Von Franz-Rudolf Esch
Enorme Summen wurden in mehr als 50 eigens produzierte Spots investiert – durchschnittlich kosteten 30 Sekunden rekordverdächtige 3,5 Millionen Euro. Das ist rund 100 Mal so viel wie vor der bundesdeutschen Tagesschau. Allein 14 dieser Spots kommen von Automobilherstellern – von denen fehlten nur Mercedes-Benz und BMW. Und der von VW-Marketing-Chef Brian Thomas so bezeichnete „Social Media Blitz“ startete schon Wochen vor dem Event. Allerdings reichte bisher keiner der Spots an die enorme Clickrate des VW-Spots von „Darth Vader“ aus dem Jahr 2011 heran – über 50 Millionen Youtube-Nutzer hatten ihn gesehen.
Was wollen die Automobilhersteller durch diesen massiven Einsatz von Mensch und Material für ihre Marke erreichen? Ist das Engagement ein Muss oder doch eher ein Vabanque-Spiel mit Millionen? Wird das Mindestziel der Bekanntheitssteigerung der Marke erreicht? Wird das Markenimage hinreichend gestärkt? – Betrachtet man die Spots der Automobilhersteller genauer, so zeigt sich: Die Marke und ihre Botschaft werden zunehmend nebensächlich, der Unterhaltungswert rückt immer mehr in den Vordergrund. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, zumal es beim Super Bowl in erster Linie um Unterhaltung geht. Kritisch wird es, wenn trotz millionenschwerer Werbeinvestitionen nicht auf das Konto der Marke eingezahlt wird. Die Chance, etwas für die Marke zu tun, wird dann leichtfertig vertan.
Volkswagen bleibt seinem erfolgreichen Thema „Star Wars“ treu. Der Teaserspot „The bark side“ versucht den Link zwischen dem Vorjahresthema Star Wars einerseits und dem eigentlich Spot „The dog strikes back“ zu schaffen. So ganz deutlich wird jedoch nicht, was die bellenden Hunde im Teaserspot mit dem Abspann des eigentlichen Spots in einer Bar der Star Wars-Zukunft zu tun haben. VW setzt voll auf das Hundeschema und gewinnt so die Sympathien der Zuschauer. Kein Wunder, ist der Effekt des „süßen Hundes“ doch wissenschaftlich bewiesen. Die humorvolle Darstellung des trainierenden und immer schlanker werdenden Hundes sorgt für ein Schmunzeln beim Zuschauer. Der Transfer zum New Beetle wird dahingehend sichtbar, dass dieses Modell bereits im vergangenen Jahr beworben wurde. „Back and better than ever“ – wie der all-new Beetle so der Hund. VW zeigt sich hier sehr selbstkritisch, wirkte der alte New Beetle aus Kundensicht doch zu pummelig und wenig dynamisch. Letztes Jahr Kindchenschema, dieses Jahr Hundeschema. Die Ansprache der Zuschauer funktioniert: Bereits zwölf Stunden nach dem Finale haben über 4,7 Millionen Menschen den Spot auf Youtube schon gesehen, über 18 000 „liken“ ihn bereits.
Der Link zur Markenpositionierung wird nur durch den Slogan “That’s the Power of German Engineering – Das Auto“ ersichtlich, die Made-in-Germany-Karte wird ausgespielt. Warum allerdings nicht neue Modelle wie der Jetta Hybrid als Antwort auf den Toyota Prius und die Elektromarken Tesla und Fisker beworben werden, erschließt sich nicht. Auch wenn das Thema „Sportlichkeit“ besser zum Super Bowl passt – die Chance, die Marke VW als nachhaltig und umweltfreundlich aufzuladen, wird vertan. Auch der Slogan „The Power of German Engineering“ wäre mit diesem Modell um einiges besser repräsentiert als mit dem all-new Beetle. Apropos Hundeschema: Auch Suzuki bedient sich dieser Technik und lässt die Schlittenhunde eines Eskimos kurzerhand im neuen Modell Kizashi Platz nehmen, da der Schlitten mangels Motor ausrangiert wurde.
Die ebenfalls zum Megaevent werbende Marke Audi zeigt erstmals einen neuen Claim. Wurde bis vor kurzem auch in den USA mit „Vorsprung durch Technik“ geworben, so kommt seit 2008 der Claim „Truth in Engineering“ zum Zuge. Inwieweit eine hinreichende Abgrenzung zu „German Engineering“ im VW Spot beim Zuschauer erzielt wird, bleibt abzuwarten. Zumal VW seinem „Das Auto“ weiterhin treu bleibt. Eine konsequente Positionierung und ein kontinuierliches Erlernen des Claims werden dadurch erschwert. Konsequente Markenführung ist das nicht. Auch die eigentliche Werbebotschaft von Audi könnte noch werbewirksamer gewählt sein. Das an sich sehr attraktive A7 Cross-Over Modell ist kaum als solches zu identifizieren, zu ähnlich sind sich mittlerweile die Audi-Gesichter – wie auch die Brand Excellence Studie des AIM schon konstatierte.
