Herr Ruschke, Sixt ist seit vielen Jahren bekannt für seine provokanten Kampagnenmotive. Dennoch konnte man zuletzt den Eindruck gewinnen, Sie hätten die Schlagzahl erhöht, insbesondere bei Politikern. Ist das eine bewusste Entscheidung?
ROBIN RUSCHKE: Wir haben kein bestimmtes Ziel für die Anzahl solcher Werbemotive, wollen aber natürlich stets im Gespräch bleiben. Wir reagieren schnell auf aktuelle Trends, Situationen und Ereignisse. Da haben sich uns in den letzten Monaten einfach viele passende Anlässe geboten, wodurch wir in der Tat 2019 auf mehr Kampagnen als im Jahr davor gekommen sind. Wir greifen trotzdem bei weitem nicht jeden Anlass auf, einige Ideen verwerfen wir auch wieder. Im Schnitt setzen wir eine von fünf Ideen um.
Aus der deutschen Politik kommen einem spontan Annegret Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen, Andrea Nahles, Kevin Kühnert oder Friedrich Merz in den Sinn. Sie sind im vergangenen Jahr aber durchaus auch sehr international unterwegs gewesen. War das ebenfalls den Anlässen geschuldet?
Das Jahr 2019 war – auch international – ein sehr Schlagzeilen-intensives Jahr. Insbesondere zur Jahresmitte kam es zu einer Ballung von Ereignissen, etwa der Ibiza-Affäre in der österreichischen Politik oder der Zuspitzung der Brexitverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU. Wir haben diese Situation bewusst genutzt, um zu testen, ob sich Abnutzungseffekte durch mehr Veröffentlichungen einstellen. Doch nichts dergleichen: Unsere Fans im Netz nahmen die Motive sehr wohl als Entertainment wahr, fast wie eine Art Serie. Sie haben uns immer wieder gefragt, was als nächstes kommt.
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Wieso funktionieren Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz und Boris Johnson, aber nicht Donald Trump, Kim Jong-un oder Wladimir Putin?
Wir machen keine Politik und geben keine politischen Statements ab. Wir wollen auffallen und provozieren, aber auf einer humorvollen Ebene und ihm Rahmen einer vernünftigen, nicht zu stark polarisierenden Diskussionskultur. Die Ibiza-Affäre von Heinz-Christian Strache oder das Brexit-Gebaren von Boris Johnson konnten wir so in gewohnter humoristischer Sixt-Manier aufgreifen, bei Donald Trump ist das – auch rechtlich – heikler.
Bleibt Trump also weiterhin tabu?
Bis auf weiteres, ja. Obwohl wir schon einige sehr gute Kreationen zum US-Präsidenten auf dem Tisch hatten, haben wir uns doch immer wieder dagegen entschieden. Das hat zugegebenermaßen auch einen juristischen Hintergrund: Die rechtlichen Konsequenzen in den USA sind für uns nicht absehbar. In Europa und vor allem Deutschland ist das anders: Hier haben uns Gerichte in der Vergangenheit zugesprochen, dass unsere Kampagnen im Falle von Claus Weselsky und Oskar Lafontaine rechtskonform waren. Damit haben wir uns sozusagen den Rahmen für aktuelle und künftige Kampagnen gesteckt.
Und gibt es auch jenseits dieses juristischen Rahmens selbstgesteckte Grenzen?
Unsere Grenze haben wir zum Beispiel 2016 in der Kampagne gesehen, in der es um die Aussagen von Alexander Gauland zu Jerome Boateng ging…
… der damalige AfD-Chef hatte den Fußballer im Vorfeld der Europameisterschaft beleidigt …
… und unsere Kampagne hat das mit dem Slogan aufgegriffen: „Für alle, die einen Gauland in der Nachbarschaft haben. Jetzt einen günstigen Umzugs-LKW mieten.“ Wir haben dafür zunächst extrem viel positive Resonanz bekommen, die Reaktionen sind aber nach ein paar Tagen gekippt und es folgten viele Hasskommentare. Das war nicht unser Ziel. Wir wollen Menschen nicht dazu bringen, dass sie negativ übereinander reden. Ja, wir sind provokant, wollen die Menschen mit unserer Werbung aber nicht verletzen. Wenn Frau Merkel die niederländische Königin Máxima nicht versteht und über Franz statt über France (Frankreich) spricht, dann hat das einen lustigen Charme.
Die Situation von Merkel und Maxima war in der Tat ein Missverständnis, über das selbst die Beteiligten schmunzeln mussten. Im Fall der gescheiterten Koalitionsverhandlungen zu Jamaika dürfte allerdings niemandem zum Schmunzeln zu Mute gewesen sein. Trotzdem haben sie die Verhandlungspartner hinterher gehörig auf die Schippe genommen.
Wir fanden es ja nicht per se lustig, dass keine Regierung aus den vierwöchigen Verhandlungen hervorgegangen ist. Wir haben versucht, den Dreh zu finden, den wir mit unserer Kommunikation aufgreifen konnten, um die Situation satirisch wiederzugeben. Das war dann ein Bild von Cem Özdemir, Christian Lindner, Angela Merkel und Horst Seehofer versehen mit dem Slogan „Vier Wochen umsonst. So günstig ist nicht mal Sixt.“
Geben Sie uns zum Schluss noch einen Einblick in die Kreativarbeit bei Sixt und Ihren Partnern: Wie entstehen die Ideen und wie verläuft der Auswahlprozess für die Motive?
Viele Ideen entstehen auf Agenturseite. Wir haben dann oft das Glück, aus verschiedenen Motiven auswählen zu können. Im Zusammenspiel mit unserer Leadagentur Jung von Matt entsteht nach wie vor das Gros unserer Kampagnen. Wir sitzen regelmäßig in größerer Runde mit Erich Sixt und Jean-Remy von Matt zusammen, um über aktuelle Themen zu diskutieren. Auch dabei entstehen Ideen zu Motiven und Headlines. Erich Sixt hat ein großes Interesse daran, dass wir mit unseren Kampagnen auffallen und das Unternehmen damit ins Gespräch bringen. Wir geben aber auch unseren eigenen Mitarbeitern, ganz egal ob sie im Marketing oder in anderen Abteilungen arbeiten, die Chance, kreativ zu sein und Ideen einzuspeisen. Und nicht zuletzt tragen uns auch Mitglieder aus unserer digitalen Community Themen zu.