Fast jeder südkoreanische Smartphone-Nutzer hat sein Handy mit einem Ring auf der Rückseite versehen. Dieser soll verhindern, dass unbeholfene Nutzer es fallen lassen. Der Ring ist mehr als symbolisch, denn tatsächlich wirkt es so, als seien die Südkoreaner mit ihren Smartphones verheiratet.
Smartphones werden in Südkorea noch viel mehr genutzt als in Deutschland. 95 Prozent der Bevölkerung besitzt ein Gerät. In vielen Coffeeshops in Seoul verbringen Paare bei Verabredungen mehr Zeit damit, auf ihre Bildschirme zu schauen als aufeinander. Smombies werden diese Handyverrückten genannt. Der Begriff leitet sich aus „Smartphone“ und „Zombie“ ab.
Immer mehr Unfälle durch Smombies
Die Folgen gehen weit über mangelnde Romantik bei Dates hinaus. Die südkoreanische Regierung gibt unter Berufung auf Erhebungen von Versicherern an, dass inzwischen jährlich rund 370 Verkehrsunfälle, durch die mindestens zwei Personen erheblich zu Schaden kommen, von Fußgängern verursacht werden, die von Smartphones abgelenkt waren. In dieser Zahl nicht enthalten sind Personen, die beim Durchsehen der neuesten Katzenvideos gegen Laternenpfähle und ähnliches laufen. Damit sind laut der koreanischen Versicherer durch Smartphone verursachte Unfälle die am stärksten wachsende Kategorie von Schadensfällen.
Die Regierung versuchte zunächst, die „Smombie“-Epidemie zu bekämpfen, indem sie Hunderte von Aufklebern in Städten verteilen lies, über die sie die Menschen gebeten hat, hochzuschauen. Diese Strategie zeigte, auch nachdem die Aufkleber durch massive Schilder ersetzt wurden, wenig Wirkung. Anstatt den gesunden Menschenverstand anzusprechen, geht die Regierung nun einen Schritt weiter. Während es in anderen Ländern bereits Nutzungsverbote von Smartphones im Straßenverkehr gibt, setzt Südkorea auf visuelle Reize und Technik.
LED-Lichter und Laserstrahlen machen aufmerksam
Warnsignale wie rote, gelbe und blaue LED-Lichter auf dem Gehweg sowie Laserstrahlen, die von Strommasten projiziert werden und einen Alarm direkt aufs Smartphone senden, sollen die Smombies den Blick vom Smartphone heben lassen. Außerdem sollen Autofahrer über blinkende Lichter vor den abgelenkten Fußgängern gewarnt werden.
Die Maßnahmen haben ihren Preis. Umgerechnet können 12.000 Euro pro Kreuzung für die Installation der Warnsignale anfallen. Sollten die ersten Test in der Stadt Isla, 30 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Seoul, erfolgreich verlaufen, könnten die Systeme landesweit zum Einsatz kommen.
Ampeln im Boden in Tel Aviv und Augsburg
Auch andere Städte und Länder werden kreativ, um mit dem Smartphone-Problem umzugehen: Tel Aviv testet seit kurzem Ampeln am Boden, um die Smombies vor Unfällen zu schützen. Die zusätzlichen LED-Streifen ergänzen herkömmliche Ampeln. Die Stadtverwaltung testet zunächst eine dieser Signalanlagen. Sollte sie sich bewähren, möchte Tel Aviv das System auf die gesamte Stadt ausweiten.
Ideengeber war übrigens die deutsche Stadt Augsburg. Die dortigen Stadtwerke haben schon 2016 an zwei Straßenbahnhaltestellen Bodenampeln installiert. Diese sogenannten Bompeln leuchten auf, wenn sich eine Straßenbahn nähert und die herkömmliche Ampel sich auf Rot schaltet. Honolulu geht noch einen Schritt weiter: Die Hauptstadt von Hawaii hat 2017 ein Anti-Smombie-Gesetz erlassen. Demnach ist es verboten, beim Überqueren einer Straße auf das Smartphone zu schauen. Andernfalls droht eine Geldstrafe von 35 US-Dollar.
Wie ein Land Smombies gezielt für Werbezwecke nutzt, zeigt Litauen. Eigentlich ist in Litauen das Benutzen des Handys im Straßenverkehr für Fußgänger aufgrund des hohen Unfallrisikos verboten. In der Hauptstadt Vilnius gibt es nun aber einen 300 Meter langen Smombies-Gehweg. Hier können sie in Ruhe beim Laufen auf den Bildschirm schauen, ohne andere zu gefährden. Aufgemalte weiße Pfeile weisen den Handynutzern mit dem gesenkten Blick die Richtung. Vilnius will damit seinen Ruf als Technologieweltstadt stärken und die Bedeutung von Programmieren im Alltag hervorheben. Der IT-Sektor in Vilnius will so für Fachkräfte interessanter wirken.