Der Handel zählt neben dem Hotel- und Gastgewerbe und dem Tourismus zu den am stärksten von den Corona-Einschränkungen betroffenen Branchen. In der Krise zeigt sich, dass digitale Technologien die schwerwiegenden Folgen des Lockdowns zumindest abfedern können. Die Unternehmen sind aufgeschlossen, die Umsetzung lässt allerdings an vielen Stellen zu wünschen übrig, zeigt die Studie „Deutschland lernt KI“ von Bitkom Research im Auftrag des IT-Dienstleisters Tata Consultancy Services (TCS).
Hier die zentralen Erkenntnisse der Untersuchung, die auch für die Marketingbranche relevant sind:
- 86 Prozent der Händler stehen der Digitalisierung aufgeschlossen gegenüber. Das Thema hat gegenüber früheren Erhebungen deutlich an Akzeptanz gewonnen. 2017 lag der Anteil noch bei 63 Prozent.
- Corona wirkt in diesem Bereich als Beschleuniger: 44 Prozent der Unternehmen gaben an, das die Folgen der Epidemie die Digitalisierung ihrer Geschäftsmodelle beschleunigt hat, 26 Prozent verzeichnen eine schnellere Digitalisierung von Geschäftsprozessen.
- Der Handel sieht im Einsatz von KI für sich eine große Innovationschance. 53 Prozent der Handelsunternehmen stehen der Schlüsseltechnologie offen gegenüber
- Während die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien zunimmt, agiert die Mehrzahl der Unternehmen allerdings weiterhin zögerlich beim Einsatz ebenjener Technologien: Die einzig relativ weit verbreiteten Technologien sind die Cloud (81 Prozent) und Big Data / Analytics (50 Prozent).
- Gerade einmal 18 Prozent der Unternehmen setzen bereits KI-basierte Anwendungen ein. Digitale Technologien wie Augmentet und Virtual Reality sind nur bei 16 Prozent der befragten Unternehmen im Einsatz, obwohl die Kunden gerade im Lockdown davon profitieren könnten. Die Bereiche Robotic (sieben Prozent) und Blockchain (fünf Prozent) sind bislang noch weniger verbreitet.
„Gerade in Zeiten des pandemiebedingt eingeschränkten Einzelhandels können virtuelle Garderoben oder Inneneinrichtungen großen Mehrwert liefern“, sagt Andreas Stein, Handels-Experte bei TCS. „Die Unternehmen schöpfen die Möglichkeiten der neuen Technologien noch nicht konsequent genug aus. So führte erst das deutlich eingeschränkte stationäre Geschäft im Handel zu einer Beschleunigung des Ausbaus moderner Online- und Hybridangebote. Positiv ist aber, dass die Unternehmen insgesamt aufgeschlossen sind.“
- Dennoch wird das Potenzial durchaus gesehen: Die Branche erkennt im Einsatz von KI vor allem die Möglichkeit, Innovationen anzustoßen (58 Prozent). 28 Prozent der Unternehmen nennt eine bessere Kundenbindung als Ziel.
- Ähnlich wie andere Branchen steht der Handel allerdings vor der Herausforderung, Fachwissen aufzubauen: 53 Prozent der Unternehmen berichten von fehlender Expertise im eigenen Haus, um die Potenziale von KI voll auszuschöpfen.
Viele Unternehmen zögerten den Einsatz neuer Technologien hinaus, sagt Kay Müller-Jones, Leiter Consulting & Services Integration bei TCS: „Sie stehen an der Seitenlinie und wagen sich nicht aufs Feld. Diese defensive Strategie kann sinnvoll sein, ist jedoch beim Thema Künstliche Intelligenz riskant: KI ist nicht nur irgendein Trend, sondern ein entscheidender Baustein für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.“
Entwicklung über alle Branchen hinweg
Die Studie blick neben dem Handel auch auf andere Branchen wie den Automobilsektor oder das Banken- und Versicherungsgewerbe. Zusammen mit den Ergebnissen früherer Befragungen lassen sich die aktuellen branchenübergreifenden Ergebnisse im Zeitverlauf betrachten. Die folgenden Grafiken zeigen die Entwicklung der Ausgaben für Digitalisierung, die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien und die Existenz von Digital-Einheiten in Unternehmen.
Die gestiegene Aufgeschlossenheit von Unternehmen gegenüber digitalen Themen zeigt sich auch in steigenden Investitionsbudgets: Im vergangenen Jahr haben Unternehmen im Durchschnitt 5,9 Prozent ihres Gesamtumsatzes für die Digitalisierung ausgegeben.
Die höchste Akzeptanz hat das Thema Digitalisierung im Bereich Maschinen- und Anlagenbau: Hier stehen insgesamt 93 Prozent der befragten Unternehmen der Digitalisierung eher aufgeschlossen bis sehr aufgeschlossen gegenüber. Mit 82 Prozent unterdurchschnittlich aufgeschlossen ist die Chemie- und Pharmabranche.
Gestiegen sind außerdem die personellen Ressourcen, die Unternehmen im Bereich der Digitalisierung einsetzen.