Sind 25 Kameras bei einem Spiel, wie sie die DFL als Rekord vermeldet, im internationalen Vergleich auch sportartübergreifend wirklich außergewöhnlich?
Gerd Nufer: Naja, wenn bei einem normalen Bundesliga-Spiel wie Nürnberg gegen Hannover schon rund 20 Kameras im Einsatz sind, ist es keine Weltsensation, wenn beim Klassiker Bayern gegen den BVB fünf Kameras mehr eingesetzt werden. Zum Vergleich: Beim Super Bowl in den USA sind 70-80 Kameras und an die 130 Mikrofone allein für die Spielberichterstattung im Einsatz, hinzu kommen noch 200 Stunden TV-Berichterstattung rund um das Event.
Die DFL kündigt zudem Drohnen über dem Spielfeld und ferngesteuerte Mini-Ultra-Slowmotion-Kameras an. Ist das Stadion schon komplett „durchdigitalisiert“ oder geht noch mehr Technik hinein?
Es geht sicher noch mehr Technik hinein, zum Beispiel steckt die Augmented-Reality-Technologie tendenziell noch in den Kinderschuhen. Die Frage ist, wie zielführend das Ganze ist. Braucht der Fernsehzuschauer das wirklich? Das muss letztlich jeder für sich beantworten. Mir ist es im Zweifel lieber, ein paar Tore mehr in Echtzeit zu sehen als eine offensichtlich rotwürdige Blutgrätsche aus 100 Perspektiven und in Ultra-Slomotion.
Viele Fans bezeichnen den gegenwärtigen Stand der Vermarktung der Bundesliga als „traditionsvergessen“ und beklagen den „Ausverkauf des Fußballs“. Für die Kinder dieser Fans sind Neymar & Co wiederum die größten Idole. Sind Tradition und Kommerz vereinbar?
Sobald sich der Sport von seinen Fans entfremdet, sind Tradition und Kommerz nicht mehr vereinbar. Denn Fans sind keine Kunden. Sie wollen involviert werden – und keine Vermarktung übergestülpt bekommen. Dem Fan geht es um Fußball, nicht um Marketing. Sport muss authentisch bleiben, ein Verein ist kein Unternehmen.
Was sagen Sie als Fachmann für Sportmarketing und Vermarktung zu Transfersummen in dreistelliger Millionenhöhe für Spieler oder zu Oligarchen und Scheichs, die sich einen ganzen Fußballclub kaufen?
In der aktuellen Saison 2018/19 werden nicht ganz zufällig Juventus Turin und Paris St. Germain erstmals mehr als eine Million Fantrikots verkaufen. Der intendierte Ronaldo-Effekt funktioniert also, seine Ablösesumme scheint sich refinanzieren zu lassen. Genauso wie es zuvor auch schon in ähnlichen Fällen funktioniert hat, ich denke da zum Beispiel zurück zum Wechsel von David Beckham zu Real Madrid im Jahr 2003. Zu Oligarchen und Scheichs habe ich dagegen eine andere, ganz private Meinung – wobei man hier keinesfalls den Fehler machen darf, alle über einen Kamm zu scheren. Es gibt positive und negative Beispiele.