Der Streifenkaugummi – eine Erinnerung 

Im März 2023 verkündete Mars das Ende der Wrigley’s-Streifenkaugummis in Deutschland. Ist er damit der Verbrenner unter den Kaugummis? Eine nostalgische Rückschau von Andreas Marx. 
Ende Streifenkaugummi
Ist der Streifenkaugummi nur ein Nostalgie-Objekt? (© Unsplash)

In der gestrigen Folge der ZDF-Sendung “Bares für Rares” erregte ein alter Automat für Streifenkaugummis die Gemüter. Das knallgelbe Unikat, das jahrelang auf dem Dachboden eines Ehepaares als Staubfänger fungiert hatte, ging nach längerem Geschacher der Berufströdler für 500 Euro über die Theke – ein Vielfaches des eigentlichen Wertes. War es das Ungetüm, das die Sammlerherzen höherschlagen ließ? Oder war das eigentlich Antiquierte der Inhalt? 

Es gibt Dinge, die uns das Gefühl geben, in einer Welt zu leben, in der alles seinen Platz hat. Für manche mag das der Kaffee am Morgen sein, für andere der Tatort am Sonntag. Für mich ist es der Streifenkaugummi in Kassennähe. Oder besser gesagt: war es. Denn seit etwas mehr als einem Jahr sind Streifenkaugummis vom deutschen Markt verschwunden. Und damit meine Freude am Kaugummi.  

Ja, das ist ein First-World-Problem, schon klar. Sogar par excellence. Aber Kaugummis waren für mich stets ein Zeichen von Freiheit, mehr als es Zigaretten je sein könnten. Mit der Befreiung der Amerikaner nach 1945 kamen auch: die Kaugummis. Süß und pfeffrig war der Geschmack des neuen Zeitgeists in Deutschland, der amerikanische Traum in Streifenform. Was ist davon geblieben? Vielleicht ist es ein schlechtes Omen, dass jener Traum nun auf Dragee-Größe geschrumpft ist.  

Seit letztem Jahr ist jeder Gang zur Kasse mit Frust verbunden. Sehnsüchtig blicke ich in die Regale, wo einst die Streifenkaugummis verheißungsvoll lagerten. Da, wo sie jetzt fehlen, klafft eine Lücke, die nicht nur physisch ist. Es ist eine Lücke im Herzen der Nation, ein Loch im Zahn des Durchschnittskauers, der nicht ahnte, was er an diesen Streifen hatte, bis sie plötzlich verschwanden. 

Das Streifenkaugummi war eine Institution für mich. Ein Sinnbild einer Zeit, in der die Welt noch in Ordnung schien. Doch ein Markt für sie gäbe es in Deutschland nicht, hieß es von Mars. Daran hatte ich lange zu kauen. Haben wir nicht alle diesen Drang nach Nostalgie, dieses Verlangen nach Dingen, die uns an eine unbeschwertere Zeit erinnern? Gibt es wirklich keine Nachfrage? 

Ist Rauchen das neue Kaugummikauen? 

Anscheinend schon. So berichtete der Spiegel sogar, dass Streifenkaugummis zu Wertobjekten geworden sind, von denen sich Sammler goldene Nasen erhoffen, indem sie Restbestände zu Wucherpreisen an Kau-Nostalgiker wie mich verkaufen. „Kaugummis müssen jetzt immer mehr können“, erklärte Sammler Thomas Martins damals dem Spiegel. Neben zuckerlosen Alternativen gibt es jetzt auch Kaugummis, die vor Zahnverfärbungen schützen, Koffein oder Vitamine enthalten. 

Der Streifenkaugummi ist also ein Opfer seiner Zeit, denn die Erwartungshaltung bezüglich Gesundheit, Umwelt und anderen „Features“ kann Wrigley’s Spearmint nicht erfüllen. Als Verbrennermotor unter den Kauprodukten sah man für ihn keine Zukunft mehr. Dabei ist die Kaumasse in Dragee-Form nicht weniger umweltschädlich, sofern sie nicht frei von Plastik, Erdöl, Zucker, Aspartam oder anderen Inhaltstoffen ist. Hatte der Streifen einfach kein gutes Marketing? 

Vielleicht, und das ist meine stille Hoffnung, werde ich eines Tages in einen Späti gehen, an der Kasse stehen und mit kindlicher Freude feststellen, dass sie zurück sind. Vielleicht werde ich dann diesen Moment mehr zu schätzen wissen, jeden Biss genießen, als wäre es der Letzte. Vielleicht fange ich bis dahin das Rauchen wieder an. Ist ja auch so etwas wie Freiheit. 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.