Studien: Diese Branchen sind Stabilitätsanker in der Krise

Das Coronavirus und die massiven Beschränkungen für das Alltagsleben haben viel Verunsicherung ausgelöst. Das zeigt sich auch in Verbraucherbelangen, wie eine Kantar-Emnid-Umfrage belegt. Zwei weitere aktuelle Untersuchungen von Prognos und IW Consult sehen aber auch Säulen der Stabilität in einer instabilen Lage.
Auch wenn die Schulen geschlossen sind, geht die Bildungsarbeit weiter - dezentral und online. (© Imago)

Die deutsche Wirtschaft steht trotz aller Einschränkungen in der Krise nicht vollständig still. Nach einer Analyse des Instituts Prognos sind verschiedene Branchen momentan kaum oder nicht wesentlich betroffen. „Sie bilden damit das Fundament für Stabilität im aktuellen Ausnahmezustand“, heißt es in der Untersuchung. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten seien dort tätig und die Branchen stünden insgesamt für knapp 40 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland.

Stabilitätsanker sind aus Prognos-Sicht vor allem das Gesundheits- und Sozialwesen, der Bereich öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung sowie Erziehungs- und Unterrichtswesen. Zwar sind die Bildungseinrichtungen in Deutschland geschlossen, die Arbeit gehe aber vielerorts, dezentral und online, unvermindert weiter. Auch im Baugewerbe beobachtet Prognos derzeit noch keine signifikanten Kriseneffekte. Diese Bereiche stehen den Angaben zufolge zusammen für gut 21 Prozent der Bruttowertschöpfung. Fast 30 Prozent der Erwerbstätigen seien dort beschäftigt. Hinzu kämen unter anderem die Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion, der Lebensmittelverkauf, Postleistungen oder IT- und Informationsdienstleistungen.

„Jene Beschäftigten, die für uns alle zurzeit das Alltagsleben möglichst gut aufrechterhalten, haben also nicht nur eine enorm wichtige gesellschaftliche Rolle“, sagte Oliver Ehrentraut, Direktor und Chefvolkswirt von Prognos. Sie seien in ihren Branchen auch von herausragender Bedeutung dafür, „unsere Volkswirtschaft zu stabilisieren und den absehbaren Einbruch der Wirtschaftsleistung in Grenzen zu halten“.

Kurzarbeit kann Wirtschaftseinbruch fast halbieren

Einen großen Beitrag zum Abschwächen der Krise leistet die Arbeitsmarktpolitik: Durch das Instrument der Kurzarbeit wird der von der Corona-Pandemie verursachte Wirtschaftseinbruch einer Auswertung zufolge fast halbiert. In der Vergleichsrechnung von IW Consult, einer Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft, im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) fiel der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Deutschland mit Kurzarbeit um rund 45 Prozent geringer aus als in einem Szenario ohne. Dies belege „eindrücklich die Wirksamkeit der Kurzarbeit“, sagte der vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Das Instrument habe sich bereits während der Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt und werde dies auch in der Corona-Krise tun, sagte Brossardt. Der entscheidende positive Effekt sei „das schnellere Hochfahren der Produktion nach der Krise, weil die Unternehmen ihre Belegschaft halten können.“ In Ländern ohne Kurzarbeit müssten gekündigte Arbeitnehmer nach der Krise erst wieder neu eingestellt werden. „Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld“, sagte Brossardt. Zusätzlich verschaffe die Kurzarbeit den Unternehmen „die dringend benötigte Liquidität zur Überbrückung der Durststrecke“ und reduziere die Gefahr von Insolvenzen. Sie sei „unerlässlich für die Beschäftigungs- und Unternehmenssicherung“.

Bürger in Corona-Krise besorgt bei Geldfragen

Angesichts der Krise machen sich viele Bürger allerdings Gedanken wegen möglicher finanzieller Nachteile. Wucherpreise für vielleicht einmal knappe Waren wie Hygieneartikel besorgen 38 Prozent sehr oder eher stark, wie eine Umfrage des Instituts Kantar Emnid im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) ergab. 33 Prozent der Befragten befürchten stark, dass die private Altersvorsorge an Wert verliert. Die größte Unsicherheit gibt es darüber, wegen fehlender Klinik- oder Arztkapazitäten nicht ausreichend behandelt werden zu können. Dies besorgt 43 Prozent der Befragten stark. Rechnungen, Miete oder Kreditraten nicht mehr bezahlen zu können, treibt 23 Prozent stark um. Starke Sorgen, dass es nicht ausreichend Lebensmittel geben könnte, haben demnach 13 Prozent.

Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband: „Ideen wie Zwangsgutscheine bei abgesagten Reisen gehen in die falsche Richtung.“
© vzbv / Gert Baumbach

Die Mehrzahl der Verbraucher scheine noch nicht übermäßig beunruhigt zu sein, sagt vzbv-Chef Klaus Müller. „Das ist gut, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade gesundheitliche und finanzielle Sorgen viele Menschen umtreiben.“ In der Krise dürften Verbraucherrechte nicht aufgeweicht werden. Wie für Unternehmen brauche es für Verbraucher Angebote, um finanziell über die Runden zu kommen. Dabei mache die Politik gerade vieles richtig, müsse Sorgen der Verbraucher aber ernstnehmen. „Ideen wie Zwangsgutscheine bei abgesagten Reisen gehen in die falsche Richtung“, betonte Müller. Dass sie Geld für ausfallende Reisen, Veranstaltungen oder Kurse nicht wiederbekommen, besorgt laut der Umfrage 26 Prozent der Befragten stark.

Die Verbraucherzentralen berichteten auch von einer ersten Durchsicht von Rückmeldungen auf einem Beschwerde-Portal zur Corona-Krise. Ein großes Ärgernis sind demnach überteuerte Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel, teils kam bestellte Ware gar nicht an. Auch Gutscheine und Stornierungen bei Reisen liefen eher schwerfällig an.

tht/dpa