Schließlich stoßen die kleinen Privatsekretäre, die den Benutzern per Sprachbefehl den Einkauf abnehmen oder an bevorstehende Termine erinnern, auf großen Anklang. Das stellt unter anderem die Begeisterungswelle während des diesjährigen Amazon Prime Day unter Beweis: An dem verlängerten Shoppingtag erzielte Amazon einen rund 60 Prozent höheren Umsatz durch den wachsenden Appetit der Kunden auf den hauseigenen Sprachassistenten Amazon Echo. Vor allem die kleinere Version Echo Dot erwies sich als der bei Weitem bestverkaufte Artikel. Laut einer zuverlässigen Quelle des Technikportals Techcrunch habe Amazon rund 1000 Echo-Geräte pro Minute verkauft. Insgesamt verließen im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Geräte die Amazon-Lager, 2017 rechnet der Onlinegigant mit doppelt so vielen.
So wie Amazon mit seinem Sprachassistenten Alexa sind auch Apple und Microsoft mit ihren Sprachassistenten Siri und Cortana auf dem Vormarsch. Schwierig an ihren kleinen Helfern ist jedoch, dass sich ihre Dienste auf das iPhone beziehungsweise das Windows Smartphone beschränken. Als weiterer Konkurrent – der sich wohl am ehesten auf Augenhöhe zu Alexa befindet –, ist noch Googles Lautsprecher GoogleHome mit seinem Assistenten Google Assistant zu nennen.
Gesprochene Werbung – aber wie?
Finden die smarten Assistenten vermehrt Einzug in die Wohnzimmer, wird sich das auch auf die Art und Weise auswirken, wie Werbung künftig konzipiert werden muss. Wer also für sein Produkt oder seine Marke werben will, muss mit den Besitzern der sprechenden Dosen reden. Doch wie soll das gehen? Und stößt das auf Akzeptanz bei den Konsumenten? Wie der Schuss nach hinten losgehen kann, zeigt Googles jungfernhafter Versuch Anfang dieses Jahres, als dessen Lautsprecher unaufgefordert versuchte, einige Besitzer in den Kinofilm „Die Schöne und das Biest“ zu locken: „Übrigens läuft heute die Spielfilmversion von Disneys ‚Die Schöne und das Biest‘ an. (…) Für mehr Filmspaß frag mich etwas über Belle.“ Auf Twitter löste dies eine Welle der Empörung aus. Google selbst verteidigte den Programmhinweis damit, dass es sich um ein bloßes Experiment mit „aktuellen Inhalten“ und eben nicht um Werbung gehandelt habe.
Offensichtlich ist die Empfindlichkeitsschwelle bei gesprochener Werbung deutlich niedriger als bei Online-werbung, was vor allem daran liegt, dass Gesprochenes schnell aufdringlich wirkt. Während man einen Banner einfach wegklicken kann, kann man Alexa nicht „den Mund verbieten“, sondern fühlt sich ausgeliefert. Müssen sich Marken somit einfach damit abfinden, dass sich in Alexa & Co. nicht werben lässt? Nein, meint Pascal Fantou, Gründer von Q4 Reach Labs und „Growth Hacker“. Er ist davon überzeugt, dass es sich lohnt, auf neue Trends aufzuspringen: „Jedes Unternehmen muss sich doch heute die Frage stellen: Wie lange hat es bei uns gedauert, Google Adwords oder Facebook Ads zu nutzen? Welchen Vorteil hatten andere in meiner Branche, die vor uns auf diesen Zug aufgesprungen sind? Dieser Vorsprung kann ein für alle Mal weg sein.“ Damit das nicht eintritt, hat der 45-Jährige Q4 Reach Labs gegründet. Sein Unternehmen soll Marken als externer Forschungs- und Entwicklungspartner helfen, die wichtigsten Marketinginnovationen aufzuspüren, zu testen und zu bewerten. Jedes Jahr mit einem neuen Themengebiet. Für diese Tests investieren die Unternehmen ihre Restbudgets aus dem vierten Quartal. Standen vergangenes Jahr noch DMPs (Data Management Plattformen) auf der Agenda, sind in diesem Jahr Voice-, aber auch Messenger-Marketing die Topthemen. „Gerade im Bereich Conversational Interfaces herrscht Aufbruchsstimmung. Nur sehr wenige Experten haben erste Ideen, wie man die Sprachassistenten für Marketingzwecke nutzen kann, aber die meisten ahnen, dass Sprachsteuerung Werbung grundlegend verändern wird“, so Fantou. An das Marktpotenzial glaube er vor allem deswegen, weil es dem natürlichen Verhalten eines Menschen entspreche, über gesprochene Sprache zu interagieren, viel mehr, als dies über schriftliche Kommunikation der Fall sei. „Für tot würde ich textbasierte Kommunikation jedoch nicht erklären. Schließlich wird es auch weiterhin Situationen geben, in denen das Versenden von Textnachrichten schlichtweg mehr Sinn ergibt, etwa in einem Meeting, in dem man die anderen am Tisch sitzenden Kollegen nicht stören will. Fährt der Empfänger aber gerade Auto, wird er sich diese Nachricht vermutlich lieber vorlesen lassen.“
Gemeinsam mehr Erkenntnis
Um möglichst viele wertvolle Erkenntnisse beim Testen neuer Marketingtrends zu gewinnen, arbeitet Fantou mit mehreren Unternehmen zusammen. So auch bei den Sprachassistenten, von denen sich übrigens momentan nur mit Amazons Alexa experimentieren lässt, da es zurzeit die einzige offene Plattform mit Schnittstellen zum Anknüpfen neuer Apps (bei Alexa heißen diese Skills) ist. „Es wäre ineffizient, wenn jedes Unternehmen im Alleingang versuchen würde, Erkenntnisse zu sammeln“, sagt Fantou. Das liege vor allem daran, dass die Inhalte in die verschiedenen Skills eingebunden werden müssen. Streut man die Inhalte mehrerer Unternehmen nun über viele Skills hinweg, erziele man eine höhere Kenntnis über die anonym bleibenden Alexa-Nutzer, ihr Verhalten und den Markt an sich, als wenn ein einzelnes Unternehmen ein oder zwei Skills testet.