Paris musste in diesem Jahr definitiv keine zusätzliche Tourismuskampagne starten. Die Olympischen Spiele sind Anreiz genug, um Besucher*innen aus der ganzen Welt in die Stadt der Liebe zu locken. Das gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenso für die zehn deutschen Städte, die zwischen dem 14. Juni und dem 14. Juli zu sogenannten Host Cities der Fußball-EM wurden. Hier standen zwar ebenfalls sportliche, genauer gesagt fußballerische Aspekte im Vordergrund. Dennoch präsentieren sich die Ausrichter der EM einem internationalen Publikum von ihrer besten Seite. Hier wurden Freundschaften geschlossen und Erinnerungen geschaffen, die möglicherweise nicht nur lange im Gedächtnis bleiben, sondern auch eine touristische Rückkehr nach sich ziehen.
Wie andere Städte für sich werben und dabei manchmal auch mit unkonventionellen Mitteln und Botschaften versuchen, ins Bewusstsein der Reisenden zu gelangen, zeigen diese Kampagnen:
Den viralen Sommerhit dieses Jahres hat die Marketingagentur der norwegischen Landeshauptstadt VisitOslo gelandet. Und zwar mit umgekehrter Psychologie oder, wie es die Marketingleiterin Anne-Signe Fagereng nennt, mit „typisch norwegischer Selbstironie“. Die Kampagne heißt „Besucht nicht Olso!“. Der Protagonist im dazugehörigen und in den vergangenen vier Wochen annähernd 600.000 Mal angesehenen Spot rät den Zuschauer*innen frei heraus von einem Besuch der Stadt ab. Die Ironie wird bereits bei seinem Einstiegssatz offensichtlich („Um ehrlich zu sein, ich würde nicht herkommen.“). Dann schlurft er durch seine Heimatstadt und preist doch mit jedem belang- und emotionslos daherkommenden Wort die Vorzüge der norwegischen Hauptstadt an, etwa wenn er sagt: „Ich verstehe nicht, wieso Menschen in der Mitte einer Stadt schwimmen gehen.“ Seine rhetorische Einstiegsfrage („Ist es überhaupt eine Stadt?“) beantwortet er sich später selbst („Es ist eher ein Dorf“): „Du biegst um eine Ecke und, oh, da ist der Premierminister. Du biegst um die nächste Ecke und, oh, da ist der König.“ Wer würde da keine Lust auf einen Besuch bekommen.
Kopenhagen belohnt seine Gäste für grünes Handeln
Die dänische Hauptstadt hat sich einen besonderen Anreiz für Tourist*innen einfallen lassen: Kopenhagen belohnt umweltbewusste Handlungen wie Fahrradfahren, Mitarbeit in einem urbanen Stadtgarten oder Müllsammeln während der Kajaktour in den Kanälen der Stadt. Die Tour ist dann beispielsweise umsonst. Weitere Belohnungen sind Kaffee, kostenloses vegetarisches Mittagessen oder freier Eintritt ins dänische Nationalmuseum. Die Initiative „CopenPay“ läuft als Pilotprojekt zunächst bis 11. August. Die Stadt gilt als Vorreiter für Nachhaltigkeit und Klimaschutz und soll bis 2025 klimaneutral werden. Dazu können nun auch die Besucher*innen ihren Teil beitragen.
Die drei europäischen Kulturhauptstädte 2024
Ähnlich wie zu Olympia oder zur EM, nämlich anlassbezogen, pilgern in diesem Jahr viele Menschen von innerhalb und außerhalb Europas ist die Städte Tartu (Estland), Bodø (Norwegen) und Bad Ischl/Salzkammergut (Österreich). Die drei Destinationen teilen sich in diesem Jahr den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2024“. Sie sind zwar allesamt keine Metropolen, bieten jedoch mit ihrem vielfältigen Programm allerhand Anknüpfungspunkte für einen Besuch. So macht es etwa das norwegische Bodø:
Breslau – Stadtmarketing als Blockbuster
Bereits aus dem Vorjahr, aber in diesem Jahr preisgekrönt, ist die Tourismuskampagne „Wrocław City of Adventure“ der polnischen Großstadt Breslau (Wrocław). Selbst ohne englische Übersetzung wird schnell klar, dass dies kein gewöhnlicher Kampagnenclip ist. Das knapp dreiminütige Video ist an die Kino-Blockbuster Illuminati und Sakrileg angelehnt. Im Mittelpunkt stehen die Benediktinerabtei, der Sarkophag von Piotr Włostowic, der Schatz von Ołbin und ein Geheimnis. Dass die Hauptstadt Niederschlesiens und europäische Kulturhauptstadt von 2016 neben diesen historischen Schätzen einiges mehr zu bieten hat, vom Zoo bis zum Aquapark, zeigt die jährliche Besucherzahl von sechs Millionen Gästen. „Dabei bleiben wir nicht stehen. Wir wollten mehr Besucher anlocken, indem wir Wrocław als ‚Stadt des Abenteuers‘ präsentieren“, so der Präsident der Stadt, Jacek Sutryk. Passenderweise lief der Kampagnenclip auf 170 Kinoleinwänden in Polens größten Städten. In diesem Jahr wurde die Kampagne auf das Ausland ausgedehnt, wo der Spots mit englischer, deutscher, tschechischer und spanischer Synchronisation gezeigt werden soll.
Berlin präsentiert sich der Welt als eigene Welt
Die Bundeshauptstadt war in diesem Jahr mit ihrer Fanmeile am Brandenburger Tor und dem Olympiastadion als Austragungsort von sechs EM-Spielen inklusive des Finales ohnehin ein Anziehungspunkt für Gäste aus halb Europa. Daher stammt die jüngste 360-Grad-Sommerkampagne „Visit the world of Berlin“ aus dem Jahr 2023, sie wurde dann auch in den Herbst verlängert. In dem dreiminütigen Spot dazu soll mit dem Lied „Ich fühl mich so Berlin. Ich muss da wieder hin!“ Lust darauf gemacht werden, in den Berliner Sommer einzutauchen. Die Botschaft: In Berlin trifft man nicht nur die Welt. Berlin selbst ist eine Welt für sich.
Deutsche Städte werben „auswärts“ in London
Ein Marketingcoup ist mehreren deutschen Städten, darunter Hamburg, Berlin und Dresden, im vergangenen Jahr gelungen: Für zwei Wochen im August warben sie auf einer 783,5 Quadratmeter großen Werbefläche am berühmten Piccadilly Circus in London mit einem 3D-Spot für sich. Anlass war das bevorstehende 250-jährige Jubiläum des Romantik-Malers Caspar David Friedrich (1774 bis 1840), das 2024 an mehreren Orten in Deutschland mit Ausstellungen und Veranstaltungen gefeiert wird. Hinter der Kampagne für das Kulturreiseland Deutschland steht die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT), die im Auftrag der Bundesregierung die touristische Vielfalt Deutschlands vermarktet.
Helsinki begrüßt seine Gäste mit Galgenhumor
Dass es sich für Städte lohnen kann, nicht das Standard-Programm im Marketing zu fahren, zeigen die jüngsten Beispiele aus Oslo und London gewiss. Ehrlichkeit und Humor tragen als kreative Werkzeuge dazu bei, als Destination bei Gästen länger in Erinnerung zu bleiben. Das wussten auch schon die Tourismusverantwortlichen in Helsinki, als sie Reisende im November 2016 am Flughafen mit diesem Werbebanner empfingen.