Eine Vorreiterrolle beim Komplexitätsmanagement haben die Automobil- und die Konsumgüterindustrie eingenommen. Durch intelligente Strategien konnten beide Branchen den Komplexitätszuwachs bei Produkten und Komponenten deutlich begrenzen. Schlechter aufgestellt sind hingegen die Maschinenbau-, Chemie- und Pharmaindustrie. Denn hier haben die Produktvielfalt und die Komplexität bei Produktion und Vertrieb in den letzten 15 Jahren stark zugenommen – in der Chemieindustrie sogar um 213 Prozent. Laut Studie ist das Einsparpotenzial ist hier besonders groß: Durch ein gezieltes Komplexitätsmanagement könnte die weltweite Chemiebranche ihre Produktkosten um bis zu 49 Milliarden Euro jährlich reduzieren. Maschinenbau-Unternehmen könnten weltweit bis zu 54 Milliarden Euro einsparen, die Pharma-Industrie bis zu neun Milliarden Euro.
Komplexität bedroht die Wettbewerbsfähigkeit
„Die Kundenwünsche sind immer differenzierter, die Produktlebenszyklen immer kürzer“, sagt Thomas Kwasniok, Partner von Roland Berger Strategy Consultants. Die große Produktvielfalt könnten Unternehmen kaum noch bewältigen. Und mit diesen Produktionsherausforderungen gingen die verschiedenen Industriesektoren auch unterschiedlich um. Steffen Kilimann, Co-Autor der Studie, verweist auf die Automobil- und Konsumgüterindustrie: „Dank Standardisierung und Modularisierung haben sie es zum Beispiel geschafft, den Zuwachs bei Rohmaterialien und Komponenten einzuschränken: auf 27 Prozent der Automobilsektor und auf 35 Prozent die Konsumgüterindustrie.“
Immer wichtiger wird der Studie zufolge auch das Bestandsmanagement. Denn aufgrund der immer kürzeren Produktlebenszyklen ist es für die Firmen schwierig, die richtigen Bestände in der Lieferkette vorzuhalten, um schnell und pünktlich liefern zu können. Kwasniok erklärt: „Unternehmen bedienen unterschiedliche Marktsegmente und verschiedene Länder. Für sie wird es daher immer schwieriger, den Absatz für bestimmte Produkte zu prognostizieren und die Lieferkette entsprechend zu planen. Denn je fragmentierter das Produktportfolio, desto kleiner die Absatzmengen und desto höher die Nachfrageschwankungen.“
Vier Ansätze, um die Komplexität zu meistern
Die Strategieberater erläutern vier Handlungsfelder, mit denen die Produktvielfalt besser gesteuert und Kosten gespart werden können:
1. Optimierung der Produktstruktur
Durch Standardisierung und Modularisierung können Unternehmen mit weniger Teilen eine hohe Produktvielfalt erzeugen. Dadurch ist es möglich, die Prozesse zu verschlanken und Kosten in Einkauf und Produktion zu senken. Außerdem können Firmen die Herstellung unterschiedlicher Produkte an das Ende des Fertigungsprozesses verschieben sowie auftragsorientierte Montage- und Verpackungsprozesse realisieren.
2. Segmentierung der Lieferkette
Um verschiedene Marktsegmente zu beliefern, müssen Unternehmen auch ihre Lieferkette unterschiedlich aufbauen. So brauchen zum Beispiel Konsumgüterhersteller für Nischenprodukte und neu eingeführte Produkte eine flexiblere Lieferkette, um auf die Marktnachfrage besser reagieren zu können.
3. Integration der Lieferkette
Nicht nur interne Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen, sondern auch externe Partner sollten in den Informationsfluss besser eingebunden werden. Denn so werden globale Produktions- und Vertriebsprozesse schneller und effizienter. Zur Integration der Lieferkette gehören auch die Integration globaler IT-Systeme, der Aufbau einheitlicher KPI-Systeme und Anreizsysteme.
4. Flexibilisierung der Produktion
Mit zunehmender Produktvielfalt sollten Unternehmen ihre Produktion segmentieren und flexible Fertigungsbereiche einführen. Ebenfalls sollten sie die Durchlaufzeiten in Auftragsabwicklung und Produktion verkürzen, um schneller auf Änderungen in der Nachfrage reagieren zu können.