Wenn heute von „gesättigten Märkten“ die Rede ist, so sind in erster Linie Märkte gemeint, deren Blütephase als Innovations- und Wachstumstreiber sich dem Ende zuneigt. Wenn etwa die Entwicklung eines noch etwas leistungsfähigeren Smartphones als „Revolution“ vermarktet wird, offenbart sich die Endlichkeit der in solchen Märkten mobilisierbaren Innovationskräfte. Dass sich heute viele Menschen unter dem Begriff „Innovation“ nicht sehr viel mehr als die Miniaturausgabe oder die Energiesparvariante bereits existierender Dinge vorstellen können, ist ein Indiz dafür, dass wir uns heute in vielen Märkten dem Ende einer Ära nähern.
Innerhalb dieser Märkte langfristig auf neue Wachstumsschübe zu setzen, ist riskant – oft riskanter, als sich auf die Suche nach neuen erfolgversprechenden Märkten und Produkten zu machen. Meines Erachtens nach bieten die Zukunftsforschung sowie das Zukunftsmanagement eine schier unerschöpfliche Fülle an Hinweisen auf Zukunftsmärkte und Zukunftschancen. Wichtig ist, dass man Phasen fehlenden Wachstums nicht als den Anfang vom Ende, sondern als Signale dafür wahrnimmt, dass alte Konzepte überdacht und neue Märkte entwickelt werden müssen.
Das Wachstum in den entwickelten Volkswirtschaften wird künftig an neuen Märkten generiert. Wir nennen dies die Tertiarisierung oder die Quartarisierung der Wirtschaft. Gemeint ist damit der Trend hin zu mehr Wissensarbeit, weg von auf die Produktion materieller Güter fokussierten Wirtschaftszweigen. In Zukunft könnte sogar eine ‚Quintisierung‘ der Wirtschaft, also das Aufleben ‚emotionaler Dienstleistungen‘, ein bedeutender Bereich werden. Damit diese Bereiche expandieren, ist die Sättigung materieller Märkte gewissermaßen eine Grundvoraussetzung. Erst wenn die Bedürfnisse der Menschen, was ‚Dinge‘ anbelangt, im Großen und Ganzen befriedigt sind, werden sie sich mit höheren Bedürfnissen und Motiven befassen.
Es steht außer Frage, dass sich neue, vor allem immaterielle Bedürfnisse entwickeln: Da sich Menschen immer weiterentwickeln wollen, wird es keine Stagnation der Bedürfnisse an sich geben. Im Grunde erhöht schon seit langem nicht der materielle Wohlstand, sondern der immaterielle Wohlstand das Lebensglück der Menschen. Schon heute äußern sich viele dieser neuen Bedürfnisse: Der Wunsch nach Lärmreduktion, nach Vereinfachung technischer Geräte, nach Emissionsfreiheit, nach stärkerer Eigenverantwortung und Barrierefreiheit oder auch nach „Seelenfrieden“ sind Beispiele dafür.
Unternehmen müssen diese stärker werdenden Wünsche und Anforderungen als Chancen erkennen, sich selbst gewissermaßen neu zu erfinden. Voraussetzung dafür ist, dass sich Unternehmen wieder verstärkt als „Wunscherfüller“ und „Bereitsteller erwünschter Wirkungen“ verstehen. Ein auf dieser Basis generiertes Wachstum ist dann in der Tat eines, das auch „glücklicher“ macht und wirklich nachhaltig erzielbar ist. Die Versuche, die volkswirtschaftliche Berechnung von Wohlstand zu verändern und Aspekte von „Glück“ zu integrieren, sind klare Indizien dafür, dass allmählich ein Umdenken in diese Richtung stattfindet.
Wer auf das Anziehen der Konjunktur wartet, wird vergeblich warten. Er wird den Beginn einer neuen Ära verschlafen. Er wird die Chance verpassen, selbst zum Wachstumsmotor zu werden und die eigene Konjunktur zu schaffen.
Über den Autor: Dr. Pero Micic ist Experte für Zukunftsmanagement und Vorstand der in Eltville am Rhein ansässigen Futuremanagementgroup AG.