Wenn sich Unternehmen innerhalb einer Branche zusammenschließen, geht es in vielen Fällen auf der einen Seite um die sogenannte kritische Größe – verbunden mit mehr Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft. Auf der anderen Seite geht es um Synergie- und Einspareffekte. Dies zeigt sich auch bei dem neuen Konzern Stellantis.
Das nun entstandene Mehr-Marken-Gebilde aus der Fusion von PSA und Fiat Chrysler wird nicht nur von den Absatzzahlen her der viertgrößte Automobilkonzern der Welt, die Entscheidungsträger rechnen zudem mit einem jährlichen Einsparungspotenzial von fünf Milliarden Euro.
Wider der unprofilierten Mitte
Speziell Größe wird in vielen Branchen als ein wichtiges Indiz für den künftigen Erfolg und Stellenwert gesehen. Größe wird dabei oft auch mit potenzieller Marktdominanz gleichgesetzt. So zeigt sich auch in vielen Märkten: Je älter eine Branche wird, desto gefährdeter wird die sogenannte unprofilierte Mitte.
Aus dieser Warte betrachtet ist der neue Konzern mit seinen 14 Marken – Abarth, Alfa Romeo, Chrysler, Citroën, Dodge, DS, Fiat, Jeep, Lancia, Maserati, Opel, Peugeot, Ram und Vauxhall – ein ganz anderes Schwergewicht als jeweils PSA und Fiat Chrysler es zuvor alleine waren.
Schiere Unternehmensgröße vs. Markenstärke für die Zukunft
Aus Markensicht sollte man allerdings immer zwei verschiedene Arten von Größe bei der Beurteilung eines Mehr-Marken-Unternehmens oder Mehr-Marken-Konzerns heranziehen.
Um besser zu verstehen, worum es geht, sollten wir einen Markenausflug in die Neunzigerjahre machen. Damals wurde der Braukonzern Brau & Brunnen durch immense Zukäufe zum größten deutschen Brauunternehmen. Jedoch war diese Nummer-eins-Position auf dem Papier de facto wertlos, weil man außer Jever keine starken nationalen Marken im Portfolio hatte. Und so war der Traum bald ausgeträumt. Will sagen: Schiere Unternehmensgröße bedeutet nicht unbedingt auch Markenstärke für die Zukunft.
Kunden kaufen Marken, keine Unternehmen
Das heißt: An der Börse und von Branchenexperten werden in vielen Fällen Zusammenschlüsse innerhalb einer Branche positiv bewertet. So heißt es dann oft: „Die Stärke des neuen Konzerns sind hohe Stückzahlen und Marktanteile. Das bietet wichtige Kosten- und Wettbewerbsvorteile.“
Nur sind es letztendlich die Kunden, die über den Erfolg eines Unternehmens entscheiden. Und Kunden kaufen – außer sie kaufen Aktien – eben keine Unternehmen, sondern Marken. So liegt etwa auch die globale Stärke des VW-Konzerns nicht nur in den Größenvorteilen, sondern vor allem auch in starken Kernmarken wie Porsche, Audi, VW, Škoda und Seat.
Damit besitzt der VW-Konzern in allen wichtigen Marktsegmenten führende Marken. Ganz anders sieht das bei Stellantis aus, wo es de facto nur eine globale Perle aus Markensicht gibt: Jeep. Im August 2017 schätzte ein Analyst von Morgan Stanley sogar den isolierten Markenwert von Jeep höher ein als den Börsenwert des gesamten Unternehmens Fiat Chrysler. Alleine diese Schätzung sollte den Verantwortlichen zu denken geben.
Viel Arbeit für Stellantis-Konzernchef Tavares
Aus Markensicht wartet zusammengefasst also sehr viel Arbeit auf Stellantis-Konzernchef Carlos Tavares:
- Auf der einen Seite muss er nicht nur sicherstellen, dass alle 14 Marken bestmöglich für die Zukunft positioniert werden.
- Und wäre das nicht alleine schon Aufgabe genug, muss er auf der anderen Seite noch aus Konzernsicht die richtigen Antworten auf den aktuellen Wandel in Richtung Elektromobilität finden.
- Dazu kommt noch einmal erschwerend, dass das gegenwärtige Markensystem – abgesehen von Jeep – im Zukunftsmarkt Asien ziemlich schwach aufgestellt ist.
Wenn es dem Management nicht gelingen sollte, auf diese Herausforderungen die richtigen Antworten und Strategien zu finden, könnte Stellantis mehr eine Art „teures Markenmuseum“ als die automobile Antwort auf die Zukunft werden. Die Zukunft wird es zeigen!