Ein Kommentar von Gastautor Heiko Burrack, Kundenberater, Trainer, Coach
Es ist mehr als nachvollziehbar, dass primär Agenturen nach Alternativen zu Pitches suchen. Der Zeit- und Energieaufwand dafür ist gerade in den letzten Jahren massiv gestiegen. Wenn man sich auf diese Reise begibt, so sollten die entsprechenden Vorschläge realitätsnah und wenigstens eine geringe Chance haben, auch realisiert zu werden. Bei den Vorschlägen des Kollegen Simon Dietrich ist beides leider nicht der Fall (klicken Sie hier, um den Artikel „Effiziente Agentursuche, statt Pitch-Quatsch“ von Simon Dietrich zu lesen).
Verlockende Ideen, wenig Chance auf Umsetzung
Die Idee mag verlockend klingen, nur den strategischen (Strategy-Pitch) oder nur den operativen Teil (Tissue-Pitch) zu zeigen. Aber wie soll so etwas in der Praxis aussehen? Wie will und soll die Agentur die Umsetzung abbilden können, wenn sie nicht die Strategie kennt beziehungsweiseerarbeitet hat. Jede Agentur, die sich das Thema Markenführung ins Portfolio geschrieben hat, wird darauf bestehen, auch den strategischen Teil dazulegen. Diese Argumentation ist durchaus sinnvoll und nachvollziehbar.
Auch nur die Strategie zu zeigen, ist nicht zielführend. Der Kunde wird in den allermeisten Fällen eine Agentur suchen, die auch die Umsetzung kann; genau daran verdienen die Agenturen bekanntlich auch das meiste Geld. Genau deswegen werden die meisten Agenturen dies auch zeigen wollen und die Mehrzahl der Auftraggeber will sich davon ein Bild machen. Diese Art von Mehrarbeit ist schon längst üblich, weil man glaubt, mit dieser Extrameile den Kunden ganz sicher überzeugen zu können. Genau deswegen sind Pitches so aufwendig geworden.
Ein Projekt-Pitch, wie ihn Simon Dietrich vorschlägt, klingt nun aber noch umfangreicher. Soll eine Agentur wirklich ein ganzes Projekt erarbeiten, dies ggf noch nicht einmal kostendeckend? Die Formulierung „Die Agentur tut dabei so, als wäre sie fest engagiert.“, spricht Bände und muss gar nicht weiter kommentiert werden. Dass Agenturen alles tun sollten, damit gar nicht gepicht werden muss, versteht sich von selber (No-Pitch-Pitch). Dass man die Auswahl auch über Workshops durchführen kann, ist nun ebenfalls keine Neuigkeit (Pitch-in-a-Day-Pitch).
Drei Fragen können ein Anfang ein
Was also tun, wenn man mehr erreichen will, als ein neues Vokabular zu erfinden? Drei Fragen können helfen und ein Anfang ein:
- Agenturen sollten weiter an ihrer Paradedisziplin arbeiten und die Frage beantworten: Was kann ich wirklich gut?
- Agenturen sollten statt mit der Schrotflinte zu schießen, sich ihre potenziellen Neukunden genauer anschauen und die Frage beantworten: Was können wir für dieses Unternehmen besonders gut und was braucht es?
- Agenturen sollten sich einen sinnvollen Nutzen für ein persönliches Gespräch überlegen und die Frage beantworten: Warum soll sich ein Marketingleiter ausgerechnet mit uns unterhalten?
In den Unternehmen sind die Kräfte größer geworden, die Pitches befürworten. Der Einkauf gehört dazu. Deswegen wird die Anzahl dieser Auswahlprozesse weiter steigen. Wenn man auch mit diesen Fragen oben Pitch nicht vermeiden kann, haben die guten Agenturen eine Checkliste, mit der sie die sinnvollen von den schlechten Pitches unterscheiden können. Dann braucht man keinen Tissue-Pitch.
Über den Autor
Heiko Burrack schloss im Mai 1995 sein BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing an der Georg-August-Universität in Göttingen ab. Danach arbeitete der Diplomkaufmann in der Kundenberatung unterschiedlicher Agenturen (Dorfer Dialog, McCann-Erickson). Im Jahr 2003 gründete er Burrack NB-Advice. NB-Advice berät Agenturen und Unternehmen, die ihre Kernleistung im Marketingbereich haben, bei der strategischen und operativen Neukundengewinnung. Neben dieser Tätigkeit ist Burrack als Referent, Trainer und Coach tätig. Er publiziert regelmäßig in unterschiedlichen Fachzeitschriften (u.a.: acquisa, PR-Journal, Werben und Verkaufen, LEAD digital) und ist Autor von vier Büchern. Im Juni 2014 ist sein neustes Buch „Matching“ erschienen.