Menschen lieben es, ihre Geschichten mit anderen Menschen zu teilen. Vor allem dann, wenn wir emotional berührt werden, erzählen wir gern. Social Sharing nennt man das in der Sprache des Web. Es dient – neben dem Teilen – auch dem Ordnen von Gefühlen. Negative Gefühle lassen sich mildern, indem wir über sie reden. Man verschafft sich hierdurch Erleichterung. Positive Gefühle hingegen können verstärkt und verlängert werden, wenn man über sie spricht. Inhalte mit geringem emotionalem Wert werden kaum mit Anderen geteilt, wohingegen stark emotionalisierende Inhalte sehr oft geteilt werden. Auf diese Weise können Anbieter wie aus dem Nichts in aller Munde sein. Dies passiert vor allem dann, wenn man Content als Geschichte erzählt.
Geschichten übersetzen Informationen in Emotion. Sie ziehen uns geradezu magisch in ihren Bann. Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit, denn sie sind sehr viel einprägsamer als Zahlen, Daten und Fakten. Wenn meisterlich erzählt, dann haben sie eine unglaubliche psychologische Kraft. Sie machen neugierig und fesseln die Aufmerksamkeit. Sie lockern auf und entspannen. Sie wecken das Gefühl von Vertrautheit. Sie sprechen das Vorstellungsvermögen an und aktivieren. Sie machen sogar komplizierte Zusammenhänge verständlich. Und sie steigern die Überzeugungskraft. Sie fördern das Zuhören, das Verstehen, das Behalten und das Zustimmen, ohne zu bedrängen. Zudem machen Geschichten die Unternehmen und ihre Mitarbeiter auch menschlicher.
Geschichten wirken besser als Zahlen und Daten
Ach, wenn das die verkopften, zahlenfixierten Manager doch nur endlich verstehen würden: Menschen lassen sich lieber durch Geschichten verführen als durch sachliche Darstellungen und nüchterne Fakten. Zwar sind Dashboards und vollgeexcelte Powerpoint-Präsentationen populär, doch es ist äußerst unprofessionell, andere hierüber gewinnen zu wollen. Der US-amerikanische Wissenschaftler und Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat übrigens experimentell nachgewiesen, dass nicht derjenige die Deutungshoheit erlangt, der die besten Argumente zusammenträgt, sondern derjenige, der die stimmigste Story erzählt. Der wahre Profi bringt also seine Botschaft über gut gewählte Beispiele, bunte Anekdoten und kluge Metaphern rüber.
Ein schönes Beispiel dafür, von Petra Sammer in ihrem Buch Storytelling erzählt, ist die Einführung des Philips Wake-up Light-Weckers. Er imitiert einen Sonnenaufgang und ermöglicht so ein sanftes Aufwachen. Zahlreiche Studien hatten die gesundheitlichen Vorteile dieses Leuchtweckers belegt, doch die vorgetragenen rationalen Argumente interessierten nur mäßig. Das Gerät wurde zum Flop. So entschloss sich Philips zu einer Neueinführung, diesmal mit einer Geschichte namens „The Arctic Experiment“. Sie handelt von den Bewohnern von Longyearbyen, der nördlichsten Stadt der Welt. Verschiedene Videos zeigten, wie der Leuchtwecker ihnen hilft, die viermonatige Polarnacht zu überstehen. Diese Version weckte zunächst das Interesse der Presse – und danach stieg der Umsatz des Geräts um 20 Prozent.
Von Helden erzählen
Gut gemachte Geschichten werden aus der Perspektive des Helden erzählt. Das ist in aller Regel der Kunde. Der Beginn ist dabei essentiell, denn da fragen wir uns: Hat das was mit mir zu tun? Ist die Antwort „Ja“ und das Ganze für uns relevant, hören wir weiter zu. Ist es für uns ohne Bedeutung, schaltet unser Hirn einfach ab. Menschen lieben Helden vor allem dann, wenn sie über sich hinauswachsen, weil sie damit ein hehres Ziel verfolgen. Idealerweise folgt der Erzählstrang also einer sogenannten Heldenreise. Diese führt entlang eines Spannungsbogens von einer suboptimalen Ausgangslange über Hindernisse und Blockaden, Irrungen und Wirrungen oder Qualen und Beinahe-Abstürze zu einem glorreichen Ende. Unternehmen, Produkte und Mitarbeiter fungieren dabei als Helfershelfer, als treue Gefährten oder nützliche Geister, die zwar im Hintergrund bleiben, ohne die die Transformation allerdings nicht gelingt.
Moderne Geschichten werden heutzutage transmedial, also über verschiedene Medien hinweg erzählt. Dies schließt Fotoserien und Videos mit ein. Zuhörer und -schauer sind dabei nicht länger auf die Funktion des passiven Konsumenten beschränkt, sie können sich vielmehr aktiv und schöpferisch einbringen. Dies tun sie, indem sie den Fortlauf einer Geschichte mitgestalten, sich angebotenes Hintergrundmaterial beschaffen oder zumindest kommentieren, voten und sharen.
Zudem sind die ausgewählten Geschichten mediengerecht aufzubereiten: Auf der eigenen Website wird die Langversion der Story erzählt. Auf Facebook wird sie verkürzt oder in Häppchen verteilt. Auf Instagram wird sie reichlich mit Bildern garniert. Und als Videoclip kommt sie bei YouTube und Co. wie ein rasanter Thriller daher. Schließlich sollten je nach Zielgruppe unterschiedliche Facetten einer Geschichte hervorgehoben werden: Der Einkäufer einer Maschine braucht eine andere Geschichte als der Fertigungsleiter. Ein Junggeselle interessiert sich für andere Details als ein stolzer Familienvater. Und einen Kenner faszinieren andere Finessen als einen Neuling.
Und zuletzt: Spread the word!
Wer nichts mehr zu sagen hat, gerät schnell in Vergessenheit. Und selbst die beste Geschichte bewirkt nichts, solange sie im Dunkeln schlummert. Holen Sie also laufend interessante Stories ans Licht, verpacken Sie sie gut und machen Sie sie öffentlich. Nutzen Sie dazu alle Kommunikationsmittel, um Geschichten zu platzieren: In Stellenanzeigen, im Intranet, auf eigenen Social-Media-Präsenzen, in Newslettern, in Prospektmaterial, im Geschäftsbericht, in Referenzmappen, in Präsentationen, bei Jahrestagungen, auf dem Messestand, in Reportagen, in Employer-Branding Broschüren, im Internet, auf fremden Social-Media-Präsenzen, in Mailings, in Imagebroschüren, in Kundenzeitschriften, in Imagefilmen, in Vorträgen, auf Ausstellungen, auf Events, und in Büchern.
Anne M. Schüller ist Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für Empfehlungsmarketing und Touchpoint Management. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum. Gerade wurde sie in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen und hat ein Buch neues Buch herausgebracht: „Das neue Empfehlungsmarketing – Durch Mundpropaganda und Weiterempfehlungen neue Kunden gewinnen.“
Dieser Beitrag ist zuerst auf marconomy.de erschienen.