„Die Wahrheit hinter der Content-Lüge“. Knapp ein Jahr ist es her, als Jung-von-Matt-Chef Thomas Strerath via WUV die große Keule schwang und das Marketing-Buzzword des Jahres als gnadenlosen Overhype anprangerte. Zu viel Content gäbe es allenthalben, der ist außerdem meistens schlecht und langweilig und letztlich handelt es sich ja um nichts anderes, als um die zweite Welle des uralten branded Entertainment. Thomas Knüwer, Ex-Handelsblatt-Redakteur und Content Marketer der ersten Stunde, konterte prompt und warf dem berühmten Agenturchef eine gewisse Gestrigkeit vor. Er verharre in den alten Agentur-Denkmustern. Content Marketing sei schon per Definition anders, denn man versuche damit klar gesteckte und messbare Ziele bei klar definierten Zielgruppen zu erreichen. Als Negativbeispiel führte Knüwer Curved an, das redaktionelle Technikportal von E-Plus.
Die Früchte der Arbeit sind verheißungsvoll
Und das rief natürlich dessen Miterfinder Mathias Schrader auf den Plan. Der wiederum warf Knüwer vor, gar nicht genau hingeschaut zu haben: Curved habe recht viel E-Plus- bzw. inzwischen O2-Werbung auf den Seiten, nur trenne man eben Redaktion und Werbung. Ein Jahr danach hat sich diese alberne Diskussion in Luft aufgelöst. Es gibt kaum ein Unternehmen, dass nicht wenigstens teilweise mit Methoden des Content Marketing arbeitet, denn die Früchte der Arbeit sind verheißungsvoll. Man steigert die Sichtbarkeit bei Google, man kann Nutzer ziemlich zielgerichtet und somit eventuell relevanter zu einem früheren Zeitpunkt in der Customer Journey erreichen und wenn alles gut geht, umgeht diese Werbeform auch AdBlocker, ohne dass der Nutzer entsetzt aufstöhnt.
Und tatsächlich hat Strerath Recht, wenn er sagt, es gibt da draußen zu viel Content. Aber das genau ist der Grund für die dringende Notwendigkeit, strategisches Content Marketing zu betreiben. Nur Content mit einem Plan dahinter dringt noch bis zum Kunden durch, der lieber sein Smartphone zückt, als sich in der Werbepause von TV-Spots berieseln zu lassen. Marketing- und Verkaufsguru Seth Godin bringt es auf den ernüchternden Punkt: „Content Marketing ist die einzige Form von Marketing die übrig geblieben ist“.
Strategisches und taktisches Content Marketing
Und tatsächlich kann Content Marketing sehr teuer werden, wenn man nicht in der Lage ist, das Maximale aus dem Content zu machen. Und hier offenbart sich ein spannender Konflikt, den Thomas Strerath übrigens präzise ausgemacht hat: Diejenigen, die sich mit Content-Erstellung auskennen haben oft keine Ahnung, wie das Seeding und die Optimierung funktioniert. Growth Hacking ist für die Mitarbeiter der PR-Abteilungen ein Terminus aus dem Wortschatz der IT-Nerds. Acht von zehn Unternehmen, mit denen es Mirko Lange zu tun hat, sind ohne richtige Strategie unterwegs, wenn es um das Content Marketing geht. Lange – Berater und Entwickler der Content Marketing Software Scompler – unterscheidet zwischen strategischem und taktischem CM. Das strategische CM bedient langfristige Ziele wie zum Beispiel die Thought-Leadership bei einem Thema. Das taktische Content Marketing will unterdessen zum Beispiel konkrete Conversions erreichen und setzt dafür entsprechende Mittel ein, etwa den Download eines Whitepaper nach erfolgter Registrierung.
Das strategische Gerüst sollte permanent im Blick bleiben, spielt aber bei der einzelnen taktischen Maßnahme eine geringere Rolle. Taktische Vorgehensweisen verpuffen unterdessen nach einer gewissen Zeit. Hier muss man ständig neue Impulse setzen. Ein gutes Organisation-Muster für das Content-Marketing ist das Fish-Model. Hier werden vier grundlegende Handlungsmuster seitens des Nutzers definiert. „F“ steht für „Follow“, „I“ für „Inbound“, „S“ für „Search“ und das „H“ für Highlight“, was auch synonym mit branded Entertainment gesehen werden kann. Je nach konkretem taktischem Ziel verlangt das Fish-Model unterschiedliche Kanäle und Mittel die eingesetzt werden. „Follow“ ist die Regelkommunikation über Blogs oder die klassischen Social Networks. „Search“ adressiert konkrete Userbedürfnisse, etwa durch Ratgeber und Checklisten. Der Zugangsweg funktioniert häufig über Google.
Content Guidelines
Die Strukturierung des Content-Marketing ist unterdessen nur der erste Schritt hin zu mehr Effizienz. Ein zweiter Schritt ist die klare Definition von Guidelines und Verantwortlichkeiten. Die Guidelines müssen Freiraum schaffen für schnelle und authentische Reaktionen zum Beispiel in den Social Networks, sie müssen aber gleichzeitig klar genug sein, um zum Beispiel im Falle eines drohenden Shitstorms Eskalationswege aufzuzeigen.
Weiter geht es mit der Organisation von Content Marketing im Unternehmen. Zwar führen PR und Marketing oft die Feder, man sollte sich aber klar darüber sein, dass fast alle Abteilungen im Unternehmen dazu beitragen können und sollten, insofern gilt es Kommunikationsroutinen zu entwickeln, die Vertrieb, HR, Produktion, Produktmanagement und die Geschäftsführung mit einbinden. Idealerweise arbeiten gemischt zusammengesetzte Teams an Projekten, ähnlich wie das im Konzept des Lean Management gefordert wird.
Und nicht zuletzt geht es um den klugen Umgang mit den Inhalten selbst. Das beginnt schon beim Drehen. Wer heute TV-Spots produziert sollte eventuell bereits eine separate Kamera mitlaufen lassen, die Hochformat-Videos für Instagram erzeugt. Optimierungspotential zieht sich durch die komplette Wertschöpfungskette:
– Effiziente Ressourcenplanung: Zum Beispiel mit einem kolaborativen Redaktionsplan
– Optimierung des Wirkungsgrads: Zum Beispiel durch Seeding, Influencer-Relations und Pais Media
– User generated Content: Ist aufwändig im Handling erzeugt aber schnell eine große Menge Content.
– Mehrfachnutzung, Recycling: Denken Sie an Toplisten wie die 10 besten Blogposts des Jahres
– Lean Content Marketing: Setzen Sie den Qualitätsanspruch nur so hoch, wie die Zielgruppe das braucht. Der NDR produzierte eine komplette Coverage des US-Wahlkamps ausschließlich mit iPhones.
– Kluge Automatisierung: Native Advertising und eine zielgerichtete Personalisierung machen den Content relevanter.
– Leistungsfähige Tools: Social Media Publishing Tools wie Hootsuite und natürlich eine gute Webanalyse sind unverzichtbar.
Unterm Strich wird schnell deutlich, dass Content Marketing – wie auch immer man es letztlich definiert – keine Disziplin ist, die im Vorbeigehen erledigt werden kann. Content Marketing ist ein wichtiger Pfeiler in der strategischen Kommunikation der Zukunft. Erfolgreiche Unternehmen wie Ikea verdichten die Dialog mit ihren besten Kunden so stark, dass dabei sogar neue Produkte entstehen.