Gastbeitrag Von Niels N. von Haken, Geschäftsführer MDR-Werbung
Anders sind sie immer noch. Die Ostdeutschen. Gegen alle angeblich politisch korrekten Bemühungen, so etwas wie einen gesamtdeutschen Einheitsbrei herzustellen, halten die Menschen zwischen Elbe und Oder, Ostsee und Thüringer Wald an ihren Gewohnheiten fest. Die Westdeutschen übrigens auch. Überdeutlich wird dies an so etwas banalem wie dem Einkaufsverhalten. Das allerdings ist nicht ohne – nicht ohne Folgen. Es könnte sogar Bedeutung erlangen, wenn die Entscheider bei Produzenten und im Handel sich damit beschäftigten und Konsequenzen zögen. Aber irgendwie mag die deutsche Vorstandsetage das Geld aus dem Osten nicht. Sonst blieben Umsatzchancen nicht so ungenutzt. Wahrscheinlich aus Rücksicht auf – obacht, noch so eine Binse – das schwache Einkommen.
Von Ostalgie bis Besserwessitum
Aber mal von Anfang an: In Ost und West gehen 21 % des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens für Lebensmittel drauf. Kein Unterschied. Im Osten wird später eingekauft, nach 15 Uhr geht’s richtig los. Im Westen gerne schon vor 11 Uhr. Den berühmten Framstag gibt’s im Osten nicht, hier müsste er Dofrannabend heißen. Denn gegen zwei Haupteinkaufstage im Westen, nämlich Freitag und Samstag, stehen im Osten drei Haupteinkaufstage: Donnerstag, Freitag, Sonnabend. Zusammen satte 50 %, während der Framstag im Westen 43 % der Verbraucher erwischt.
Einig sind sich Ost und West, dass sie im Schnitt nur ein bis zwei Einkaufsstätten für den Wocheneinkauf nutzen. Aber: mit 43 % entscheiden sich deutlich mehr Ostdeutsche für nur eine Einkaufsstätte als die Westdeutschen (35 %). Zwei Einkaufsstätten ranken im Osten mit 40 % im Westen mit 44 %. Wie eine zweite Folie legt sich dann die Entscheidung für die beliebtesten Einkaufsstätten darüber.
Die Top Five ähneln sich nur scheinbar:
Ost: Kaufland (40 %), LIDL (29 %), Netto (27 %), REWE (21 %), EDEKA (21 %).
West: ALDI (34 %), LIDL (31 %), REWE (27 %), EDEKA (26 %), Kaufland (18 %).
Es kann in diesem Zusammenhang nicht schaden zu wissen, dass im Osten der Anteil der Single-Haushalte bis zum Alter von 39 Jahren höher ist als im Westen, und dass es insgesamt auch mehr Ein- bis Zweipersonen-Haushalte im Osten gibt.
Feiertage sind im Osten wichtiger
Nach wie vor sind besondere Anlässe im Osten wichtiger als im Westen. Das bezieht sich nicht auf Weihnachten, Ostern, silberne und goldene Hochzeiten, sondern auch auf Einschulung, Jugendweihe, Konfirmation, Kommunion etc. Die Einschulung etwa wird größer, festlicher begangen; mit mehr Gästen, längeren und ausgiebigeren Feiern. Es gilt: Wenn schon, denn schon. Und denn schon richtig. So kauft der Osten zu derartigen besonderen Anlässen gezielt hochwertig ein: Wein, Sekt, Spirituosen, Knabber- und Salzgebäck, Kaffee. Und auch beim Sonntagsessen gibt es deutliche Unterschiede. Im Osten kommen eher Kartoffeln, Klöße, Knödel, Geflügel, Schweinefleisch, Kohlgemüse wie Rot- und Blumenkohl sowie Erbsen und Bohnen auf den Tisch. Im Westen werden für das Sonntagsessen dagegen mehr Pasta, Rindfleisch und Fruchtgemüse wie Tomaten, Paprika und Kürbis eingekauft.
Die Kommunikation von Markenartiklern und Handel berücksichtigt diese Unterschiede kaum. Der Schulanfang z. B. wird im Prinzip in Ost und West einheitlich beworben: Schultüten, Anfängersets mit Füller, Stiften, Heften usw. Der Verbraucher im Osten hat nicht das Gefühl, verstanden worden zu sein. Einheitsbrei hat einheitlicher Kommunikation nichts zu tun. Der Festcharakter, für den hochwertige Alkoholika, Säfte, Braten, Gebäck angeboten werden könnten, wird im Osten so gut wie nicht genutzt. Im Zweifel gilt offenbar: „Wir machen das mit den Fähnchen.“