den Kollegen in engem Wettbewerb. Wenn es allerdings darum geht, Unternehmen ganzheitlich zu betreuen – und dazu gehören etwa Distribution Media oder Employer Branding– bieten wir Content-Lösungen so komplett an wie niemand sonst im Markt.
Viele Anbieter, die um einen Job rangeln: Haben sich die klassischen Pitches um Aufträge angesichts der komplexen Anforderungen nicht überlebt? Letztlich geht es ja immer häufiger um langfristige Kundenbeziehungen, bei denen der Content-Partner das Unternehmen durchdringen und verstehen muss.
Absolut. Das glaube ich auch. Es gibt heute Pitches, die sich ewig strecken, um noch eine Runde und noch eine Runde. Das ist nicht besonders effizient. Allerdings hat sich nach meiner Auffassung auch das Pitchverhalten auf Unternehmensseite verändert; es gibt heute Workshops und Meetings, in denen man mehr Zeit hat, mit dem Kunden konzentriert zu arbeiten, statt in einer Laborsituation gefangen zu sein. Der Kunde lernt einen kennen, und darüber kann man punkten. Ich glaube aber auch, dass es ein großes Problem ist, dass viele Pitches nicht von der Fachabteilung motiviert sind, sondern vom Einkauf.
Wo liegt der Unterschied?
Leider geht es auch mal ausschließlich darum, die Kosten des bestehenden Anbieters zu drücken. In solchen Fällen gibt es keine Gewinner, da Tagessätze nicht beliebig nach unten skalierbar sind. Ich hätte da einen Vorschlag für eine neue Regelung: Bleibt ein Unternehmen bei seiner Bestandsagentur, verpflichtet es sich, im Nachhinein ein zusätzliches, üppigeres Pitchhonorar an alle Teilnehmer auszuzahlen.
Bei den gestiegenen Anforderungen des Marktes und der neuen digitalen Kanäle: Wissen die Kunden eigentlich noch, was sie wollen?
Der Kunde weiß sehr wohl, was er will. Allerdings sind die Briefings heutzutage viel offener. Heute heißt es öfter „wir haben folgendes Thema, das wir besetzen, oder folgende Problematik, die wir lösen wollen. Wie können wir dies umsetzen?“ Das ist der moderne Pitch. Allerdings führt er auch dazu, dass wir immer öfter mit unterschiedlichen Agenturen im Pitch sind. Waren wir vor vier, fünf Jahren noch mit anderen Content-Marketing-Agenturen im Pitch, sind wir inzwischen mit PR-Agenturen, Werbeagenturen und Spezialisten anderer Bereiche im Wettbewerb. Das finde ich viel interessanter, weil jeder im Wettbewerb zeigen kann, mit welchen Mitteln er die Aufgabe erfüllen will. Und das ist für Territory sehr vorteilhaft.
Inzwischen treten manche Konzerne als Inhalte-Anbieter auf und vermarkten ihren Content gelegentlich sogar selbst. Werden die Räume für Verlage enger?
Das ist richtig, aber ein Teil der allgemeinen Verdrängung. Es gibt für Unternehmen immer mehr Möglichkeiten zu kommunizieren und auch immer mehr Verpflichtungen. Das führt dazu, dass dabei die Kommunikationstöpfe nicht zwangsläufig größer werden und dass es dadurch zu einer Neuverteilung kommt. Und ja, wir sind Teil dieser Verdrängung. Aber ich glaube auch, dass das ein kleiner Teil ist verglichen mit den Googles und Facebooks dieser Welt. Insofern, glaube ich, liegt das Problem der Verlage an einer anderen Stelle. Ich sehe aber auch nicht, dass das ein Verteilungskampf ist, in dem man nicht bestehen kann, wenn man ein gutes Verlagsgeschäft betreibt. Im Gegenteil: Wenn man es schafft, innovativ auf hohem Niveau unterwegs zu sein, kann man auch einen festen Platz im Marketing-Mix einnehmen.
Jung von Matt macht Wahlkampf für Angela Merkel und nennt die Kanzlerin ein „überlegenes Produkt“: Wie reizvoll wären Mandate von Parteien für Territory? Ist die Politik ein neues Wachstumsfeld für Content Marketing? Und wo liegen die Grenzen?
Die Grenzen liegen im demokratischen Sinn dort, dass man keine Meinungen vertreten würde, die man nicht selbst akzeptiert. Das politische Feld ist für uns nicht neu. Auch wir haben in der Vergangenheit für Parteien gearbeitet. Überall da, wo komplexe Inhalte vermittelt werden müssen und Vermittlungshilfe gut tut, ist Content Communication hervorragend geeignet. Da gibt es zu unserem Leistungsspektrum eine hohe Affinität. Wie wir im US-Wahlkampf gesehen haben, ist die nicht-klassische Form der Kommunikation immer wirksamer. In dem Kontext könnten Content Marketing-Konzepte durchaus eine große Rolle spielen.
Was erwarten Sie, wie sich Ihr Marktumfeld mittelfristig entwickelt?
Unser Marktumfeld ist Marketingkommunikation. Diese ist von immer neuen technischen Möglichkeiten, sich fortwährend verändernden Touch Points und einer zunehmenden Anzahl von KPIs geprägt. Das wird zu einer Konsolidierung im Agenturmarkt führen, weil Leistungsbreite und agile Kapazitäten dadurch immer entscheidender werden. Dabei hilft es als Agenturpartner, inhaltlich getrieben, kooperativ im Geiste und neugierig auf Neues zu sein – insofern bin ich da frohen Mutes.