Ob die im Spot beworbene LED-Daylight-Technologie Besserung verschafft, darf kritisch betrachtet werden. Auch die in den Startlöchern stehenden Hybridmodelle von A8 und Q5 werden nicht beworben, statt dessen müssen die neuen LED-Scheinwerfer nach dem weitgehend überstrapazierten Jugendkult eine Party von True-Blood trinkenden Vampiren ungewollt eliminieren – wohlgemerkt vom Vampir-Audifahrer selbst. Die Botschaft dahinter: „Diese Technologie bitte nur nutzen, wenn du damit auch sinnvoll umgehen kannst. Sonst verschlingt sie dich selbst auch noch.“ Auf amüsante Weise soll „Vorsprung durch Technik“ vermittelt werden – aber dieser Humor trifft eventuell nicht alle Geschmäcker. Der ein oder andere Zuschauer wird sicherlich kein Fan von Vampiren sein. Auch wenn Schemata eine sicherere Alternative zur erfolgreichen Kundenansprache sind: Die Zahlen sprechen auch für den Audi-Spot. Bereits über 4,5 Millionen mal auf Youtube gesehen und von über 9 500 Usern positiv bewertet.
Mit der technologischen Kompetenz wirbt Chevrolet anhand einer amüsanten ET-Anspielung: Aliens brechen bereits zum dritten Mal in einer Woche in eine Chevrolet Volt-Garage ein, um diesem sein technisches Geheimnis zu entlocken. Der genervte Besitzer erklärt nachts erneut, wie das Konzept – Kombination aus Elektroantrieb und Benzinmotor – funktioniert. Ein guter Ansatz, der die Marke über das Produkt Volt nachhaltig stärkt. Auch wenn die Anzahl der Klicks und Likes auf Youtube bei weitem nicht an die Spots der deutschen Konkurrenz herankommen.
Honda und dessen Edelmarke Acura setzen in ihren Spots weitgehend auf Celebrities. Die Jagd auf den neuen Acura NSX – einem äußerst schnittigen Sportwagen – gewinnt am Ende dann doch wieder der amerikanische Autonarr Jay Leno. Auch wenn sehr platter Humor verwendet und der Bezug zum Auto nur am Anfang hergestellt wird – für die Ankündigung eines Verkaufsstarts wird die Klammer, bestehend aus amerikanischem Autosammler und neuem Sportwagen, deutlich. Chevrolet lässt in einem von fünf (!) Spots einen jungen High-School-Absolventen schier Amoklaufen vor Freude über einen sportlichen Camaro, den er dann aber doch nicht von seinen Eltern geschenkt bekommen hat. Zielsicher wurde hier die männliche, jugendliche, autoaffine Zielgruppe getroffen. Cadillac wirbt mittels vergleichender Werbung in Bezug auf den 3er BMW mit der „Grünen Holle Nürburgring“, wohl um vom Label „Made/Engineered in Germany“ zu profitieren. Ein interessanter Ansatz, um Positionierungsinhalte zu transferieren. Dieser bleibt jedoch zum Scheitern verurteilt, da die deutschen Marken dieses Terrain naturgemäß innehaben. Ein auf der Nordschleife getesteter Cadillac ATS wird so noch lange nicht zum Car made in Germany.
Toyota bewirbt seinen neuen Mittelklassewagen Camry wiederum mit Konnotationen des Wortes „Reinvented“. Leider erschließt sich dem Betrachter nicht, was für Innovationen im Camry zu finden sind. Die im Spot genannten sind so weit hergeholt, dass eine Übertragung auf das Auto nicht in Frage kommt. Hier hätte etwas mehr Konkretisierung geholfen, so bleibt der Kunde mit einem wahrscheinlich leeren Versprechen vor dem Fernseher sitzen. Ebenfalls vergleichend zeigt sich die Chevrolet mit seinen „Pick-up Truck“, das amerikanischste aller Fahrzeugkonzepte. Nach einem fiktiven Weltuntergang nach Maya-Kalender treffen sich drei überlebende Silverado-Fahrer, nur um zu bedauern, dass ein Freund mit seinem Ford Truck es nicht geschafft habe. Dieses eine Mal habe er statt des Chevis den Ford genommen und diese Wahl mit seinem Leben bezahlt. Dass im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vergleichende Werbung nicht immer gern gesehen wird, zeigt die Reaktion des Konkurrenten: Noch vor dem Event bittet Ford per Anwalt um Rückzug des Spots. Wo bleibt da die amerikanische Sportlichkeit?
