In Zeiten von Social Media, Whats-App und Video-Calls könnte man annehmen, dass das gute alte E-Mail-Marketing längst ausgedient hat. Weit gefehlt: Laut einer aktuellen Studie von United Internet Media versenden und empfangen 87 Prozent der Onliner*innen in Deutschland E-Mails. In Österreich sind es 90 Prozent und in der Schweiz sogar 98 Prozent. Und Statista schätzt, dass bis Ende 2023 der weltweite E-Mail-Marketing-Umsatz voraussichtlich fast elf Milliarden US-Dollar erreichen wird. Zum Vergleich: 2020 waren es erst 7,5 Milliarden. Im Jahr 2027 könnten die weltweiten Umsätze der Schätzung zufolge sogar 17,9 Milliarden US-Dollar erreichen.
Die aktuelle Entwicklung wird vor allem durch immer bessere Automatisierungsmöglichkeiten vorangetrieben. „Je gezielter Kund*innen angesprochen werden können, desto mehr fühlen sie sich abgeholt, und damit steigen die Erfolgschancen einer E-Mail-Kampagne enorm. Und genau hier bietet eine Automatisierung perfekte Möglichkeiten für Unternehmen“, sagt Melanie Riedel, Inhaberin von MR Consulting. Einen E-Mail-Verteiler aufbauen, Content erstellen und auf Senden klicken, reicht heute daher nicht mehr aus. Automatisierte E-Mail-Abläufe hingegen haben das Potenzial, Unternehmen zu transformieren und die Effizienz von Marketing- und Vertriebsprozessen deutlich zu erhöhen. Sehr anschaulich wird dies am Beispiel der Zander-Gruppe. Der Großhandelsanbieter für Elektro-, Heizungs- und Sanitärprodukte beliefert unterschiedlichste Geschäftspartner aus Handel, Handwerk und Industrie.
Use-Case 1: Wiederansprache und Lead-Bewertung
Mithilfe einer Marketing-Automation-Plattform (Evalanche von SC-Networks) setzt die Zander-Gruppe zahlreiche automatisierte Marketingmaßnahmen um: Unter anderem wird monatlich eine Vielzahl von E-Mail-Kampagnen und Newslettern an automatisch segmentierte Zielgruppen versendet. Dazu zählen monatliche Kampagnen, aber auch lokale Newsletter-Ausgaben der verschiedenen Vertriebseinheiten. Die Zielgruppen für die jeweiligen Marketingmaßnahmen können nach spezifischen Kriterien segmentiert werden, die für jeden Kontakt hinterlegt sind. Dazu gehören Branche und Region, aber auch spezielle Merkmale, die das Unternehmen aufgrund der geschäftlichen Relevanz des Kontakts festlegt. Mittlerweile stehen den Marketern von Zander mehr als 100 verschiedene Kriterien zur Verfügung. Darüber hinaus kann die Unternehmensgruppe innerhalb ihrer Marketingmaßnahmen automatisiert auf die Verhaltensweisen der jeweiligen Empfänger*innen reagieren.
Um automatisierte E-Mail-Marketing-Prozesse zu starten, werden in der Software zunächst die Trigger und der Nurturing-Prozess festgelegt. Die Trigger können sowohl zeit- als auch aktionsbezogen sein und lassen sich je nach Ziel und Zielgruppe individuell anpassen. Falls zum Beispiel Empfänger*innen eine E-Mail nicht geöffnet oder geklickt haben, kann ihnen nach einer zuvor definierten Zeit automatisch eine Erinnerungsmail gesendet werden. Nach ähnlichem Prinzip funktioniert auch die Wiederansprache von Interessent*innen: Hat ein*e Empfänger*in auf den Link in einer E-Mail geklickt und sich für das Angebot zwar interessiert, aber nicht gekauft, lassen sich diese Personen mit einer separaten E-Mail erneut ansprechen – beispielsweise mit detaillierteren Informationen zum angesehenen Angebot oder einem ähnlichen.
Die Verhaltensdaten der Empfänger*innen – zum Beispiel das Öffnen einer E-Mail oder das Klicken eines Links – können dank einer Trackingfunktion der Automatisierungslösung gespeichert werden, um die Leads entsprechend zu bewerten. Durch das Tracking ist es der Zander-Gruppe möglich, mit wenig Aufwand sehr spezifische Kampagnen für eine Zielgruppe zu erstellen, unabhängig von deren Größe. Außerdem reportet die Software verschiedene Daten zur Performance und Effektivität einer E-Mail-Marketing-Kampagne. Im Zusammenspiel mit dem Zander Onlineshop und Google-Analytics werden diese KPIs von den Marketern überprüft, analysiert und interpretiert.
