Steven Bartlett: So werden Marken für Millennials interessant

Steven Bartlett, Gründer und CEO von The Social Chain, spricht im Interview über die Social-Media-Verhalten von Millennials – und was das für Marken bedeutet.
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Digitalexperte Steven Bartlett: "Die Millennials fühlen sich dazu verpflichtet, den Planeten zu retten." (© The Social Chain Group)

Von Vera Hermes und Christine Mattauch

Herr Bartlett, Sie haben Einblicke in die Social-Media-Aktivitäten von Millionen junger Menschen. Mit welchen Themen beschäftigen sich die Millennials derzeit?

Steven Bartlett: Die psychische Gesundheit ist derzeit der größte Diskussionspunkt unter den Millennials. Meine Mailbox wird überschwemmt mit Nachrichten, in denen es um Angst, Depressionen, toxische Beziehungen und psychische Gesundheit geht. Welche Rolle spielen soziale Medien bei der Entstehung von psychischen Problemen? Das ist ein schwieriges Thema. Social Media haben viel Gutes gebracht, aber es lässt sich nicht leugnen, dass übermäßiger Instagram-Gebrauch narzisstisch machen kann. Deshalb schränkt die Plattform jetzt auch testweise Likes und Follower-Zahlen ein.

Welche weiteren Themen werden diskutiert?

Ein anderes Thema ist die Umwelt. Die Millennials fühlen sich dazu verpflichtet, den Planeten zu retten. Die einen engagieren sich bei Extinction Rebellion, andere machen Podcasts über nachhaltige Mode. Vielleicht realisieren sie, dass sie stärker als die Generationen vor ihnen von Verschuldung und dem Raubbau an Ressourcen betroffen sind, vielleicht glauben sie auch einfach mehr an ihre Kraft, Dinge zu verändern.

Welche Marken stehen aktuell bei jungen Menschen in den sozialen Medien besonders hoch im Kurs? 

Marken, die bereit sind, für etwas einzutreten, und dafür auf einen Teil ihrer Gewinne verzichten. Nike kommt mir in den Sinn und deren Werbung mit Colin Kaepernick …

… der amerikanische Footballspieler, der auf dem Spielfeld niedergekniet war, als die Nationalhymne gespielt wurde. Er wollte damit gegen Diskriminierung protestieren.

Nike hat viel Hass für den Spot mit ihm geerntet, aber niemand kann bezweifeln, dass er authentisch war. Die Agentur Social Chain hat kürzlich für die Männermarke Veet Men das Thema psychische Gesundheit thematisiert. In der Kampagne haben Football- und Rugbyspieler sehr offen über ihre beruflichen Höhen und Tiefen gesprochen. Heutzutage ist Authentizität genauso wichtig wie Emotion. Jede Marke kann über Social Media eine wirkungsvolle Kampagne fahren. Aber wie viele Unternehmen sind bereit, ein echtes und ambitioniertes Engagement zu zeigen, das nicht unmittelbar einem Verkaufsziel dient?

Wie werden sich Social-Media-Kanäle mittelfristig entwickeln – wird es Facebook, YouTube & Co. in zehn Jahren noch geben?

Sie werden nicht verschwinden, sondern weiterhin in unserem Leben präsent sein, sei es beim Einkaufen oder durch Wearable Tech. Man kann aber auch ohne Facebook Teil des Ökosystems sein; es genügt, auf WhatsApp oder Messenger zu sein. Messaging-Plattformen rücken in den Mittelpunkt der sozialen Medien. Das ist eine tiefgreifende Veränderung, und Marken sollten sich auf sie vorbereiten. Indem sie innovative Wege finden, um mit ihren Kunden zu kommunizieren, bei denen es nicht nur ums Geschäft geht. Dabei werden auch Chatbots eine Rolle spielen. Ich bin gespannt, wie sich Regulierung auf diese Plattformen auswirkt. Die Kluft zwischen ihnen und den Regierungen wird immer größer, und irgendwie muss dieser Konflikt gelöst werden. Ob durch Verschlüsselung der Kommunikation oder dadurch, dass Plattformen wie Verlage behandelt werden, muss sich noch zeigen.

Steven Bartlett wird am 5. Dezember auf dem Deutschen Marketing Tag in Düsseldorf, dessen Co-Ausrichter die absatzwirtschaft ist, eine Keynote zum Thema „AI and Social Media – How we are no longer in control“ halten. Sichern Sie sich jetzt noch hier Ihr Ticket. 

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