Eine starke Geschichte weckt Emotionen, sie berührt. Der Marke Dove von Unilever ist es mehrfach gelungen, so eine zu erzählen. In einem neueren Video, das sich extrem gut verbreitet hat, geht es um die Botschaft: Folge nicht den falschen Idealen in Social Media, denn sie schaden deinem Selbstbewusstsein. Am Anfang ist im Video das Instagram-Bild einer Schönheit zu sehen. Danach läuft alles rückwärts. Das Bild wird rückwärts bearbeitet – die Haare werden glatter, das Kinn breiter, die Augen kleiner –, weiter geht es im Rückwärtsgang mit dem Schminken, vom Nägellackieren über das Augenbrauennachzeichnen bis hin zum Wimperntuschen. Am Ende sitzt ein ganz normales Mädchen vor dem Spiegel. Thomas Index-FaLfQr PyczakPyczak, Autor und Strategischer Storyteller, identifiziert in dieser Geschichte neben der Emotionalität zwei weitere Bausteine, die enorm wichtig sind: „Die Story ermutigt auch“, sagt er, „und sie ist relevant.“
Extrem stark wirke zudem Humor. Humor entsteht zum Beispiel, indem Alltagserfahrungen überspitzt werden. Das gelang Apple mit einem ebenfalls sehr erfolgreichen Video. Dem Tech-Konzern ging es darum, zu zeigen, dass er für die Arbeit im Homeoffice alle wichtigen Tools hat. Das wird aber nur nebenbei kommuniziert. Im Vordergrund steht die Geschichte eines Teams, das an den jeweiligen Homeoffice-Arbeitsplätzen alles tut, außer zu arbeiten, als ein wichtiger Kundenauftrag reinkommt. Erst einmal bricht Chaos aus, nach und nach finden die Kolleg*innen aber Mittel und Wege, auch von zu Hause aus innovativ zu sein und als Team zu funktionieren. So können sie dem Kunden am Ende einen guten Vorschlag präsentieren.
Es geht um Verknüpfung von Marke und eigener Identität
Sowohl das Video von Dove als auch das von Apple erzählen Held*innengeschichten. Sie zeigen Entwicklungen und ermutigen dadurch die Rezipient*innen, sich ebenfalls auf den Weg zu machen. Sprich: Sie bieten Identifikationspotenzial nach dem Motto „So würde ich gern sein“. Und genau um diese Verknüpfung der Marke mit der eigenen Identität gehe es im Kern, erklärt Pyczak. „Früher hat es da noch gereicht, wenn James Bond auf seine Omega-Uhr geschaut hat. Das ist heute anders. Da braucht es zum Beispiel die Zärtlichkeit von Dove oder aber den Humor von Apple.“
Gelingt es einem Unternehmen, eine Story mit hohem Identifikationspotenzial rund um die eigene Marke zu erzählen, werden die Produkte nebensächlich. „Den Käufer*innen geht es dann nämlich einfach darum, Teil der Geschichte zu sein“, sagt Pyczak. Durch gekonntes Storytelling kann ein Unternehmen also viel gewinnen. Da es besonders bei Videos um deren Verbreitung geht, wirken sie auch niemals nur in eine Richtung. Die Geschichten haben vielmehr das Potenzial, neue Kund*innen zu gewinnen, alte zu binden und potenzielle Mitarbeitende anzuziehen.
Die Anforderungen an gutes Storytelling haben sich in jüngster Zeit verändert und erweitert. Da es den Menschen heute viel wichtiger ist als früher, etwas zu tun, was sie als sinnvoll ansehen, etwas, das die Welt gut gebrauchen kann, schauen die Leute zum Beispiel immer genauer auf Produktionsbedingungen. „Jede Marke erzählt deshalb mehr als je zuvor eine Geschichte von sich, ob sie will oder nicht“, betont Pyczak. „Wichtig für ein Unternehmen ist es, das aktiv anzugehen und die Leitplanken zu definieren, an denen es sich orientiert, seine Werte.“
Als positives Beispiel nennt der Strategische Storyteller Patagonia, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben. „Das Unternehmen kommuniziert die eigene Lernkurve – samt Fehlern. Ihre Botschaft ist: Wir schminken uns nicht, sondern wir sind immer gleich. Sprich, transparent. Transparenz ist heute im Storytelling extrem wichtig.“ Damit einher gehe auch eine klare Botschaft, eine, die Anecken in Kauf nimmt, schließlich zeige sich eine starke Geschichte auch dadurch, dass sie Diskussionen entfacht.
Als weiteres Beispiel für modernes und kluges Storytelling nennt Pyczak Anna Alex. Die Unternehmerin hatte Outfittery gegründet, einen Online-Stilberater, und wollte den CO2-Fußabdruck ihres Unternehmens messen lassen. Das erwies sich jedoch als schwierig. Daraufhin wechselte sie kurzerhand den Job und gründete Planetly. Das äußerst erfolgreiche Start-up entwickelte ein Tool, mit dem Unternehmen ihre CO2-Bilanz messen können. „Das Storytelling von Anna Alex bestand schlicht in der Geschichte ihrer eigenen Wandlung“, berichtet Pyczak. „Dieses Beispiel zeigt: Wir brauchen keine typische Werbung mehr – die Leute müssen vielmehr einfach ihre Geschichte erzählen.“
Authentizität macht gutes Storytelling aus
Für Unternehmen bedeutet das nicht weniger, als diese Story zunächst einmal herauszuschälen. „Es gilt, die Geschichte zu finden, die bereits im Unternehmenskontext verankert ist“, betont Pyczak und kommt so auf einen weiteren Baustein für gutes Storytelling zu sprechen, der in jüngster Zeit stark an Bedeutung gewonnen hat: Authentizität.