Kein Menschengedränge, keine Warteschlangen, keine Scharen von Spielerinnen und Spielern in ganz Köln: Die Spielemesse Gamescom ist in diesem Jahr – zum zweiten Mal in Folge – eine rein digitale Veranstaltung. Statt großer Messestände gibt es ab Mittwochabend zahlreiche Video-Live-Streams, mit einem bunten Programm von Spiele-Neuvorstellungen bis zu Kostümwettbewerben.
Lockdown treibt Games-Umsätze in die Höhe
Auch die Gamescom in ihrer bisherigen Form ist damit Opfer der Corona-Pandemie. Gleichzeitig war die Tatsache, dass Millionen von Menschen weltweit plötzlich viel mehr zu Hause waren, für die Spielebranche alles andere als schlecht.
Die Lockdowns haben die Umsätze kräftig in die Höhe getrieben: Im ersten Halbjahr 2021 wuchs der Games-Markt allein in Deutschland um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, von knapp 3,8 auf gut 4,6 Milliarden Euro Gesamtumsatz. Das geht aus aktuellen Zahlen des Branchenverbandes Game hervor, der auch Veranstalter der Gamescom ist.
„Es gab selten so einen starken Anstieg neuer Spieler wie 2020“, sagt Game-Geschäftsführer Felix Falk. Eine aktuelle Umfrage des IT-Verbands Bitkom zeigt: Inzwischen spielen 50 Prozent der Menschen in Deutschland wenigstens ab und zu Computerspiele, über alle Geschlechter und Altersgruppen hinweg. Von einem Nischenhobby für Nerds kann längst keine Rede mehr sein, seit Corona erst recht nicht. Dazu passend lautet das Gamescom-Motto in diesem Jahr auch: „Die neue Normalität“
Umsatz über verkaufte Spiele sinkt
Mehr Spieler und steigende Umsätze bedeuten allerdings nicht zwingend mehr verkaufte Spiele, wie die aktuellen Marktzahlen des Game zeigen: Denn während die Erlöse anderer Einnahmequellen teils deutlich gestiegen sind, sind die aus dem klassischen Verkauf von Spielen sogar um 14 Prozent gesunken – von 486 auf 417 Millionen Euro.
Der Grund: Neue Spiele zu kaufen, ist heute in vielen Fällen schlicht überflüssig. So gibt es schon länger, gerade im Smartphone- und Tablet-Bereich, sogenannte Free-to-Play-Titel, die sich zumindest zunächst gratis nutzen lassen. Geld kosten dann zum Beispiel neue Ausrüstungsgegenstände oder schicke Kostüme für die virtuellen Spielfiguren.
Dazu kommt nun ein neues Geschäftsmodell: Spiele-Abos im Stil von Videodiensten wie Netflix. Für eine Monatsgebühr gibt es unbegrenzten Zugriff auf einen laufend aktualisierten Katalog von Spielen. Im Mobil-Bereich gibt es da etwa Apple Arcade und den Google Play Pass, auf dem Konsolenmarkt vor allem Game Pass für Xbox und PC, in dem Microsoft teils auch brandneue Titel anbietet.
58 Prozent der Spielerinnen und Spieler haben laut Bitkom-Umfrage schon ein Spiele-Abo – Tendenz vermutlich weiter steigend, sagt Lewis Ward, Experte für Computerspiele beim Marktforscher IDC: „Ich glaube, Abo-Modelle werden weiter Marktanteile vom Bezahl-Modell übernehmen, und vor allem vom physischen Spiele-Verkauf.“
Hardware-Umsätze steigen leicht
Anders als bei Software sind die Umsätze beim Verkauf von Hardware zuletzt gestiegen – allerdings nicht so sehr, wie sie hätten steigen können. Nicht nur die neuen Spielkonsolen Playstation 5 und Xbox Series X sind seit Monaten kaum lieferbar, gleiches galt teilweise auch für ältere Geräte wie Nintendos Switch. Zu groß ist die Nachfrage, und zu groß sind die weltweiten Probleme mit Halbleiter-Nachschub und Güterverkehr, die auch anderen Branchen zu schaffen machen.
Unbeeindruckt davon wächst die Zahl und Vielfalt der Spiele, von kleinen Indie-Titeln, entwickelt von winzigen Teams, bis hin zu millionenschweren Blockbustern, an denen viele hundert Menschen in aller Welt mitarbeiten. Das alles auszuprobieren, ist selbst für Spieler mit sehr viel Freizeit kaum möglich. Sogar mit Abo und in einer Pandemie.
Das muss aber auch gar nicht sein, sagt Game-Geschäftsführer Falk: „Es gibt jetzt einfach mehr Spiele, die sich an ganz bestimmte Zielgruppen richten.“ Je größer der Markt wird, desto mehr Nischen gebe es auch – für Fans bestimmter Genres etwa, aber auch für Fans bestimmter Entwickler. So wie bei Filmen, bei Serien oder bei Musik. Normalität eben.
Von Tobias Hanraths und Weronika Peneshko, dpa