Use-Case 2: Aftersales Marketing und Kundenbindung
Die Einsatzmöglichkeiten von E-Mails für Marketingzwecke sind per se vielfältig. E-Mail-Marketing-Expertin Riedel zufolge liegt der Fokus heute auf der Kundenbindung, da eine Automatisierung hier ihre Stärken optimal ausspielen kann. Eines der bekanntesten Beispiele ist das automatische Danke-Mailing nach einem Einkauf, das gleichzeitig auch der erste Kontakt zu Kund*innen nach dem Kauf ist. Neben Informationen zu Installation, Anwendung oder Pflege des Produktes sollte bei solchen Mails insbesondere viel Wert auf eine persönliche Note gelegt werden.
Doch hier liegt in Deutschland noch einiges im Argen, wie eine aktuelle Trendumfrage von Absolit zeigt: Gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der Unternehmen (36 Prozent) orientieren sich an den Interessen beziehungsweise den Produktpräferenzen ihrer Kund*innen, und nicht primär an den eigenen Absatz- und Verkaufszielen. Lediglich sieben Prozent berücksichtigen die Kundenzufriedenheit in ihrer Kommunikation. Auch kundenwertbasierte Rabattierungen sind selten: Nur ein Viertel (24 Prozent) der Unternehmen arbeitet mit individuellen Bepreisungen oder Rabattierungen. Nüchternes Zwischenfazit der Studienautoren: „Echte Kundenzentrierung sieht anders aus.“
Doch die technischen Möglichkeiten dafür sind reichlich vorhanden. E-Mail-Marketing-Lösungen erlauben es, sehr detailliert auf Produktkäufe zu reagieren, automatisiert Bonusprogramme vorzustellen und Kundenfeedback einzuholen. Ebenso kann es sich lohnen, nach dem Kauf per E-Mail um eine Bewertung zu bitten, denn Kundenfeedback hilft, die eigenen Angebote und Dienstleistungen zu optimieren. Gleichzeitig fühlen sich Kund*innen durch solche Aufforderungen wertgeschätzt. Nicht zuletzt lassen sich auch Wiederkäufe mit automatisierten Mailings generieren. Cross- und Upselling – gegebenenfalls mit Unterstützung durch einen Rabatt-Code – gelten als sehr probates Mittel für längerfristige Kundenbeziehungen. Bei der Auswahl einer Automatisierungslösung sollte daher beachtet werden, dass sie Newsletter-Integrationen zu Shopsystemen bietet, damit eine effiziente After-Sales-E-Mail-Automationen aufgebaut werden kann.
Use-Case 3: Kampagnen mit ChatGPT optimieren
Und auch im E-Mail-Marketing kommt man momentan an einem Thema nicht vorbei: dem Einsatz Künstlicher Intelligenz. „KI wird immer häufiger für Automatisierungszwecke genutzt. Beispielsweise setzen immer mehr Unternehmen Send Time Optimization ein“, sagt Riedel. Das Prinzip: Die Nutzer*innen erhalten einen Newsletter zu einem individuell für sie kalkulierten Zeitpunkt und nicht mehr für alle Empfänger*innen zum gleichen, festgelegten Termin. Außerdem finden dynamisch vom Nutzerverhalten getriggerte Inhalte vermehrt in E-Mails Einzug, beispielsweise Empfehlungen passend zum Stöberverhalten auf einer Website oder Wiederverfügbarkeiten von Merklisten-Artikeln.
Mit ChatGPT kommt noch eine neue Qualität hinzu. Die KI von OpenAI kann sogar Ideen für Kunden-Newsletter liefern – beispielsweise für Headlines, Betreffzeilen, Fließtext oder individuelle Call-to-Actions. Da ChatGPT in Sekundenschnelle mehrere Versionen einer E-Mail auf Knopfdruck erstellen kann, wird auch das A/B-Testing deutlich einfacher. Wird die KI über eine Schnittstelle eingebunden und entsprechend mit Unternehmensinhalten trainiert, kann sie solche Testergebnisse auch eigenständig auswerten und darauf basierend Optimierungen vorschlagen. Ein Ende der Möglichkeiten ist für den KI-Einsatz im E-Mail-Marketing noch gar nicht absehbar. Doch eines ist sicher: Der Einsatz von KI spart Marketern viel Zeit und wird der Automatisierung von E-Mail-Kampagnen zusätzlichen Schub verleihen.