Von Nils Jacobsen
Der Schockzustand hält an: Die Welt wacht das zweite Mal unter dem designierten Präsidenten Donald Trump auf – und macht ihrem Unmut weiter in den sozialen Medien Luft.
Nur an den Kapitalmärkten ist die Apokalypse ausgeblieben – überraschenderweise. Im Vorfeld hatten Analysten und Marktexperten erdrutschartige Verluste prophezeit: Business Insider-Chefredakteur Henry Blodget prophezeite einen Kursrutsch von bis zu 10 Prozent.
Have to disagree with you there, Tom. (My bet would be down 10%-20%, for starters) https://t.co/jenDf4mwip https://t.co/4SJPxzFFtL
— Henry Blodget (@hblodget) November 7, 2016
Stattdessen schüttelten die Weltbörsen gestern den nächtlichen Schock schnell ab und gingen sogar in den Rallyemodus über – der Dow Jones schloss auf Allzeithochs.
Verschlüsselungsstreit: „Boykottiert Apple, bis sie das Passwort rausrücken“
Lediglich Unternehmen, die Trump im Wahlkampf namentlich attackiert hatte, performten schlechter. Ganz vorne dabei: Apple. Die Skepsis der Anleger überrascht hat nicht: Den iKonzern ging Trump in seiner Wahlkampfrhetorik besonders hart an.
Tech stocks getting hit hard:
Amazon -4.8%
Facebook -5.3%
Google -4.1%
Apple -3.3%https://t.co/fHv4iDPixS pic.twitter.com/K2c0JBKFix— Markets Insider (@MktsInsider) November 10, 2016
„Boykottiert Apple, bis sie das Passwort rausrücken“, wetterte Trump, als sich Apple-Chef Tim Cook einen Kampf mit dem FBI um das Knacken des iPhones eines mutmaßlichen Terroristen lieferte. Eine Justizschlacht um Datenverschlüsselung zwischen Apple und der US-Regierung könnte unter Präsident Trump neu aufgerollt werden.
Isolationistische Wirtschaftspolitik: Zwingt Trump Apple zur Produktion in den USA?
Wirtschaftlich schwerwiegender erscheint ein Grundpfeiler in Trumps isolationistischer Wirtschaftspolitik, die eine Absage an die Globalisierung darstellt: Trump will US-Konzerne dazu bringen, möglichst ‚Made in America‘ zu produzieren. „Wir werden Apple dazu bringen, ihre verdammten Computer in diesem Land zu bauen“, ereiferte sich der gewählte Präsident im Wahlkampf bereits im Frühjahr.
Apple-Chef Tim Cook hat dagegen eingewendet, dass eine Produktion in den USA nicht nur ungleich teurer wäre – es würde auch das jahrzehntelang aufgebaute Know-how von Auftragsfertigern wie Foxconn fehlen. Immerhin ist Apple mit ersten symbolischen Aktionen bereit, verstärkt auf den Standort USA zu setzen: So wird der Mac Pro, dessen Absätze nur einen marginalen Anteil in Apples Bilanz ausmachen, seit 2013 in Texas hergestellt.
Zwingt Präsident Trump Apple – etwa durch Strafzölle bei Einführung in China gefertigter iPhones – zur Produktion in den USA, würde der Techpionier maßgeblich seiner Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Apple müsste durch die gestiegenen Produktionskosten entweder seine notorisch hohe Marge aufgeben oder die gestiegenen Kosten durch höhere Preise an die Kunden weitergeben, was entsprechende Absatzeinbrüche nach sich ziehen würde – eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Nur 10 Prozent Steuern bei Repatriierung des Auslandskapitals?
In die Karten spielen könnte Apple dagegen Trumps Versprechen, ausländisches Kapital nach Hause zu holen (Repatriierung). Im September nannte der streitbare Republikaner auf einer Rede beim Economic Club of New York dafür den angestrebten Steuersatz von 10 Prozent auf sich im Ausland befindliches Kapital anzuwenden.
Apple sitzt bekanntermaßen auf immensen Barreserven von 237 Milliarden Dollar – davon 215 Milliarden Dollar im Ausland (bei Verbindlichkeiten von 81 Milliarden Dollar). Aktuell fallen bei einer Repatriierung 35 Prozent Steuern an – weswegen sich Tim Cook wie viele andere Konzernchefs seit Jahren gegen eine Rückführung der Auslandsbestände sperrt.
Setzt Trump ein „Tax Holiday“ von 10 Prozent zur einmaligen Rückführung des Auslandskapitals durch, würde Apple auf einen Schlag 54 Milliarden Dollar sparen, was wiederum 9 Prozent des aktuellen Börsenwertes entspricht. Von einem Präsidenten Trump könnte Apple am Ende also vielleicht doch noch profitieren…