Wir waren vorgewarnt. Vor zwei Wochen hatten wir einen Erfahrungsbericht von Stephan Randler gelesen, der mit dem neuen Konzept von Emmas Enkel hart ins Gericht geht. Also kamen wir mit leicht hämischer Vorfreude am Rosenbergplatz im Stuttgarter Westen an. Emmas Enkel belegt die Fläche eines ehemaligen Einrichtungs- und Accessoire-Geschäfts, direkt auf einer der Ecken des Platzes und unweit der Bushaltestelle. Er sieht hübsch aus, der kleine Laden, ist in warmes Licht getaucht, hat eine schmucke CI und ein aufgeräumtes, modern eingerichtetes Interieur. Links stehen ein paar Blumensträuße und ein Regal mit einer kleinen Auswahl an Obst und Gemüse. An der Stirnwand ist ein Brot-Regal aufgebaut und rechts stehen zwei Terminals mit Förderbändern zur Abholung der Ware. Außerdem gibt es noch zwei Bestellterminals im Laden.
Die Atmosphäre ist für einen Automatenshop überraschend behaglich. Es gibt ein kleines Kaffee direkt neben dem Eingang, so dass der Laden nicht komplett seelenlos ist. Das war zwar am Testtag geschlossen, dafür präsentierte aber eine Stuttgarter Gin-Manufaktur ihr Produkt und sorgte damit für eine durchweg heiter-gelöste Stimmung.
Positiv fällt auf, dass der Laden über Schilder eben doch ein bisschen kommuniziert. Die handbemalte Schiefertafel mit der Aufschrift „Frisch und lecker“ wirkt, als wäre Emma nur kurz in der Pause. In der „grünen Ecke“ möge man beim Gemüse „zurück zu den Wurzeln“ finden. Beim Obst gibt es das kostenlose Tragenetz, wenn man es nicht mehr braucht, dann möge man es doch einfach zurückbringen. Dadurch, dass die meiste Ware im Lager liegt und nur über App und Terminal zu besichtigen ist, erzielen die Macher einen Flächengewinn. Diesen nutzen sie mit Kleinigkeiten wie der „grünen Ecke“ sinnvoll, um das Kundenerlebnis zu steigern.
Drei Varianten für den Einkauf bei Emma
Es gibt drei Varianten für den Einkauf bei Emma. Möglichkeit eins: Man bestellt in der App und holt die Ware ab. Dazu wird ein von der App generierter QR-Code am Terminal gescannt. Bei uns hat die Warenausgabe etwa ein bis zwei Minuten gedauert. Das fühlt sich am Terminal lang an, aber jeder normale Kaufprozess hätte wohl länger gedauert.
Die zweite Bestellvariante gilt für die Frischware vor Ort. Man scannt den QR-Code bei den Laugenbrötchen, wählt die Stückzahl aus und beendet dann die Bestellung. Soweit die Theorie. Aber hier hat Stephan Randler recht: Es existiert noch ein klarer Fehler in der Benutzerführung, denn Brötchen und Äpfel kann ich theoretisch auch von zuhause aus bestellen, ohne zu wissen, ob überhaupt noch welche da sind. Wenn man das in der App tut, startet ohne weitere Erklärung die Kamera. Wir hielten das für einen Softwarefehler, tatsächlich ist es der dezente Hinweis darauf, dass man jetzt einen QR-Code zu scannen hat.
„Wir wissen, dass wir noch nicht bei 100 Prozent sind“, antwortet Gerald Schönbucher, der CEO von Real Digital, auf Nachfrage. Man habe weniger als vier Monate von der Idee zur Umsetzung gebraucht. „Wir haben uns dazu entschieden live zu gehen, obwohl wir wussten, dass es da noch eine ganze Reihe von Themen gibt, die wir verbessern müssen“, so Schönbucher weiter.
Als dritte Bestellmöglichkeit steht direkt das Terminal zur Verfügung. Hier darf man leider nicht mit Paypal bezahlen, aber Kreditkarte und EC-Karte funktionieren. „Paypal am POS braucht man Stand heute nicht dringend“, sagt der Digitalchef.
Kleines Sortiment und hohe Preise
Technisch betrachtet funktioniert das Konzept. Aber unsere größten Kritikpunkte sind das zu kleine Sortiment mit bis zu 500 Artikelvarianten und die Tankstellen-Preise. Tatsächlich ist das aber genau der Kern des Konzepts: „Am Feiertag, wenn der Wettbewerb geschlossen hat, machen wir die meisten Umsätze“, sagt Schönbucher. Da lassen sich eben auch höhere Preise durchsetzen. Den Vergleich mit den Tankstellen mag er aber nicht gelten lassen: „Bei der Tankstelle findet man nicht viele nachhaltige Produkte.“
Das stimmt nur bedingt. Obst und frisch aufgebackene Brötchen gibt es an Tankstellen längst. Die Nachhaltigkeit von Nespresso-Kapseln und Rügenwalder Teewurst hält sich in Grenzen. Aber das Lokalkolorit kann man dem Sortiment nicht absprechen, auch wenn selbst der fast verhungernde Urban-Schwabe mit dem Fertiggericht „Linsen mit Spätzle“ seine Mühe haben dürfte.
Fakt ist: Für den Notkauf am Sonntag funktioniert Emmas Enkel genauso gut wie die Tankstelle oder ein Kiosk. „Berlin mit seiner Späti-Kultur wäre nicht die erste Wahl“, antwortet Schönbucher auf die Frage nach dem nächsten Standort. In Stuttgart soll eine weitere Automaten-Filiale eröffnet werden, wenn man einen guten Standort findet. „Wir sind auch getrieben von Themen, die uns wirtschaftlich helfen“, sagt Schönbucher. Zwei Filialen in einer Stadt würden sich gut bei den Logistikkosten machen.