So will Peloton neue Absatzmärkte erobern

Das Fitness-Unternehmen Peloton war einer der strahlenden Gewinner in der Corona-Krise. Bis die Marke selbst in eine Krise geriet. Martin Richter, Peloton-Chef für Deutschland und Österreich, hat beide Extreme erlebt.
Manager von Peloton über Krise und Ausbau der Vertriebskanäle.
"Keine Sportmarke gibt im Bereich Connected Fitness at Home so viel aus wie wir", sagt Martin Richter, General Manager von Peloton Germany & Austria. (© Martin Richter)

Herr Richter, seit 2019 verantworten Sie als Country Manager und Geschäftsführer Pelotons Geschicke in Deutschland. Sie haben den Corona-Boom und gleich danach eine Krise mit Verlusten an der Börse, mit Entlassungen von Mitarbeitenden und dem Rückruf ihres Fitness-Bike-Flaggschiffs erlebt. Wie gehen Sie mit dieser Berg- und Talfahrt um? 

Ich sehe es sportlich. In jeder Veränderung liegt eine große Möglichkeit. Ich glaube, wir haben es geschafft, Peloton stärker an die Bedürfnisse der deutschen Verbraucher anzupassen. Wir haben uns davon wegbewegt, eine reine D2C-Brand zu sein, und uns mehr in Richtung Omnichannel orientiert. Wir haben zudem das Produkt in der Darstellung „eingedeutscht“, beispielsweise durch unsere Kooperation mit Jürgen Klopp. 

Warum ausgerechnet mit ihm? 

Jürgen Klopp ist authentisch, wird sehr akzeptiert, strahlt Positivität aus und vertritt Werte. Durch unsere Interaktion mit dem FC Liverpool und das gegenseitige Verständnis der Markenwerte wurde er Mitglied von Peloton und ein Fan unserer Marke. 

Pelotons Schwankungen sind beachtlich: Im Januar 2021 Jahr kostete eine Aktie 165,82 US-Dollar, aktuell ist sie für 5,92 US-Dollar zu haben, der Umsatz des Unternehmens schrumpfte 2022 im Jahresvergleich um 30 Prozent. Wie will Peloton einer drohenden Insolvenz entgegentreten? 

Von einer Insolvenz sind wir weit entfernt. In diesem Jahr haben wir uns stark bemüht, unseren Free Cashflow zu verbessern. So haben wir signifikante Fortschritte gemacht, beispielsweise durch die Transition zu einem Outsourcing-Modell in der Logistik sowie durch die Intensivierung unserer Kooperation mit Amazon. Es geht wieder in Richtung Wachstum. Das passt nicht so ganz zusammen mit den Insolvenzgerüchten. Keine Sportmarke gibt im Bereich „Connected Fitness at Home“ so viel Geld für Werbung aus wie wir.  

Sie nennen es Gerüchte, aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache …  

Unsere Marketingstrategie fokussiert sich auf die nachhaltige Steigerung des Markenwertes von Peloton. Hierbei setzen wir auf zielgerichtete Werbemaßnahmen und den Ausbau unserer Vertriebskanäle. Auch wenn wir einen deutlichen Rückgang in unseren operativen Verlusten verzeichnen und eine stärkere Kapitalbasis geschaffen haben, halten wir uns mit Prognosen hinsichtlich zukünftiger Aktienkurse zurück. 

Stichwort: Ausbau der Vertriebskanäle. Wie wichtig ist Amazon als Vertriebskanal für die Marke? 

Wir sind nun seit einem Jahr auf Amazon aktiv. Fast jeder Deutsche hat einen Account und Amazon ist die größte Plattform, was den Verkauf von Sportartikeln angeht. Ich habe immer gesagt, dass wir diesen Weg gehen sollten, auch wenn viele Menschen mit Amazon eine Hassliebe verbindet. Das ursprüngliche Modell von Peloton war es, voll auf D2C zu gehen und eine eigene Logistik zu haben. Was wir für Deutschland festgestellt haben: Um stärker wachsen zu können, müssen wir unser Modell weiterentwickeln. Dieser Ansatz erlaubt es uns, den bestmöglichen Zugang zu unseren Produkten zu bieten.  

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Peloton-Deutschlandchef Martin Richter versucht fast jeden Tag etwas Sport zu machen. (© privat)

Peloton versucht, auch auf anderen Absatzmärkten zu verkaufen. So gibt es nun einen offiziellen Shop auf Ebay für Refurbished Bikes. Was steckt dahinter? 

Ein Schlüsselelement unseres Ansatzes besteht darin, mehrere Zugangspunkte und Preispunkte für Peloton zu schaffen, und Ebay ist ein weiterer wertvoller Kanal dafür. Dies ist Teil unserer Strategie, um unsere Produkte einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit in Deutschland ein wichtiges Anliegen. 

Was sind Ihre Learnings aus den letzten Jahren? 
 
Wir müssen uns auf den radikalen Product-Market-Fit fokussieren. Das Produkt muss zum durchschnittlichen Deutschen passen, ich spreche hier besonders von der Verfügbarkeit. Deswegen arbeiten wir jetzt auch mit Sport-Tiedje zusammen, dem Fitnessspezialisten und führenden Anbieter von Heimfitnessgeräten in Europa. 

Will man durch die Kooperation mit Sport-Tiedje nicht auch kostenintensive Flagship Stores ersetzen? 

Wir haben Flagship Stores in vier großen Städten Deutschlands. Wir wollen aber auch da sein, wo unsere Kundschaft ist, ohne dass die Leute Hunderte Kilometer auf sich nehmen müssen, um uns zu testen. Sport-Tiedje ist der führende Anbieter von Heimfitnessgeräten in Europa und vor allem daher ein interessanter Kooperationspartner. 

Wo Sie gerade von Europa sprechen. Peloton expandiert: So ist die Marke seit kurzem auch in Österreich erhältlich. Welche Ziele sind mit dem Eintritt in den österreichischen Markt verbunden?  

Zum einen sind die makroökonomischen Faktoren so, dass wir in diesen Markt reingehen müssen: Die Einkommensstruktur ist mit der deutschen vergleichbar, die Ausgaben für Sportartikel sind ähnlich, wenn nicht sogar höher. Wir haben eine Nachfrage aus dem österreichischen Markt erkannt und reagieren darauf. In Österreich konzentrieren wir uns zunächst auf Amazon und Sport-Tiedje als Kanäle. 

In ihrer Kommunikation setzt die Marke stark auf ihre Trainer*innen, die insbesondere via Social Media als Corporate Influencer*innen auftreten. Welches Ziel verfolgen Sie damit primär: Kundenbindung oder Neukundengewinnung?  

Wir sagen nicht Nein, wenn wir über die Community der Trainer*innen Neukunden gewinnen können. Aber primär ist es für uns wichtig, ob der Content hochwertig ist, den die Trainer*innen produzieren. Ich glaube, dass wir in der Auswahl jener sehr viel richtig gemacht haben.  

Zum Abschluss eine letzte Frage: Wie viele Kilometer legen Sie in der Woche auf Pedalen zurück? 

Das kann ich gar nicht sagen. Ich orientiere mich nicht an Kilometern, sondern versuche, dass ich fast jeden Tag etwas mache. Ich habe im Jahr 2023 mehr Zeit auf meinem Peloton verbracht als mit dem Hören von Podcasts auf Spotify

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.