Weniger spalterisch als vielmehr bewegend und harmonisierend präsentiert sich Chrysler unmittelbar zur Halbzeit nach Madonnas famoser und aufwendiger Musikshow. In dem Spot „It’s Halftime, America“, nimmt Clint Eastwood das Thema des 2011er Spots mit Eminem auf und ruft Amerikaner vor atmosphärisch dichter Kulisse zu Patriotismus und Kampfgeist auf. Man mag dies als typisch amerikanische Gefühlsduselei abstempeln, aber in Amerika kommt diese Zielgruppenansprache an. Chrysler zeigt sich erneut als ureigene amerikanische Automobilmarke, unabhängig von der Zugehörigkeit zum Fiat Konzern. Im Gegensatz zu den meist anderen Spots ist dieser nicht im Vorfeld auf den Social-Media-Kanälen zeigt worden – das rächt sich: Mit nur wenigen Tausend Views auf Youtube findet der Spot im Nachgang kaum eine Resonanz in den sozialen Netzwerken.
Hier zeigt sich, dass offensichtlich mehr notwendig ist, als ein schöner Spot bei einem großen Event: Die intelligente Vernetzung mit anderen Medien wie dem Internet und das Anwärmen der Themen spielt sicherlich eine wichtige Rolle. Zudem drängt sich die Frage nach der Henne und dem Ei auf, wenn man die Clicks auf die Spots in Youtube betrachtet: Wie viel davon ist den Spots zu verdanken und wie viel dem Image und der Begehrlichkeit der Marken selbst?
Ebenfalls bemerkenswert amerikanisch auf eher althergebrachte Art gibt sich die koreanische Marke Kia, die für den neuen Optima wirbt. Hier werden in einer sehr fantasievollen medialen Mischung von Traumsequenzen (der Sandmann hat zu viel „Traumsand“ gestreut) alle Register gezogen, die den „American Way of Life“ der unendlichen Möglichkeiten abbilden: Sport, Leistung, sexy Mädchen, Autorennen, bester Rock’n Roll der Altrocker Motley Crue. Interpretiert man den Traumsand als Droge, so passt der alte Slogan: „Sex, Drugs and Rock’n Roll“ wie die Faust aufs Auge. So kann man Amerika hellhörig machen. Eine Botschaft über die Marke Kia und wieso diese jetzt so amerikanisch ist, vermisst man hingegen.
Die deutschen Zuschauer konnten nichts von alldem live on Screen erleben – nur eine knappe Zusammenfassung von sechs Spots im Internet samt Voting dazu stellte Sat1 ins Netz – hier führte VW deutlich vor Audi und Kia. Die vom Sender verkaufte Werbezeit konnte man getrost als krasses Gegenteil der amerikanischen Spots erleben. Provinziell und billig wirkte das meiste. Volkswagen ließ einfach in Dauerschleife für die seit langem laufenden Match Sondermodelle werben. Löbliche Ausnahme hier: Audi mit einem neuen, perfekten Quattro-Spot in Englisch, der das US-Original in Sachen Markenbildung locker überflügelt – so kann es auch gehen! Textilhersteller H&M hielt es als einziger Werber für nötig, den US-Spot mit dem entblätterten David Beckham analog im deutschen TV zu präsentieren.
Ob amerikanische oder deutsche Super-Bowl-Werbung: Es gibt noch deutlichen werbetechnischen Nachholbedarf in Sachen Marke. Insbesondere die deutschen Hersteller schaffen einen unglaublichen Bekanntheitsgrad und eine humorvolle Ansprache. Leider wird aber in so gut wie keinem Spot die Positionierung der Marke vermittelt. Schade um manche Werbemillionen, es wäre noch mehr drin gewesen. Aber so wie es beim Super Bowl mehr um die Unterhaltung statt um den eigentlichen Sport geht, so geht es bei der Automobilwerbung auch mehr um Entertainment als um die eigentliche Botschaft.
Braucht Deutschland ebenfalls ein solches Event? Und was für ein Event könnte dies sein? Ein Fußballereignis oder eine andere Sportart, die fasziniert? Aber warum eigentlich? Die Erkenntnisse zum Sponsoring von großen Sportevents wie der Fußball-WM oder der Olympiade zeigen regelmäßig, dass viele Hauptsponsoren zwar viel Geld dafür ausgeben, aber kaum davon profitieren. Die Effektivität und Effizienz der eingesetzten finanziellen Mittel lässt zu wünschen übrig. Es sind eben Einmal-Ereignisse. Erfolgreiche Markenführung hat aber eben viel mit Kontinuität und dem steten Aufbau eines Markenimages zu tun. Triathlon-Fähigkeiten und keine Sprinteigenschaften sind hier gefragt.
Über den Autor:
Prof. Dr. Franz-Rudolf Esch ist Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung (IMK) sowie akademischer Leiter des Automotive Institute for Management (AIM) an der EBS Business School.