„Bestimmt können Unternehmen in der Buchbranche jetzt gerade noch ohne TikTok erfolgreich sein. Sie verlieren aber die Käufer*innen von morgen und schöpfen schon heute nicht ihr volles Potenzial aus.“ Das sagt Lisa Pankewitz, die beim Buchhändler Thalia unter anderem die TikTok-Präsenz verantwortet. Seit August 2020 ist Thalia bei TikTok aktiv und hat mittlerweile mehr als 150.000 Follower*innen eingesammelt.
Auf #BookTok angesprochen, übt sich TikTok selbst etwas im Understatement: „Natürlich kann man in der Buchbranche auch ohne TikTok erfolgreich sein. Aber TikTok hilft Verlagen, Zielgruppen zu erreichen, an die sie vorher nicht so einfach rangekommen sind“, so Sophie Münzberg, Strategic Partnerships Managerin bei TikTok DACH. Understatement deswegen, weil Münzberg gleichzeitig erklärt, dass es Fälle von Autor*innen gibt, die quasi ihr gesamtes Marketing via TikTok organisieren und damit erfolgreich sind.
Nach eigenen Angaben hat TikTok dafür nicht einmal besonders viel getan. Der Hashtag #BookTok ist aus der Community heraus entstanden. „Die Nutzer*innen sind zu Creator*innen geworden und nutzen BookTok als digitalen Buchclub, um sich dort für die nächste Lektüre inspirieren zu lassen“, so Münzberg. Mittlerweile begleitet TikTok das Thema aber aktiv, ist beispielsweise groß auf der Frankfurter Buchmesse vertreten, verleiht eigene Book-Awards und hat eine Bestsellerliste ins Leben gerufen.
Die TikTok-Bestsellerliste
Die „Spiegel“-Bestsellerliste wolle man damit aber nicht ersetzen, so Münzberg. „Wir haben von Verlagen gehört, dass sie merken, wenn ein Buch bei TikTok viral geht und dann die Verkaufszahlen steigen.“ Die Liste mache das transparent. Den Nutzen sieht sie bei Verlagen, Leser*innen und Autor*innen, aber nicht bei TikTok selbst. „Wir nutzen das bis dato nicht als Marketing-Tool.“ Einen positiven Marketingeffekt hat die Liste aber natürlich dennoch. Und wenn Verlage auf TikTok zukämen und sich einen TikTok-Bestseller-Aufkleber auf ihr Buch kleben wollen, würde TikTok diesen Werbeeffekt wohl kaum ablehnen.
Gut möglich, dass TikTok Themen wie #BookTok auch nutzt, um in den Medien besser wegzukommen. Bei der kritischen Berichterstattung über die Big Player schneidet das chinesische Netzwerk oft besonders schlecht ab. Offiziell will Münzberg davon aber nichts wissen. TikTok habe da nichts aktiv forciert.
Vorbehalte, bei TikTok einzusteigen, gab es unterdessen auch beim traditionsreichen Haus Thalia: „Wie immer bei Entscheidungen dieser Art“, so Thalia-Vertreterin Pankewitz. „Social-Media-Plattformen bergen stets auch ein gewisses Risiko. Aber wir können versuchen, mit unserer Präsenz etwas Gutes auf der Plattform zu tun, indem wir positiven Content mit Mehrwert verbreiten.“ Mittlerweile sei man der größte Buchhändler im DACH-Raum.
Wie TikTok Verlagsprogramme beeinflusst
Der Erfolg von #BookTok liegt wohl auch daran, dass TikTok kulturell anspruchsvollere Inhalte bieten kann, als es die landläufige Meinung vielleicht vermuten lässt. „Wir können Inhalte für alle Interessen und Nischen liefern. Von Musik über Shoah-Gedenkkultur bis hin zu Literatur findet alles auf TikTok statt und hat Einfluss auf die Kultur“, sagt Münzberg. Der Anspruch geht also deutlich über die klischeebeladenen Tanzvideos hinaus.
Thalia sieht die Buch-Community plattformübergreifend als eine sehr positive an, in der wenig Hass herrsche. „Was Hate anbelangt, ist das Community Management also meist angenehm“, so Pankewitz. Letztendlich wirkt TikTok dann sogar auf die Programme der Verlage. Dabei geht es sowohl um Visualität als auch um Inhalte. Aufwendige Farbschnitte von Büchern sind beispielsweise auf TikTok ein Trend, der sich auch in den Verkäufen niederschlägt. Bei Thalia macht sich ebenfalls bemerkbar, dass viel mehr englischsprachige Originale gelesen werden.
Pankewitz sagt, dass Thalia mittels TikTok sogar in der Lage sei, eigene Trends zu setzen. Gerade der Bereich New-Adult hat sich durch die Unterstützung der Social-Media-Plattform vergrößert. Für viele könne das der Einstieg in die Literatur sein. Und dann eben auch die Tür zu anspruchsvolleren Inhalten aufstoßen.